Podcast Folge 45 – Oktober 2022
Die Sonderfolge von unserem Pin-Up-Docs Wochenende in der Nordheide ist da! Einen XXL-Journal-Club und unsere Regeln für die Intensivstation und den OP haben wir für euch vorbereitet. Viel Spaß beim hören!
Journal Club:
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/ejhf.1307
Unsere Regeln:
Für die ICU:
- Wenn du etwas „mal schnell“ erledigen willst, wird es schiefgehen
- Know your Enemy – kenne deine OÄ und ChirurgInnen
- Regel 5: vertraue niemandem!
- Für die Chirurgen ist es nie die Anastomose.
- Für Anästhesisten nie die Lunge
- Für Kardiologen nie das Herz.
- Beschuldige erst andere wenn du deine Baustellen kennst
- set your goals
- Kenne die Erwartungen Und die Ziele der Patient*innen, Angehörigen und der anderen Fächer und definiere realistische Behandlungsziele und reevaluiere täglich
- Art und Sinn folgender Punkte sollte man täglich reevaluieren:
- Antikoagulation
- Antiinfektiva
- Ernährung
- Sedierung/Narkose
- Zugänge
- Mobilisation
- Weaning
- Mache immer eine Aufgabe zu Ende, bevor du mit der nächsten beginnst
- Priosiere so, dass es für den Pat./die Pat. gut ist und nicht für Dich am einfachsten
- Bremse niemals eine Sinustachykardie mit Medikamenten! Behandel die Ursache
- Beim Schock geht es nicht um Blutdruck sondern um Perfusion. Schau nach Zeichen einer schlechten Perfusion, nicht auf die Zahlen
- Urin
- Laktat
- Kapillary Refill
- Mottling
- Kalte Extremitäten
- Bevor du Diagnostik anforderst überleg dir die Konsequenzen von einem positiven/negativen Ergebnis! Wenn die Konsequenzen die gleichen sind, ist die Diagnostik überflüssig
- Wenn der Katheter nicht mehr funktioniert überleg zuerst ob du ihn noch brauchst
- Du brauchst immer einen Plan B
- Es ist einfacher ein Medikament/eine Therapie anzusetzen als abzusetzen.
Für den OP:
- Wenn du darüber nachdenkst deinen OA anzurufen, ruf deinen OA an!!!
- Ruf deinen OA nur an, wenn du die Antwort auch hören willst
- hör auf dein Bauchgefühl! Wenn dir etwas komisch vorkommt, dann akzeptiere es nicht einfach, sondern geh der Sache auf den Grund.
- unterschätze NIE einen Schenkelhals!
- Beim Körpergewicht, den Zigaretten und beim konsumierten Alkohol immer aufrunden
- wenn du dir nicht 100% sicher bist dass der Zugang funktioniert vor dem Einleiten, dann leg einen neuen!
- Kenne deine Umgebung! Wo sind EZIO, Koniotomieset, VL, Dantrolen und co.
- Bei einer Einleitung gibt es keinen Weg zurück! Es geht immer nur nach vorne.
- Wenn du weniger von einem Medikament nehmen willst, brauchst du mehr von den anderen (beiden)
- Du brauchst immer einen Plan B
- Prüfe vor dem Abdecken, ob du an alles dran kommst, kontrolliere die Tubuslage und klebe alle Dinge an die du nicht mehr dran kommst gut fest (Tubus etc.)
- Bereite Dich auf die OP vor und kenne den groben Ablauf
- Immer ein Ohr am Pulston haben, ganz egal was du gerade tust (niemand twittert im OP 😉)
- Stell deine Alarmgrenzen vernünftig ein! Wenn dein Monitor mehr als einmal wegen der gleichen Sache alarmiert, dann solltest du den Alarm nicht einfach aus drücken sondern entweder die Ursache beheben oder die Alarmgrenze verstellen.
- Immer ein Auge auf der Anderen Seite des Tuches – Narkose ist kein Selbstzweck du musst wissen was die Operateure gerade tun
Natürlich alles ohne Anspruch auf Vollständigkeit 😉
Podcast: Play in new window | Download
Teilen und liken:
„Chest X-ray after tracheostomy is not necessary unless clinically indicated“
Der Titel sagt schon alles: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/22167261/
Fallender Hb vs. fallender Hämatokrit – Geheimtip: Hb und Hk laufen kurzfristig immer parallel. Der Quotient aus Hb und Hk ist das MCHC und das ändert sich nicht in kurzer Zeit. Wenn Du also wissen willst, ob Deine Patientin Blut verliert guck auf den Hb oder den Hk, beide habe die gleiche Aussage.
Warum sagt man dann, am Hk würde man den Blutverlust erkennen? Keine Ahnung. Ich hab nirgends einen Beleg dafür gefunden. (Korrigiert mich, wenn ich falsch liege.) Vielleicht spielt eine Rolle, dass in USA eher der Hk und in Europa eher der Hb im Fokus stehen. Wie daraus aber dieser Mythos entstehen würde, weiß ich auch nicht.
Hb (g/dl) x3 = ca.Hkt. 😉
Um auf eure Frage zu antworten: Ich höre erst die gesamte Hauptfolge und greife im Weiteren super gerne auf spezielle titriert-Folgen zurück, da die Durchsuchbarkeit in den Hauptfolgen m.E.n. schlecht ist.
Gründe: Falls ihr Kapitelmarken setzt, so sehe ich diese im Podcast Addict (Android) nicht. Und ich habe für meine Fachweiterbildung Intensivpflege immer wieder auf einzelne titriert-Folgen zurückgegriffen, die u.a. Jahre alt sind. Diese rufe ich auf dem PC über die Webseite auf, da die Webseite für mich in diesem speziellen Anwendungsfall übersichtlicher ist und sich iwie praktischer anfühlt.
Fazit: Ich verwende euren Podcast als zusätzlichen Kanal, um meinen Lernerfolg zu verbessern, da ich neben Text auch Ton zum Lernen nutzen kann. Wenn ich mich gezielt und unkompliziert z.B. für eine Prüfung auf ein Thema vorbereiten kann, habt ihr für mich unglaublich viel getan (Danke dafür <3). Darüber hinaus verlinke ich einzelne titriert-Folgen gerne auch an KollegInnen, wenn wir etwas gerade in der Praxis erleben oder die mir mal wieder nicht glauben, was ich sage xD
Liebe Pin-Up-Docs,
Ein Kommentar zu Danas Burnout-Studie und der sich anschließenden Diskussion. Nicht nur eurer sondern auch der Meinung vieler anderer Menschen nach (z.B. Herr Montgomery) ist eine Lösung den Ärzt*innenmangel zu bekämpfen das Schaffen von mehr Medizinstudienplätzen.
Dabei wird aber leider oft außer Acht gelassen, dass mittlerweile fast die Hälfte der Absolvent*innen eines Medizinstudiums gar nicht als Arzt oder Ärztin tätig ist. Die Hartmannbund-Umfragen bestätigen diese Tendenz schon seit zehn Jahren
https://www.hartmannbund.de/berufspolitik/umfragen/sonstiges-1/der-arztberuf-von-morgen-erwartungen-und-perspektiven-einer-generation/
auch bei Amboss findet sich dieser (schon auch irgendwie einleuchtende) Artikel, wo sie sogar ein bisschen Werbung für sich selbst als Arbeitgeber machen
https://www.amboss.com/stb/steigbuegel-ratgeber/ratgeber/alternative-berufsfelder
Branchen wie Unternehmensberatungen, die Pharmaindustrie, Versicherungen oder Bio-Tech Firmen locken einfach mit viel attraktiveren Arbeitsbedingungen. Das Abwandern ins Ausland (v.a. Schweiz) trägt auch seinen Teil dazu bei.
Tatsächlich bildet sich dieses Phänomen auch in meinem Freundeskreis ab, wo nur die Hälfte der Leute nach dem Medizinstudium ärztlich tätig ist. In deren Fall sind Unterricht an Pflegeschulen, Global Health, Entwicklungshilfeprojekte oder extended Elternzeit die gefundenen und sicherlich auch wichtigen Alternativen, aber ausnahmslos ALLE hatten den Grund, dass sie sich die Arbeitsbedingungen nicht antun wollten.
Ich fürchte, allein mit mehr Studienplätzen wird dieses Problem nicht gelöst. Aber vielleicht wäre ein denkbarer Ansatz, die Vergabe unter anderem an ein Versprechen zu knüpfen, danach für mindestens eine Zeit lang ärztlich tätig zu sein. Im Rettungsdienst und auch in der Pflege trifft man ja häufig top motivierte junge Menschen die wegen Pech im Abi keinen Medizinstudienplatz bekommen aber mit Sicherheit später tolle Kliniker*innen wären.
Gleichzeitig, das ist ja klar, müssen wir es irgendwie hinkriegen, dass unser Job diejenigen die gerade mit dem Studium fertig werden nicht abschreckt sondern sie motiviert, in die Klinik zu kommen.
Dabei leistet ihr als Podcaster aber einen unglaublich guten und vor allem motivierenden Beitrag. Meine Bubble wird dadurch so viel lebendiger, der Blick weitet sich und es tut einfach unglaublich gut, jeden Monat zu hören dass sich Menschen im ganzen Land mit den selben Fragen beschäftigen wie man selbst. Dafür ein ganz großes und ehrliches Danke!!!
Verena
Hallo Verena,
mit diesem Punkt hast du sicherlich völlig recht. Wir werden das erwähnen. Danke für deinen Input.
Liebe Grüße
Thorben
Liebe Verena,
auch wenn Thorben schon geantwortet hat, möchte ich mich ganz herzlich für deinen Kommentar bedanken! Wir freuen uns, wenn wir zumindest einen Teil zur Verbesserung beitragen und werden deine Anmerkungen gern im Podcast erwähnen!
Herzlichste Grüße von den Pin up docs,
Dana
Hallo zusammen,
zu Regeln eine, die für ICU, OP und Notarzt gleichermaßen gilt:
„Treat the patient, not the number!“
Z.B. in Ausdauersportler mit 42 HF braucht kein Atropin. Eine Sinustachykardie bei Schmerzen braucht keinen Betablocker. Eine Junge-Frau mit bekanntem HypOtonus braucht bei einem Druck von 90/60 keinen Vasopressor etc.
Hallo Mark,
das ist so richtig und wichtig!!
Danke für diese Ergänzung! Wird Erwähnung finden!
Lieben Gruß von den Pin up Docs,
Dana
Feuer im OP:
Abstrusestes Feuer:
PEG Anlage im OP, Magen explodiert.
Patient hatte NIV mit 80% O₂ auf der ICU bevor er in den OP kam, Magen mit Elektrocauter eröffnet. =:O
Was wünscht man sich bei der Einarbeitung?
Völlig richtig sagt Ihr, kein „one size fits all“ Konzept, weil Menschen eben unterschiedliche Bedürfnisse haben.
Was ich mir gewünscht hätte, und deshalb inzwischen selbst mache (gebe), ist eine Führungskräfteentwicklung, weil Kommunikation und Leadership in der Aus-, Fort- und Weiterbildung nicht vorkommen.
Deshalb machen wir u.a. individuelles Coaching für frische OA („Die ersten 100 Tage als Ober:ärztin)
VG
Mark
Moin Mark,
das wäre sicherlich sinnvoll ein solches Führungskräfte-Seminar flächendeckend zu etablieren! Coole Sache! Darf ich mich – sofern ich irgendwann mal OÄ werden sollte – bei Euch anmelden? 😉
Lieben Gruß von den Pin up Docs,
Dana
Hi!
Immer, wenn ich (venöse) Kongestion höre, komme ich nicht umhin Werbung für VExUS zu machen! Es ist ein Score, der in mittlerweile immer mehr Anwendungsgebieten untersucht wird.
-> https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32270297/ (führender bzw. erster Artikel hierzu, siehe auch „cited by“ weiter unten auf der Seite)
Zusammenschreibsel von mir: https://medicom.cc/de/publikationen/intensiv-news/202103/entries/05-Ultraschall-Beurteilung-des-Volumenstatus.php?success
Gute Übersicht: https://www.pocus101.com/vexus-ultrasound-score-fluid-overload-and-venous-congestion-assessment/
Vielen Dank Richard,
das wird natürlich erwähnt! Und sich glaube sofort, dass dieses Protokoll eine deutlich bessere Spezifität hat, allerdings erfordert es auch einige (über die Basics herausgehende Sono-Skills.
Liebe Grüße
Thorben
Funfact zur malignen Hyperthermie in New Zealand: Ich habe dort Famulatur gemacht und das dort mit einem Anästhesisten besprochen. Dieser meinte, es handele sich wohl um einen genetischen Flaschenhalseffekt. Die MH ist auch mit gewissen Familiennamen so stark verknüpft, dass alleine diese Namen eine (relative) Indikation zur Tiva darstellt.
Außer dieser Aussage habe ich allerdings keine Daten dazu, leider.
Das hört sich doch eigentlich ganz praktisch an!
TIVA, weil Familie „Müller“
Hi ihr Lieben,
danke erst einmal für diese unglaublich tolle Folge!! Es hat wieder viel Spaß gemacht, zuzuhören.
Bevor es wieder aus meinem Kopf verschwunden ist, wollte ich einen Kommentar zu Paulas Burn-Out-Studie absetzen:
Ich sehe es ähnlich wie ihr alle und sage, dass mehr Ausbildungs-/Studienplätze nicht ausreichen. Mehr Geld ist toll, aber nicht alles. Wenn sich die allgemeinen Arbeitsbedingungen nicht ändern, verbrennen wir gutes Personal. Ich bin seit 10 Jahren im Rettungsdienst und studiere seit 4 Jahren Medizin… #es brennt
Ganz abgesehen von der Belastung im Beruf, möchte ich behaupten, dass der vor allem wirtschaftliche Druck bereits vielen Student*innen das Leben schwer macht. Das Studium ist eine Sache, aber bei steigenden Preisen ohne wohlhabende Eltern, Sugar Daddy/Mummy oder Stipendium drückt der Schuh ordentlich. Vielen arbeiten bereits während des Studiums mehr, um sich das Studium überhaupt leisten zu können. Nur um dann in ein System geworfen zu werden, was sie noch mehr verbrennt. Den Luxus zu wissen und zu verstehen wie die im Studium verblümt dargestellte Welt der Medizin tatsächlich läuft, haben junge Student*innen nicht. Genauso wenig wie entsprechende Strategien mit Arbeitgebern umzugehen und sich Rechte zu erstreiten.
…was uns direkt zum Punkt Ausbildung führt. Ich studiere in den „heiligen Hallen“ von Berlin und der Glanz, so man denn überhaupt an ihn geglaubt hat, bröckelt an jeder Ecke. Uns (meiner „Mutti-Gruppe“ und mir) tut es jedes Mal wieder im Herzen weh, wenn plötzlich junge Assistent*innen unsere UaKs übernehmen müssen. Jeder bemüht sich, keine Frage, aber gute Lehre sieht anders aus. Vor allem, wenn im Studenplan regelrecht OÄs, Profs oder FÄs als Dozent*innen eingetragen sind. Niemand gibt diesen jungen Ärzt*innen etwas an die Hand außer eine PowerPoint für den PJ-Unterricht. Und so stehen diese jungen Ärtz*innen in vierten Ausbildungsmonat/-woche/-tag (allein in diesem jungen Semester alles vorgekommen) vor uns und müssen Lehre machen, anstatt selbst gute Lehre zu bekommen.
Es mangelt an guter Ausbildung für Student*innen, Weiterbildungsassistent*innen und Weiterbildungsmöglichkeit für Fachärzt*innen. Natürlich hat Thorben recht und Zufriedenheit ist etwas sehr Individuelles. Aber gerechte Bezahlung, geregelte Arbeitszeit und gute Ausbildung sind meiner Ansicht nach Grundpfeiler der Zufriedenheit. Ich persönlich habe mit Kind eigentlich jetzt schon keinen Bock mehr auf dieses System. Und ich bin weiß Gott nicht der Einzige.
Herzlichen Dank wie gesagt für eure tolle Arbeit, bleibt gesund.
P.S.: Nur für’s Protokoll
@Ines: Zement – IHH-BÄH-PFUI!
Hallo Sönke,
vielen Dank für deinen Kommentar, den Einblick in euer Studium und deine Sicht auf die aktuelle Situation. Ich glaube wir sind uns absolut einig und ich hoffe trotzdem, dass du/ihr deinen/euren Weg in der Medizin findest und deine „Nische“ in der du zufrieden bist. Ich kann nämlich von mir immer noch sagen, dass ich trotz aller Widrigkeiten gerne in der Patientenversorgung arbeite (mit 2 Kindern).
Ich möchte die Gelegenheit nutzen um evtl. eine Sache zu konkretisieren:
Ich wollte NIEMALS sagen, dass wir keine gerechte Bezahlung, geregelte Arbeitszeiten oder gute Ausbildung brauchen. Alle drei Sachen sind essentiell.
Ich wollte wollte lediglich auf ein Problem aufmerksam machen: Ich erlebe regelmäßig, dass Studenten und junge Assistenten „gute“ Ausbildung mit fest strukturierter Ausbildung gleich setzen. Dies ist aus meiner Sicht nicht so. Natürlich kann Struktur helfen, sie kann aber auch Schaden. Ich erlebe große Unterschiede in Fachwissen und Können bei den jungen Ärzt*innen in Weiterbildung und diesen Unterschieden wird man aus meiner Sicht mit einer festen Struktur nur bedingt gerecht. Eine individuelle Ausbildung mit individuelle Übertragung von Verantwortung ist hier aus meiner Sicht sinnvoller und gewinnbringender für beide Seiten. Ich hoffe du verstehst was ich meine.
Liebe Grüße
Thorben
Moin Thorben,
danke für deine Antwort und Konkretisierung. Ich muss aber sagen, dass ich es auch gar nicht anders verstanden habe. Individuelle Ausbildung und – szufriedenheit sollten das Ziel sein. Den Rahmen dafür müssen aber die Arbeitgeber schaffen, damit engagierte Ausbilder*innen gut ausbilden können.
Ich werde die Patient*innen-Versorgung auch nicht verlassen. Dafür mache ich es einfach zu gerne. Dass Medizin wirtschaftlich sein muss, ist klar. Aber Menschen sind keine ökonomische Einheit und ich weigere mich sie in diesem System als solche zu betrachten.
Beste Grüße
Sönke