6 Kommentare

  • Henrik

    Es ist absolut unmöglich, dass für alle halbwegs und potentiell kritischen Krankheitsbilder ein Notarzt angefordert wird. In einem ländlichen Bereich, in dem immer mal wieder Mangel an Notärzten besteht und der NFS 30 min oder länger am Einsatzort auf den Arzt warten soll bei OMI oder Stroke, wodurch am Ende bestimmt 45 min Verzögerung entstehen, ist das absolut schädlich! Ein Nicht-Arzt kann natürlich auch nicht entscheiden, ohne Arzt loszufahren. Sehr unbefriedigend! Alternativ könnte man flächendeckend Tele-NA als juristischen Prellbock einführen, was aber fachlich nervig werden könnte, wenn man alles immer noch abnicken lassen muss.

    • Johannes Pott

      Hallo Henrik,
      wir denken, dass Du auf unseren Kommentar zu Kompentenzen für NFS anspielst.

      Unsere Meinung hierzu ist, dass wenn der Patient kritisch ist und von einem Notarzt profitieren kann, er diesen auch bekommen sollte. Es macht natürlich keinen Sinn 30 Minuten auf ein NEF zu warten, wenn es sich um einen kritischen Patienten handelt. Gerade beim Stroke bringt der NA auch keinen wirklichen Benefit und dementsprechend wird in unseren Einsatzgebieten auch disponiert.
      Wenn Du aber ein HKL direkt anfahren möchtest und du keinen klaren STEMI hast, wirst Du als Notarzt schon diskutieren müssen, als NFS wird es geradezu unmöglich sein. Da kann man sich jetzt auf die Hinterbeine stellen und das unmöglich finden, aber ein invasiver Kardiologe wird sich genauso wenig wie ein Chirurg in seine Indikationsstellung hineinreden lassen. Alternativ könnte man hier Telemedizinisch das EKG mitbeurteilen lassen, was in unserem primären Einsatzbereich so gehandhabt wird und gut funktoniert.
      Wieso kann denn ein Nicht-Arzt nicht entscheiden ohne Arzt loszufahren ? Dafür ist er doch Transportführer oder nicht ?

      Ein Tele-NA kann kein Ersatz darstellen für einen physischen NA, aber er ist ein Hilfsmittel bei knappen Ressourcen, nicht mehr und nicht weniger. Ob es fachlich nervig ist oder nicht etwas abnicken zu lassen ist ehrlich gesagt relativ egal. Wir finden es auch manchmal nervig mit unseren Oberärzten Rücksprache zu halten, wissen auch oft vorher schon, was die Antwort sein wird, aber wir müssen es trotzdem tun. Es sei denn man möchte auch in schwierigen Situationen die Entscheidungen und dessen Konsequenzen zu 100 % alleine tragen, wovon wir aber nur abraten können und wir denken auch nicht, dass dieser Fall für Rettungsfachpersonal eintreten wird.

      Viele Grüße von den Pin-Up-Docs !

      • Henrik

        Hallo Johannes,

        vielen Dank für Deine Antwort. Genau darum gehts 🙂
        Klar, bei nem kritischen Patienten, auch bei einem kritischen Stroke, sollte ein Notarzt vor Ort sein, um dem Patienten bestmögliche Versorgung bieten zu können. Wir sind leider noch in einem rettungsdienstlich eher rückständigen und notärztlich (oft Selbstfahrer) auch unterversorgtem Gebiet. sodass trotzdem zu jedem Stroke im Zeitfenster ein Notarzt dazu gerufen wird.
        Klar entscheidet ein Behandler selbst, was er tut, mir geht es hier nur um die Verzögerung vor Ort, die aufgrund der Wartezeiten entsteht. Tele-EKG geht bei uns tatsächlich auch schon ;).
        Soweit meine Einschätzung bzw. die Auffassung meiner Bekannten ist das mit Behandlungsvertrag usw. so, dass eben der Arzt das Heft in der Hand hat. Und klar könnte man ausmachen, sich zu treffen, aber wenn der RTW nur 10 min vom KH ist und das NEF 30 min in derselben Richtung, dann gestaltet sich Warten (für die Abrechnung? und dass auf jeden Fall ein Arzt dabei ist – wieso eigentlich? Wenn ein kompetenter NFS aus der FOAM-Bubble ein STEMI-Äquivalent sieht, ist das doch „eigentlich“ gleich gut wie wenn das der Notarzt (bei uns meist ein Hausarzt) sieht) als schwierig und sinnlos.

        Ich finde, manchmal kann ein Tele-NA einen physischen NA doch ersetzen. Wenn ein Notarzt einfach bei der hypertensiven Entgleisung ein bisschen Urapidil gibt (was ja auch im Blog eine Frage war), dann kann das doch ein Telenotarzt ähnlich? Klar kann man bei benötigter Stärke oder Fertigkeiten einen Notfallmediziner nicht ersetzen, aber bei solchen Fällen stelle ich mir das als durchaus möglich vor.
        Wenn man alles abnicken lassen müsste, dann stellt sich mir die Frage, wofür man dann eigentlich ein neues Berufsbild braucht. Mit SOPs und trainierten Leuten, die ihre Grenzen kennen, sollte das doch auch klappen. Man fragt ja auch nicht bei jeder Narkose den Oberarzt „hier 0,3 mg Fenta, oder?“, irgendwie sollte man ja nach einiger Zeit und Erfahrung wissen können, was geht und eben auch nicht.
        Alle haben für die Prüfung Algorithmen, Anatomie usw. nachgelernt, nur um dann alles nochmal bestätigt zu bekommen, was eh schon schwarz auf weiß dasteht? Ich weiß nicht, ob das so befriedigend wird.
        Aber vielleicht bin ich da auch einfach zu utopisch eingestellt.

        Ich wollte auch keinen Streit anzetteln oder so, ich finde euch und eure Arbeit super (insbesondere „titriert“), vielen Dank!

        • Johannes Pott

          Hallo Henrik,

          als erstes muss ich zugeben, dass ich wieder aus unserer norddeutschen „Bubble“ geantwortet habe. So wie es sich anhört kommst Du entweder aus Bayern oder aus Baden-Württemberg. Denn wir kennen weder Selbstfahrer-NEFs noch eigenene Abrechnungen fürs NEF. Aus abrechnungstechnischen Gründen wird hier kein NEF durchfahren oder gar alarmiert werden.

          Aber wo ist denn der Behandlungsvertrag wenn der Arzt noch gar nicht vor Ort ist ? Alleine durch die Alarmierung kommt der noch nicht zu Stande, aber ich bin ja kein Jurist.
          Natürlich ist ein NFS aus der FOAM-Bubble gleichwertig bei der Einschätzung von OMI-Kriterien, aber 1. ist ein NFS aus der FOAM-Bubble nicht der durchschnittliche NFS und 2. diskutiert der Kardiologe mit dem NA genauso lange wenn er die OMI-Kriterien nicht kennt und man ihm das EKG unter die Nase hältst. Du würdest Dich wundern wie häufig genau das vorkommt !

          Zum Tele-Notarzt: Natürlich kann der einen physischen Notarzt in den Fällen ersetzen die Du beschreibst, aber auch hier ist meine Argumentation wahrscheinlich verzerrt. Denn in allen Bereichen in Niedersachsen in denen ich bisher gefahren bin, haben die NFS Regelkompetenzen und Urapidil gehört z.B. bei hypertensiver Entgleisung mit Kopfschmerzen dazu, allerdings nicht bei Thoraxschmerzen, weshalb wir das Thema im Podcast diskutiert hatten. Insgesamt fährt hier das NEF aber sehr selten zur Hypertonie, genauso wie beim Stroke, dann nämlich eigentlich nur als Nachforderung zur Narkoseeinleitung. Wir haben deutlich abnehmende NEF-Einsatzzahlen und dafür eine Zunahme des NACA-Scores bei den NEF-Einsätzen, es geht für uns alle im Norden also in die richtige Richtung.
          Und es braucht auch keinen Tele-Notarzt hier, der die Maßnahmen und Medikamente freigibt. Ich glaube das erklärt zu einem großen Teil deinen Frust, den ich nachvollziehen kann und meine Argumentation, denn wir fahren deutlich seltener und dafür indizierterter.

          Und keine Sorge, als Streit sehe ich das nicht. Wir leben ja von der Diskussion !

          Viele Grüße,

          Johannes

          • Henrik

            Hallo Johannes,
            Lage absolut erfasst. Ich glaube, die Alarmierung ist unabhängig von der Abrechnung (wobei ich nicht weiß, welcher ÄLRD da wie mit entscheidet, oder ob das für das ganze Bundesland geregelt ist), aber das „Durchfahren“, ohne dass eine zwingende Indikation dazu bestände, könnte ich mir dafür durchaus vorstellen.
            Ich kapiere das mit dem Behandlungsvertrag auch nicht ganz, aber es gibt ja diese unterschiedlichen Modelle des Rettungsdienstes und ich glaube, dadurch kann ein Behandlungsvertrag auch schon durch Alarmierung geschlossen werden, leider bin ich auch kein Jurist und das Forum meines Vertrauens mit einigen Juristen ist derzeit nicht erreichbar…

            1. trifft (leider) zu, 2. ist irgendwie ein Problem, wenn der Fachmann nicht so intensiv in der Materie drin ist wie „Generalisten“. Ich kenne aber leider auch zu wenige Notaufnahmen und die entsprechenden Interventionalisten dahinter, um hier eine belastbare Aussage treffen zu können.
            Das hört sich toll an und ich glaube, bei uns wird es demografisch-gezwungenermaßen in eine ähnliche Richtung gehen, aber ich bin gespannt, was im Süden noch auf uns zukommt.

            Freut mich 🙂
            Viele Grüße
            Henrik

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