SARS-CoV-2 Impfung mit AZD1222/Vaxzevria von AstraZeneca – besser als ihr Ruf?

Der schlechte Ruf dieser Impfung eilt ihr voraus. Deshalb werden wir versuchen, in diesem Artikel Fragen zu beantworten sowie den Impfstoff und die Impfung näher zu erläutern, damit man sich selbst ein möglichst objektives Bild machen kann. 

Was ist das für ein Impfstoff?

Der Impfstoff AZD1222/Vaxzevria von AstraZeneca ist ein sogenannter Vektorimpfstoff und wirkt anders als die bisher zugelassenen mRNA-Impfstoffe. AZD1222/Vaxzevria enthält abgeschwächte Schimpansen-Erkältungsviren, sogenannte Vektorviren. Diese sind für den Menschen aber nicht gefährlich, weil sich Vektorviren nicht mehr (bzw. nur noch sehr begrenzt) vermehren können. Ein Beispiel für einen anderen Vektorimpfstoff ist der Impfstoff „Ervebo“ gegen Ebola. 

Quelle: BMBF – Das sollten Sie über Impfstoffe wissen

Bei dem Impfstoff gegen SARS-Corona-Virus-2 von AstraZeneca wurde ein Genabschnitt des SARS-Corona-Virus-2 in die DNA des Vektorvirus eingebaut. Hierbei handelt es sich um den Abschnitt, der für die Herstellung des Spike-Proteins, ein Oberflächenprotein, zuständig ist. Durch die Impfung gelangen die Vektorviren, inklusive des DNA-Abschnitts, der das Spike Protein codiert, in die Körperzelle und dort in den Zellkern.

Hier entsteht aus der DNA des Spike-Proteins eine messenger RNA (mRNA). Die Zelle kann anhand der mRNA das Spike-Protein selbst neu herstellen und dem körpereigenen Immunsystem präsentieren. Der Körper kennt danach dieses Oberflächenprotein, ist in der Lage, gezielt Antikörper zu entwickeln und dieses Oberflächenprotein im Gedächtnis zu behalten.

Kommt es später zu einem Kontakt mit dem SARS-Corona-Virus-2, erkennt der Körper das Spike-Protein wieder und es stellt sich eine schnelle und effektive Antwort des Immunsystems ein.

Für wen ist der Impfstoff zugelassen?

Der Impfstoff AZD1222/Vaxzevria von AstraZeneca ist von der EMA (European Medicines Agency) zugelassen für Personen ab 18 Jahren. Aufgrund einer Sicherheits-Prüfung durch die EMA (siehe unten) erfolgte eine vorübergehende Aussetzung der Impfungen, die am 19.03.2021 wieder aufgehoben wurde. (Aktuell finden Studien mit Impfungen von Kindern statt.)

Nachdem es zunächst eine Altersbegrenzung bei der Anwendung in Deutschland für Personen >65 Jahre gab, wurde die Studienlage für diese Altersgruppe geprüft und seit dem 04.03.2021 wird AstraZeneca auch für >65 Jährige in Deutschland durch die Ständige Impfkommission (STIKO) empfohlen.

Es zeigte sich im Verlauf ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Sinus- / Venenthrombosen in Kombination mit einer Thrombozytopenie (niedrige Blutplättchen) und der Vakzine von AstraZeneca bei einer Altersgruppe von unter 55 Jährigen (vorwiegend Frauen). Deshalb empfiehlt die STIKO nun seit dem 01.04.2021 den Impfstoff vorwiegend für Personen ≥ 60 Jahren. Eine Einzelfall-Entscheidung bei jüngeren Personen ist aber nach wie vor möglich.

Quellen:

RKI – Mitteilung der STIKO zur COVID-19-Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff (4.3.2021)

Robert-Koch-Institut – COVID-19 und Impfen: Antworten auf häufig gestellte Fragen (FAQ)

Kann die Impfung meine DNA verändern? 

Adenoviren sind „Schnupfenviren“, mit denen der Mensch regelhaft in Kontakt kommt. Bei einer Infektion mit einem solchen Adenovirus zeigte sich bisher keine Veränderung der menschlichen DNA. 

Bei einer Impfung wird ein bestimmter – nicht mehr vermehrungsfähiger – Teil dieses Adenovirus verimpft. Im Fall der AstraZeneca-Impfung wird also ein „Schnupfen-/Erkältungs-Virus“ von Schimpansen (Adenovirus) als Vektorvirus eingesetzt.

Auch hier besteht nach aktuellem Stand der Wissenschaft kein Risiko der Veränderung des Erbgutes der geimpften Person. 

Quellen:

BZgA – impfen-info.de – Vektorimpfstoffe

Hier eine ausführliche Erklärung des Virologen Prof. Dr. Drosten:

NDR Info – Coronavirus-Update Folge 78 ab Seite 15/18

Wie wirksam ist der Wirkstoff von AstraZeneca?

Zur Beantwortung dieser Frage muss man zwei unterschiedliche Begriffe kennen: Die sogenannte „efficacy“ und die „effectiveness“. Die „efficacy“ ist die Effektivität, die in der Zulassungsstudie gemessen wurde. Die „effectiveness“ ist die Effektivität, die man im Rahmen von Studien bei realen Impfkampagnen nach der Zulassung erkennen kann. 

Die beschriebene „efficacy“ in der in Lancet veröffentlichten Studie liegt bei 70,4%. Diese Studie ist auch die Grundlage für die Angaben des Paul-Ehrlich-Institutes. 

Quellen:

The Lancet- Oxford–AstraZeneca COVID-19 vaccine efficacy

Paul-Ehrlich-Institut – Si­cher­heit und Wirk­sam­keit des CO­VID-19-Impf­stoffs Astra­Zene­ca

Die European Medicines Agency (EMA, Amsterdam, bis 2019 in London) gibt die „efficacy“ mit 60% an.

EMA recommends COVID-19 Vaccine AstraZeneca for authorisation in the EU

Die Effektivität bezüglich der Verhinderung eines schweren Verlaufs und einer Krankenhaus-Aufnahme wird mit 82,4% nach der zweiten Dosis angegeben.

BMJ – Covid-19: New data on Oxford AstraZeneca vaccine backs 12 week dosing interval

In einem Preprint (einer Vor-Veröffentlichung) wird die Wirksamkeit von BionTech und AstraZeneca als vergleichbar beschrieben.

Preprint: Early effectiveness of COVID-19 vaccination with BNT162b2 mRNA vaccine and ChAdOx1 adenovirus vector vaccine on symptomatic disease, hospitalisations and mortality in older adults in England

Im Journal of American Medical Association (JAMA) wurde Folgendes veröffentlicht: 

Durch die Impfung mit AZ1222 kann ein schwerer Covid-19 Verlauf mit nahezu 100% erfolgreich verhindert werden und die Notwendigkeit eines Krankenhausaufenthaltes entfallen. Eine wechselhafte Effektivität (efficacy) zeigt sich aber bei klinischen Erkrankungen, wenn es um „variants of concern“, das heißt neuere Mutationen, geht. 

JAMA – SARS-CoV-2 Vaccines

Ist der Impfstoff von AstraZeneca auch wirksam gegen die sogenannten „variants of concern“, also gegen die Mutationen?

Der Impfstoff von AstraZeneca ist laut British Medical Journal (BMJ) und einem Preprint in dem Fachjournal Lancet gegen die Variante B.1.1.7. zu 74% wirksam.

Quellen:

Preprint in Lancet: Efficacy of ChAdOx1 nCoV-19 (AZD1222) Vaccine Against SARS-CoV-2 VOC 202012/01 (B.1.1.7)

Über die südafrikanische Variante B.1.351 scheint es zum aktuellen Zeitpunkt nur sehr wenig Informationen zu geben.

BMJ: Safety and efficacy of the ChAdOx1 nCoV-19 (AZD1222) Covid-19 vaccine against the B.1.351 variant in South Africa

Einige Varianten und die Wirksamkeit der Impfungen sind hier genauer nachzulesen: 

BMJ – Covid-19: Where are we on vaccines and variants?

Was ist mit schweren Nebenwirkungen?

In der Zulassungsstudie wurden keine schweren Ereignisse oder Todesfälle nach der Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff beobachtet.

Zwar werden in der Studie mehrere schwere Ereignisse aufgezählt (84 in der Gruppe der Geimpften, 91 in der Kontroll-Gruppe), diese zeigten sich jedoch alle im kurzfristigen Verlauf rückläufig. Ein kausaler Zusammenhang zur Impfung konnte nur bei drei dieser schweren Ereignisse hergestellt werden. Ein Patient nach der Impfung mit AZD1222 zeigte eine transverse Myelitis (eine Entzündung im Bereich des Rückenmarks), ein Patient der Kontroll-Gruppe (hier erhielten die Studienteilnehmer einen Meningokokken-Impfstoff) zeigte eine Blutarmut, der dritte Patient zeigte hohes Fieber. Diese und die weiteren Patienten haben sich inzwischen erholt.

Quelle: The Lancet – Oxford–AstraZeneca COVID-19 vaccine efficacy

Wenn man von Nebenwirkungen spricht, muss man folgende drei Varianten unterscheiden:

Impfreaktion, Impfkomplikation, Impfschaden:
Impfreaktion:

Dies ist eine Reaktion auf die Impfung, die zeigt, dass sich das Immunsystem mit der Impfung auseinandersetzt. Hierzu zählen: Rötung, Schwellung und Schmerzen an der Einstichstelle. Auch leichte systemische Immunreaktionen zählen hierzu, wie z.B. Fieber oder Kopf-/Gliederschmerzen.

Impfkomplikation:

Schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkungen sind insgesamt selten. Sie werden schon bei Verdacht, dass sie vorliegen könnten, nach dem Infektionsschutzgesetz an das Gesundheitsamt gemeldet. Das Paul-Ehrlich-Institut sammelt diese Fälle in einer Datenbank.

Beispiele für Impfkomplikationen sind unter anderem anaphylaktische Reaktionen und Fieberkrämpfe sowie unerwünschte Arzneimittelwirkungen, die spezifisch mit der jeweiligen Impfung einhergehen, wie beispielsweise eine Thrombozytopenie nach einer Masern-Mumps-Röteln-Impfung.

Impfschaden:

Unter Impfschaden versteht man eine gesundheitliche und wirtschaftliche Schädigung durch die Schutzimpfung.

Quellen:

RKI – Sicherheit von Impfungen

„Impfkompendium “ – Spiess, Heinz, et al.; Buch-DOI: 10.1055/b-0034-27503, Kapitel 7, S. 39

Womit kann ich also nach der Impfung rechnen?

Mit einer ganz normalen Impfreaktion. Nach Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts sind dies:

Sehr oft (>60%) haben Geimpfte Schmerzen und eine Druckempfindlichkeit an der Injektionsstelle. Kopfschmerzen und Ermüdung kamen bei >50% der Geimpften, Muskelschmerzen und Krankheitsgefühl in >40% sowie Fiebrigkeitsgefühl und Schüttelfrost bei >30% der Geimpften vor. Bei >20% zeigten sich Gelenkschmerzen und Übelkeit, zwischen 1-10% kam es zu Fieber >38°C, Schwellung und Rötung an der Einstichstelle, Übelkeit und Erbrechen. Nur in 0,1-1% zeigte sich eine Lymphknotenschwellung, Juckreiz oder ein Hautausschlag. 

Quelle: Paul Ehrlich Insitut – Si­cher­heit und Wirk­sam­keit des CO­VID-19-Impf­stoffs Astra­Zene­ca

Kann ich die Impfreaktion auch abmildern? 

In dem Aufklärungsmerkblatt des RKI werden fiebersenkende und schmerzlindernde Medikamente genannt wie z.B. Paracetamol genannt, die die Impfreaktion abmildern können.

Quelle: RKI – Aufklärungsmerkblatt

Hierzu gibt es aber aktuell keine generelle Empfehlung, auch weil in der Fachliteratur über eine Verminderung des Antikörpertiters (also der Höhe der Antikörper-Anzahl) durch Paracetamol / NSAR diskutiert wird. Bitte besprecht deshalb die Einnahme und den Einnahmezeitpunkt mit Eurem Haus-/Impfarzt.

Quelle: aerzteblatt.de – COVID-19: Paracetamol & Co gegen Impfnebenwirkungen nicht zu früh einnehmen

Wie groß war die Studiengröße und was ist mit Langzeitfolgen?

23.848 Studienteilnehmer haben insgesamt teilgenommen, wobei 11.636 Studienteilnehmern den Impfstoff erhielten. Die Studienteilnehmer wurden insgesamt 4 Monate nach der Impfung beobachtet.

-> Warum sind diese Angaben wichtig?

Bei früheren Impfungen, wie zum Beispiel der Schweinegrippe-Impfung „Pandemrix“, gab es einen Impfschaden, der umgangssprachlich als „Langzeitfolge“ angesehen wird. Die Studiengröße für die Zulassung dieser Impfung bestand aus 2.000 Probanden, weshalb seltene Nebenwirkungen nicht „schnell“ beziehungsweise häufig genug aufgetreten sind und deshalb zunächst nicht erkannt werden konnten.

Nebenwirkungen von Impfungen treten nach aktuellem Stand der Wissenschaft normalerweise innerhalb einer Zeitspanne von 6 Wochen nach der Impfung auf. Das bedeutet im Allgemeinen, dass nach einem 4-monatigen „Follow-up“ die häufigsten Nebenwirkungen schon erkannt wurden.

Quellen:

The Lancet – Oxford-AstraZeneca COVID-19 vaccine efficacy

PLOS ONE – AS03 Adjuvanted AH1N1 Vaccine Associated with an Abrupt Increase in the Incidence of Childhood Narcolepsy in Finland

Betrachtet man die den AstraZeneca-Impfstoff betreffende Zulassungsstudie, sehen wir – wie oben beschrieben – eine sehr große Studienteilnehmer-Anzahl. Es gab also hier deutlich mehr Probanden als bei der Studie zu dem Schweinegrippe-Impfstoff „Pandemrix“. Hieraus lässt sich schließen, dass man bei AstraZeneca schwerwiegende und langfristige Nebenwirkungen (Langzeitfolgen) rein statistisch inzwischen hätte sehen müssen.

Langzeitwirkungen von Impfungen sind zudem generell sehr selten; unter anderem auch, weil der Impfstoff sehr schnell abgebaut wird und sich im Körper nicht anreichert. 

Wie viele Impfungen sind erforderlich?

Zwei Impfungen sind vonnöten: Eine Erstimpfung und eine weitere Impfung (4-)12 Wochen nach der ersten Impfung.

Durch die seit dem 01.04.2021 erneuerte Empfehlung der STIKO, sollen alle Personen < 60 Jahre, die eine Erstimpfung mit Vaxzevria (AstraZeneca) bekommen haben, eine Zweitimpfung mit einem mRNA-Impfstoff anstelle von Vaxzevria (AstraZeneca) 12 Wochen nach der Erstimpfung erhalten.

Robert-Koch-Institut – COVID-19 und Impfen: Antworten auf häufig gestellte Fragen (FAQ)

Kann ich trotz Impfung mit AstraZeneca bei einer möglichen Infektion mit SARS-CoV-2 das Virus auf andere übertragen?

Nach derzeitiger wissenschaftlicher Meinung wird durch die Impfung die Weitergabe des Virus eingeschränkt. Studien zur sogenannten Transmission des Virus bei AstraZeneca-Geimpften sind in der nächsten Zeit zu erwarten, liegen jedoch zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht vor. Aus einem Preprint in Lancet (mit einem anderen Studien-Endpunkt) ergibt sich aber eine Reduktion der Übertragung durch die AZ-Impfung.

The Lancet: Single Dose Administration, And The Influence Of The Timing Of The Booster Dose On Immunogenicity and Efficacy Of ChAdOx1 nCoV-19 (AZD1222) Vaccine

Kann ich nachlesen, was in der Impfung für Stoffe enthalten sind?

Ja, hier: 

Paul-Ehrlich-Institut – Biomedizinische Arzneimittel

Welche Informationen gibt es zu den Fällen, bei denen nach einer Impfung ein sogenanntes thrombo-embolisches Ereignis aufgetreten ist?

In wenigen Fällen trat ein thrombo-embolisches Ereignis auf, welches zum Teil begleitet war von einer niedrigen Anzahl an Thrombozyten (Blutplättchen). Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) schreibt aber auch deutlich, dass die Anzahl von Fällen mit thrombo-embolischen Ereignissen bei Geimpften (n= 11 Mio.) nicht höher sei als die „normale“ Inzidenz von Thromboembolien in der Allgemeinbevölkerung. Zudem war die EMA der Ansicht, dass der Nutzen der AstraZeneca-Impfung, eine Vermeidung einer Covid-19-Infektion im Bezug auf Krankenhausaufenthalt und Tod im Vergleich zu den Nebenwirkungen der Vakzine, überwiegt. Diese Tatsache führte zu einer Aussetzung der Impfungen mit dem AstraZeneca-Impfstoff in Deutschland.

In einer außerordentlichen Sitzung der EMA am 18.03.2021 wurden die von einigen Mitgliedsländern beobachteten Ereignisse bewertet.

Die sehr seltenen Gerinnungsstörungen traten unter den Geimpften häufiger auf, als es zahlenmäßig erwartbar gewesen wäre, daher kann ein kausaler Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden. Aufgrund der Seltenheit dieser Ereignisse und der Tatsache, dass eine COVID-19-Erkrankung selbst thrombembolische Komplikationen auslösen kann, bleibt die Möglichkeit eines Zusammenhanges unsicher.

Die EMA stellt fest, dass der Nutzen des Impfstoffes zur Bekämpfung der Pandemie weiterhin dem Risiko von Nebenwirkungen überwiegt. Der Impfstoff ist nicht mit einer Erhöhung des Gesamtrisikos für thrombembolische Ereignisse bei Geimpften verbunden. Es gibt keinen Nachweis, dass ein Zusammenhang mit einzelnen Chargen oder zu spezifischen Produktionsstätten des Impfstoffes besteht. Eine Assoziation zu seltenen Fällen von Thrombose, Thrombozytopenie mit oder ohne Blutungen oder dem Auftreten von Sinusvenenthrombosen ist möglich und wird für alle verfügbaren Impfstoffe für COVID-19 inklusive AstraZeneca weiterhin geprüft. Die sehr seltenen Ereignisse werden in Form eines Warnhinweises in die Fach- und Gebrauchsinformationen aufgenommen. Das Bundesgesundheitsministerium hat auf dieser Grundlage entschieden, die Impfungen mit dem AstraZeneca-Impfstoff fortzusetzen.

Die Mehrheit der von den seltenen beschriebenen Fällen betroffenen Geimpften waren Frauen jünger als 55 Jahre, diese scheinbare Häufung könnte aber auch als Folge von Impfstrategien der Mitgliedsländer vorgetäuscht sein. Dennoch wurde am 01.04.2021 nun von der STIKO eine Empfehlung herausgegeben, den Impfstoff von AstraZeneca nur noch für ≥ 60 Jährige einzusetzen.

Geimpfte Personen sollen sich umgehend ärztlich vorstellen, wenn sie nach der Impfung Symptome wie schwere oder anhaltende Kopfschmerzen auftreten, die länger als vier Tage nach der Impfung anhalten, Kurzatmigkeit, Brustschmerzen, Arm- oder Beinschwellungen entwickeln oder sich über die Impfstelle hinaus Blutergüsse ausbilden.

Ein sehr sehenswertes Video zur Kontroverse von Mai Thi Nguyen-Kim findet Ihr in ihrem Youtube-Kanal.

Mittlerweile gibt es eine erste Stellungnahme der Universitätsmedizin Greifswald zu den Ursachen der thromboembolischen Ereignisse sowie eine Stellungnahme der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung mit Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie.

DGHO – AstraZeneca COVID-19-Vakzine – Umgang mit dem Risiko von Gerinnungskomplikationen (30.03.2021)

Aktualisierte Stellungnahme der GTH (mit Flowchart) (22.03.2021)

Kurz zusammengefasst:

  • Immunologische Genese der Thrombembolien, daher KEIN erhöhtes Risiko für Personen mit positiver Thromboseanamnese oder/und Thrombophilie
  • Grippeähnliche Symptome wie Kopf- und Gliederschmerzen über 1-2 Tage nach der Impfung sind impftypisch und kein Grund zur Besorgnis
  • Nebenwirkungen die länger als 3 Tage anhalten oder neu auftreten (Schwindel, Kopfschmerzen, Sehstörungen o.Ä.) sollten weitere Diagnostik zum Ausschluss einer zerebralen Thrombose zur Folge haben.
  • Diagnostik: Blutbild, D-Dimere, ggf. Bildgebung
  • Wenn Thrombozytopenie oder Nachweis einer Thrombose -> HIT-Diagnostik, unabhängig von vorheriger Heparintherapie (AK-Test gegen Komplex aus PF4 und Heparin)
  • Bis Ausschluss HIT (HIPA!) Antikoagulation mit HIT-kompatiblen Präparaten (z.B. Argatroban, Fondaparinux, o.Ä.)
  • bei gesicherter autoimmuner HIT und schwerem Verlauf (Sinus- /Venenthrombose) Gabe von intravenösen Immunoglobulinen erwägen (1g kg/KG tgl. für 2 Tage)
  • sekundäre thrombotische Mikroangiopathien und andere Ursachen ausschließen

Diese Empfehlungen basieren auf oben genanntem Positionspapier, eine wissenschaftliche Publikation liegt diesem noch nicht zu Grunde. Daher handelt es sich um Einzelfallentscheidungen. Sobald Publikationen vorliegen, werden wir den Artikel an dieser Stelle weiter ergänzen.

Eine populärwissenschaftliche Darstellung wie das Ganze funktionieren könnte, findet ihr hier.

Quellen:

RKI: STIKO-Empfehlung zur COVID-19-Impfung (01.04.2021)

EMA: AstraZeneca COVID-19 vaccine: review of very rare cases of unusual blood clots continues (31.03.2021)

PEI – Rote Hand Brief: COVID-19 Vaccine AstraZeneca: Risiko von Thrombozytopenie und Gerinnungsstörungen

EMA – COVID-19 Vaccine AstraZeneca: benefits still outweigh the risks despite possible link to rare blood clots with low blood platelets (19.03.2021)

PEI – CO­VID-19-Impf­stoff Astra­Zene­ca – Er­geb­nis der Si­cher­heits­be­wer­tung: Der Impf­stoff ist si­cher und wirk­sam im Kampf ge­gen CO­VID-19 (19.03.2021)

PEI – COVID-19-Impfstoff AstraZeneca – Informationen für Ärztinnen und Ärzte (19.03.2021)

Sicherheitsbericht von allen Impfstoffen gegen Covid-19 des PEI vom 23.03.2021

Warum wurden die Impfungen mit dem Impfstoff von AstraZeneca gestoppt?

Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) gab die Empfehlung, bis zum Abschluss der Prüfung durch die EMA die Impfungen mit dem Impfstoff von AstraZeneca vorübergehend auszusetzen. Dies betraf sowohl Erst- als auch Folgeimpfungen mit dem Impfstoff von AstraZeneca. Die Begründung des PEI für diese Vorsichtsmaßnahme war, dass eine „auffällige Häufung einer speziellen Form von sehr seltenen Hirnvenenthrombosen (Sinusvenenthrombosen) in Verbindung mit einem Mangel an Blutplättchen (Thrombozytopenie) und Blutungen in zeitlicher Nähe zu Impfungen mit dem COVID-19-Impfstoff AstraZeneca“ aufgetreten sei.

Quelle:

FAQ des Paul-Ehrlich-Insitutes – Temporäre Aussetzung COVID-19-Impfstoff AstraZeneca

Im folgenden Abschnitt findet man eine kurze medizinische Erklärung zu den oben beschriebenen Erkrankungen und Symptomen:

Eine Sinus(Venen)thrombose ist eine Thrombose eines, durch die Hirnhäute gebildeten, „Blutgefäßes“ (einer Art Vene) im Gehirn. Dadurch kann das Blut aus dem Kopf nicht mehr korrekt abfließen. Klinisch zeigt sich dies vor allem mit Kopfschmerzen, Schmerzen im Augenwinkel und möglicherweise weiteren eher selteneren und unspezifischen Symptomen wie einem Krampfanfall oder Lähmungen.

Der Mangel an Thrombozyten (Blutplättchen) wird vermutlich durch eine sogenannte HIT (Heparin-induzierte Thrombopenie) ohne vorherige Heparin-Exposition am ehesten durch Auto-Antikörper (also Antikörper gegen den eigenen Körper) ausgelöst. Ob und welche Komponente der Impfung zu einer HIT führen kann, ist zum aktuellen Zeitpunkt noch unklar. Bei einer HIT entsteht durch die Aktivierung der Thrombozyten neben einer Blutungsneigung auch eine Thromboseneigung. Klinische Zeichen können kleine punktförmige Einblutungen, sogenannte Petechien, darstellen.

DocCheck Flexikon:

Sinusvenenthrombose

Heparin-induzierte Thrombozytopenie

Case-Report zu HIT ohne Heparin-Exposition: Spontaneous heparin-induced thrombocytopenia syndrome without any proximate heparin exposure, infection, or inflammatory condition: Atypical clinical features with heparin-dependent platelet activating antibodies

Gibt es auch Fälle von Thrombo-embolischen Ereignissen und Sinusvenenthrombosen ausgelöst oder in Zusammenhang mit einer Covid-19 Infektion?

Wissenschaftlich scheint bisher bewiesen, dass eine Covid-19-Infektion selbst, wie mehrfach in der Fachliteratur beschrieben, zu einer deutlich erhöhten Inzidenz an thrombo-embolischen Ereignissen führt. Auch eine mögliche Korrelation von Sinusvenenthrombosen und einer Covid-19-Infektion werden beschrieben.

Quellen:
SAGE – Incidence of deep venous thrombosis in COVID-19 hospitalized patients during the first peak of the Italian outbreak

COVID-19 and Venous Thromboembolism: A Meta-analysis of Literature Studies

Cerebral Venous Sinus Thrombosis in COVID-19 Infection: A Case Series and Review of The Literature

Welches Fazit ziehen wir von den Pin-up-docs?

Betrachtet man die Tatsache, dass die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung einen leichten Verlauf einer SARS-CoV-2 Infektion erleidet, ist klar, dass nicht die Verhinderung einer leichten Virusinfektion an sich das Ziel der Impfung sein muss. Diesbezüglich ist der Impfstoff von AstraZeneca (siehe Efficacy) etwas im Nachteil und ist durch die Medienberichterstattung zu Unrecht in Verruf geraten, weil er in Bezug auf eine bestimmte Kenngröße (die absolute Verhinderung der Infektion) weniger guten Schutz bietet, was von Seiten der Medien leider fehlgewichtet wurde. 

Viel relevanter für die Bevölkerung und für die Rückkehr zur gesellschaftlichen Normalität sind die gefürchteten schweren Verläufe. Das bedeutet Krankenhausaufnahme, die Notwendigkeit auf einer Intensivstation behandelt zu werden sowie krankheitsbedingte Todesfälle. Sie bedeuten hohe gesellschaftliche, soziale und institutionelle Kosten und Leid. Darauf bezogen ist der Impfstoff von AstraZeneca hochgradig potent und bietet insbesondere potentiellen Risikogruppen der bisher ungeimpften Bevölkerungsanteile im Alter zwischen 40 und 80 Jahren Schutz. 

In einem Preprint einer schottischen Studie mit 1,1 Mio Studienteilnehmern verhindert bereits eine Impfung mit AZD1222 von AstraZeneca durch SARS-CoV2-bedingte Krankenhausaufnahmen zu 94% (BioNTech/Pfizer: 85%).

Preprint in Lancet: Effectiveness of First Dose of COVID-19 Vaccines Against Hospital Admissions in Scotland: National Prospective Cohort Study of 5.4 Million People

Betrachtet man die sicherlich noch Monate andauernde Impfstoffknappheit zusätzlich, ist klar, dass die Astra-Vakzine unumgänglich ist, um rechtzeitig eine Bevölkerungsimmunität herzustellen, bevor weitere Virusvarianten und Sekundärprobleme entstehen.

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