Gasbrand – ein Fallbeispiel

Clostridium perfringens

Ihr seid Ärztinnen und Ärzte in einem mittelgroßen Krankenhaus und nehmt in eurer Notaufnahme einen 50-jährigen Patienten mit Somnolenz und Schmerzen im linken Bein auf. Anamnestisch ist zu erfahren, dass der Patient diese Schmerzen in zunehmender Stärke seit circa einem Tag hat. Sein Erscheinungsbild wirkt leicht ungepflegt. 

Weitere Anamnese: Keine Vorerkrankungen bekannt, keine Einnahme von Dauermedikation, keine Allergien bekannt. Ihr untersucht den Patienten und veranlasst ein cCT zum Ausschluss einer akuten Pathologie wie cerebraler Blutung oder Ischämie. Das cCT ist blande. Bei der körperlichen Untersuchung fällt Euch jedoch auf, dass das linke Bein schon bei Berührung schmerzt und ihr könnt eine Umfangsvermehrung im Vergleich zur Gegenseite feststellen. Die Haut des Beines fühlt sich emphysematisch und zudem gespannt an. Wie bei jedem Patienten in eurer Notaufnahme nehmt ihr auch ihm Blut ab und lasst ein EKG (opB) schreiben. Um das Problem des Patienten besser beurteilen zu können veranlasst ihr zusätzlich noch eine Bildgebung des Beines bis hin zum kleinen Becken und nehmt den Patienten stationär auf. 

In der radiologischen Untersuchung (CT) des Beines kann man multiple Gaseinschlüsse im Unter- und Oberschenkel erkennen, die sich fast bis zum kleinen Becken ausbreiten. Das CT des Fußes gibt außerdem Anhalt für einen Charcot-Fuß. In der laborchemischen Untersuchung zeigte sich ein hohes C-reaktives Protein, ein erhöhtes Procalcitonin-Wert von 8 µg/l und ein HbA1c von 15,2 %. Die restlichen Werte befinden sich im Normbereich.

Aufgrund der raschen Progredienz der offensichtlich bestehenden Infektion kommen Euch und den Oberärzt*innen vor allem zwei Differentialdiagnosen in den Sinn. Gasbrand und nekrotisierende Fasziitis. Ihr beginnt eine antibiotische Abdeckung mit Piperacillin/Tazobactam und Linezolid und sucht für den Patienten in einem Maximalversorger ein Bett. 

Es erfolgt der Transport via ITW in eine Uniklinik, wo der Patient über den Schockraum aufgenommen und dann umgehend operiert wird. Bei dem sehr ausgeprägten Befund zeigte sich keine Möglichkeit das Bein zu erhalten, deshalb erfolgte die vollständige Amputation des linken Beines.

Szenenwechsel: Ihr seid nun die aufnehmende Ärztin oder der aufnehmende Arzt auf einer anästhesiologisch-chirurgischen Intensivstation. Bei der Übergabe wird berichtet, dass sich die Infektion schon minimal über das Bein hinaus in das kleine Becken ausgebreitet habe, eine weitere Resektion aber unmöglich sei. Die Antibiose wurde umgestellt auf Clindamycin, Meropenem, Linezolid. Post-operativ zeigte sich in einem orientierenden TTE ein leichtes „low-cardiac-output“, sodass die Katecholamintherapie (die bislang nur Norepinephrin beinhaltete) um Dobutamin ergänzt wurde. 

Die pathologische und mikrobiologische Untersuchung der intraoperativ entnommenen Proben zeigte im weiteren Verlauf eine Infektion mit Clostridium perfringens. Nun steht also die gefährliche Diagnose.

Im weiteren Verlauf zeigten sich vor allem durch die schnelle operative Herdsanierung und breite antibiotische Abdeckung eine rückläufige Infektion sowohl klinisch, als auch laborchemisch. Euer Patient konnte im Verlauf nach einigen Tagen extubiert und auf eine IMC-Station verlegt werden. 

Steckbrief Gasbrand:

Zusammenfassung: 

Gasbrand ist eine seltene (ca. 100 Fälle/Jahr) aber sehr schwere Erkrankung, die unbehandelt eine Letalität von nahezu 100% hat. Durch eine verunreinigte Wunde, die dem Patienten nicht mal aufgefallen sein muss,  können Erreger eindringen und zu einer nekrotisierenden Infektion der Weichteile führen. Es zeigen sich durch die anaerobe Bakterienvermehrung mit CO2-Bildung Hautkrepitation und eine Muskelfiederung im Röntgenbild. Therapeutisch ist eine schnellstmögliche operative Sanierung des Infektionsherdes von größter Bedeutung, zusätzlich ist eine breite Antibiotika-Therapie anzustreben. Bei Nachweis von obligat anaeroben Bakterien kann eine hyperbare Oxygenierung erwogen werden.

Erregerspektrum:

  • Clostridium perfringens (gram-positives Stäbchen, obligat anaerober Sporen- und Toxinbildner)
  • selten auch: Clostridium novyii, septicum, hämolyticum

Infektionswege (exogen – endogen)

  • Exogene Infektionen:
    • Die Erreger befinden sich ubiquitär. Im Boden oder auch in Teilen der Darm- und der weiblichen Genitalflora
      • Unfallverletzungen, Schussverletzung, OP-Wunden
      • Eingriffe am Uterus
  • Endogene Infektionen
    • können bei schweren malignen Erkrankungen entstehen (gehen meist vom Darm aus)

Symptome

  • Rascher Verlauf mit Inkubation innerhalb von Stunden bis Tagen
  • Lokale Symptome: Zeichen einer Entzündung (wir erinnern uns an: Rubor, Calor, Dolor, Tumor, Functio laesa); Ödeme; süßlich-fauliger Geruch durch anaerobische Stoffwechselprodukte; Hautkrepitation, Blasenbildung
  • Systemisch: Sepsis mit positiven Schockzeichen, Fieber, Hämolyse bzw. DIC, Kapillarwand-Schädigung, Ikterus, Multiorganversagen

Diagnose

  • ggf. Blickdiagnose
  • Mikrobiologischer Nachweis
  • Bildgebung: Muskelfiederung

! Eine Sonografie bei einer unklaren Infektion kann nicht schaden !

Therapie

  • CHIRURGISCHE INTERVENTION -> Debridement oder bei ausgeprägtem Befund frühzeitige Amputation, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern
  • Intensivtherapie (Monitoring, inkl. hämodynamischem Monitoring, Volumentherapie)
  • Antibiotische Therapie laut AWMF-LL: 
    • Vor Erreger-Identifizierung: Vancomycin plus Piperacillin/Tazobactam ODER Ampicillin/Sulbactam, ODER Carbapenem; Nach Erreger-Identifizierung von Clostridia: Penicillin plus Clindamycin
  • Hyperbare Oxygenierung, sofern verfügbar

Prognose

  • Trotz adäquater Therapie: Letalität 50%; unbehandelt bis zu 100%

Meldepflicht!

Ein Fallbericht aus der Klinik:

In sehr seltenen Fällen kann eine Infektion mit C. perfringens auch zu einer ausgeprägten Hämolyse führen. Genaueres dazu könnt ihr hier nachlesen: https://www.researchgate.net/publication/340645009_The_fatal_triad_of_severe_haemolysis_an_emphysematous_liver_abscess_and_rapid_case_deterioration_indicates_Clostridium_perfringens_sepsis

Autorin

Dana Maresa Spies

Referenzen:

https://edoc.rki.de/bitstream/handle/176904/3724/steckbriefe.pdf?sequence=1&isAllowed=y

https://next.amboss.com/de/article/Uf0bl2#Z12df405dbefbdc54bd86f4461b1ee7a8

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