Einarbeitung auf der ITS, in der ZNA und in jedem anderen Funktionsbereich
Das Jahr 2018 neigt sich dem Ende zu und damit stehen für viele Assistenzärzte neue Rotationen auf dem Programm (Vorausgesetzt es gibt in eurer Klinik einen funktionierend Rotationsplan).
Für den ein oder anderen wird es der erste Einsatz seines Lebens in einem Funktionsbereich sein, in dem derjenige mit Notfallmedizin und akut lebensgefährdeten Patienten in Kontakt kommt. Daher ist verständlicherweise die Nervosität oft groß und wir wollen auch einen kleinen Survival-Guide für die ersten Schritte in eurem neuen Mikrokosmos mit an die Hand geben.
In diesem ersten Übersichtsartikel werdet ihr wenig konkrete medizinische Tipps finden, diese „Kochrezepte“ folgen in loser Reihenfolge in eigenen Artikeln.
Eins noch vorweg, bitte nicht alles auf die Goldwaage legen, was ihr hier lesen werdet. Manches ist auch mit einem Augenzwinkern zu verstehen.
Nun aber dazu, wie man die ersten Wochen auf der ITS oder in der ZNA übersteht.
1. Vorbereitung ist Alles
Bitte nicht falsch verstehen, keiner erwartet von einem neuen Assistenten, dass er eine differenzierte Sepsis-Behandlung am ersten Tag abliefert oder easy going ein Dialyseprotokoll schreibt. ABER es hilft extrem (und macht natürlich auch noch einen guten Eindruck bei Oberarzt & Pflege) wenn man sich schon einmal im Vorfeld mit den häufigsten Krankheitsbildern in der Theorie beschäftigt und ein grobes Konzept im Kopf hat.
Es kommt natürlich sehr darauf an, wo die Schwerpunkte eures Funktionsbereiches liegen (konservative ITS, operative ITS, interdisziplinäre ZNA, whatever), aber wir haben einmal versucht unsere Top 5 an Krankheitsbildern für euch zusammen zu fassen. Wenn man zum äußersten schreiten will, kann man natürlich auch mal einen Kollegen aus dem eigenen Haus fragen und schauen ob derjenige eine persönliche Top 5 liefern kann.
Hier nun aber unsere Top 7 der Krankheitsbilder (interdisziplinär)
- Sepsis (Pneumonie, Pankreatitis, Urogenital, Haut)
- Reanimation
- Akutes Nierenversagen
- Herzrhythmusstörungen inkl. ACS
- Stoffwechselentgleisungen (Diabetes rechts- und linksrum)
- COPD (Akuttherapie + NIV)
- Delir in allen Varianten
Wer eine Vorstellung der Akuttherapie dieser 7 Krankheitsbilder hat, wird mit großer Wahrscheinlichkeit wenig schlimme Überraschungen in den ersten Diensten erleben.
Aus unserer Sicht ist es auch empfehlenswert einen Vorbereitungskurs für die ZNA oder die ITS zu absolvieren. Anbieter gibt es viele und die Qualität ist sehr unterschiedlich. Am hilfreichstens ist es hier oft, sich auf Empfehlungen von älteren Kollegen zu verlassen (oder uns eine Mail für Empfehlungen zu schreiben 😉 )
2. Stellt euch überall vor
Eigentlich eine Grundregel der menschlichen Kommuikation, aber doch immer wieder herausfordernd für manche Kollegen. Die persönliche Vorstellung….
Ihr werdet in den ersten Wochen immer wieder neuen Leuten im Funktionsbereich begegnen, alle tragen in der Regel Funktionskleidung, was eine Zuordnung zu einer Berufsgruppe oder zu einer Hierarchie oft schwierig bis unmöglich macht. Um sich nicht ausgerechnet bei Schwester Gudrun nicht vorgestellt zu haben, die das noch Schwester Brunhilde und Pfleger Egon erzählt und hinterher sich alle einig sind, wie arrogant doch der neue Kollege / die neue Kollegin ist, SOLLTE MAN SICH BEI JEDEM VORSTELLEN. Besser zwei- bis dreimal als keinmal. Trotzdem werdet ihr vergessen euch bei irgendjemandem vorzustellen, entschuldigt euch dann aufrichtig und tragt es mit Fassung, vielleicht war es ja nicht die nachtragende Schwester Gudrun die ihr vergessen habt (wobei die Erfahrung lehrt, dass man ausgerechnet immer die vergisst).
3. Stellt euch mit der Pflege gut
Euer Überleben auf der ITS/in der ZNA hängt noch viel mehr als auf der Normalstation von der Pflege ab. Schreibt euch das hinter die Ohren, man kann das gar nicht oft genug betonen.
Die Pflege ist in der Regel schon viel länger auf der ITS als ihr es jemals sein werdet, sie hat schon tausende Frischlinge kommen, gehen und untergehen sehen. Die unter 1. erwähnten Krankheitsbilder beherrschen sie nach dem Therapieschema in eurem Haus meistens aus dem FF, also stellt euch gut mit Ihnen !
Fragt Sie nach ihrer Meinung, lasst Ihnen Freiheiten, seid entscheidungsfreudig und -stark und vor allem gebt zu, wenn ihr euch nicht sicher seid oder etwas nicht wisst. Das kommt viel besser an, als blöd rumzulabern und am Ende blöd dazustehen.
Wichtig zu wissen ist auch, dass es verschieden Typen von Krankenschwestern und – Pflegern gibt, denen man unterschiedlich begegnen muss.
Älter, erfahren und abgebrüht
Es gibt überall einen Pfleger Erwin. Erwin ist schon 364 Jahren auf der Intensiv, hat alles schon gesehen, nichts bringt ihn aus der Ruhe und vor allem keine Anfänger. Das wird er euch spüren lassen, seinen Respekt müsst ihr euch verdienen.
Wie man das macht ? Ganz sicher nicht mit Arroganz, da müsst ihr mit Kompetenz überzeugen. Gebt auf jeden Fall zu, wenn ihr etwas nicht wisst. Im Endeffekt hilft Pfleger Erwin nämlich gerne, nur Großkotzerei kann er nicht ab.
Der Hypertrophe
Nennen wir Ihn Manfred. Manfred kennt sich ganz toll mit irgendwas aus, meistens irgendein Thema, dass im Medizinstudium so gut wie gar nicht vorkam und auch gerade am Anfang eurer ITS-Zeit nicht in eurem Fokus steht. Z.B. Ernährung, Lagerung von Patienten oder whatever. Manfred wird euch testen, er wird euch morgens um 4 anrufen und fragen, welche Sondenkost er denn nehmen soll um das Kalorienziel zu erreichen obwohl das Natrium doch schon 148 ist.
Hier hilft nur zugeben, dass man keine Ahnung hat, dann wird Manfred das regeln. Alternativ kann man sich natürlich auch in das Thema einlesen und beim nächsten Mal mit Manfred darüber diskutieren. Aber ihr könnt sicher sein, dass er dann etwas anderes findet womit er euch auflaufen lässt.
Die Penible
Schwester Brunhilde zeigt euch jede BGA und bespricht jedes Kalium mit euch ? Sie will sich ständig absichern. Ihr reanimiert gerade ? Egal, Brunhilde muss dringend über die Zielbilanz sprechen.
Hier hilft nur Empathie, Cholerische Ausbrüche ändern gar nichts. Denkt euch euren Teil und beantwortet jede Frage mit Engelsgeduld, vielleicht wird es irgendwann besser, die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zu letzt.
Das war nur ein kurzer Abriss über häufige Typen, es gibt alle Abstufungen und noch viel mehr. Aber vergesst nie…. Ihr seid von der Pflege abhängig !
4. Übt praktische Fähigkeiten
Wenn ihr Anästhesie-Assistent seid habt ihr jetzt Glück und könnt relativ getrost über diesen Absatz hinweg lesen, für alle anderen Fachrichtungen gilt üben, üben, üben.
Intubation, ZVK, Arterie, Shaldon, Pleuradrainage. Diese 4 Dinge sind Basics, die jeder Assistent auf einer ITS beherrschen muss, spätestens im ersten Nachtdienst.
Geben wir uns keiner Illusion hin, die perfekte Beherrschung des Atemwegs wird euch nicht im Rahmen eurer Rotation gelingen, aber ein solides Skill-Level kann man erreichen. Allerdings nicht, indem man während seiner Einarbeitung darauf wartet, dass die Intubationsgelegenheiten vom Himmel fallen.
Intubationen auf der ITS oder in der ZNA sind in der Regel Notfallintubationen, die Patienten sind oft vorher schlecht oxygeniert, nicht nüchtern und kreislaufinstabil. Maximal schlechte Voraussetzungen um hier einen Anfänger üben zu lassen. Da steigt nur die Frustrationsrate.
Also seht zu, dass ihr in den OP kommt und die Anästhesisten nervt. Übt hier die Atemwegssicherung ! Nicht nur mit dem Tubus, auch mit Larynxmaske und Co. Fordert euch die Zeit dafür von eurem Oberarzt ein! Am Ende müsst ihr es irgendwie hinbekommen wenn ihr alleine seid.
Macht euch mit dem Equipment des Airway-Wagens vertraut und zwar bevor ihr es wirklich braucht. Nichts schaut blöder aus, als das Video-Laryngoskop nicht anzubekommen.
ZVK und Arterie legen werdet ihr schnell lernen, das geht sehr gut auf der Station. Lasst euch von einem erfahrenen Kollegen anlernen und arbeitet mit dem Sono-Gerät, dann wird das schon. Gleiches gilt für den Shaldon.
5. Lernt zu führen
Es wird für viele eine neue Erfahrung sein, aber die Versorgung von kritisch kranken Patienten findet immer im Team statt und das viel mehr als auf der Normalstation. Ihr seid nur so gut wie euer Team und ein Team ist nur so gut wie die Führung.
Viele Assistenzärzte haben ein Problem damit zu führen und Entscheidungen zu treffen, aber das kann man lernen. Wir wollen jetzt hier nicht in die Tiefen des Crew Ressource Management (CRM) einsteigen, aber trotzdem sollte man sich klar machen, dass man im Notfall die Führungskraft ist.
Was sollte man auf jeden Fall beachten ?
1. Klare Anweisungen
Formuliert klar was getan werden soll, adressiert die Person die es tun soll namentlich und vergewissert euch, dass es ausgeführt wird. Sprecht laut, deutlich und langsam. Niemals schreien, das wirkt nur kopflos (was es wahrscheinlich auch ist) und niemand nimmt euch ernst.
2. Ruhig bleiben
Je größer das Chaos, je kritischer die Situation desto ruhiger muss die Führungsperson werden. Fühlt erstmal euren eigenen Puls, macht euch einen Plan und kommuniziert diesen. Nur wer ruhig bleibt kann gut führen.
3. Nach Meinungen fragen
Wenn ihr nicht weiter wisst, scheut euch nicht davor andere Personen nach ihrer Meinung zu fragen. Jeder im Team ist wichtig und hat eigene Erfahrungen. Wenn ihr nicht fragt, kann man euch nicht helfen.
4. Entscheidungen im Team treffen
Gerade kritische Entscheidungen, wie z.B. der Abbruch einer Reanimation, sollten im Team getroffen werden. Fragt eure Teammitglieder ob Sie mit eurer Entscheidung einverstanden sind oder ob es noch andere Ideen gibt. Berücksichtigt die Meinungen.
5. Gebt Feedback
Gebt Gruppen- oder auch einzelnes Feedback, sowohl positiv als auch negativ. Das kommt gut an und verbessert die Performance beim nächsten Mal. Feedback sollte immer wertschätzend sein !
Jetzt haben wir euch 5 wichtige Punkte für eure Einarbeitung in eurem Funktionsbereich an die Hand gegeben, beherzigt sie und alles wird gut 😉
Habt Selbstvertrauen, man kann alles lernen !
Teilt eure Erfahrungen mit uns! Gibt es bei euch richtige Einarbeitungskonzepte, wie klappt die Einarbeitung bei euch ? Wir freuen uns auf euer Feedback!