Beatmung – die absoluten Basics

Beatmung – Was ist eigentlich wichtig?

Beatmung… diese ominöse Geschichte in die man als „normaler“ Arzt erst eingeführt wird, wenn man mindestens 2-3 Jahre Berufserfahrung auf dem Buckel hat, es sei denn man ist Anästhesist. 

Beatmung… diese komische Geschichte, die man maximal ein halbes Jahr im Rahmen seiner Intensivrotation wird kennen lernen dürfen, es sei denn man ist Intensivmediziner oder Notarzt. 

Beatmung… dieses faszinierende Wesen, das kaum jemand wirklich verstanden hat, es sei denn er oder sie ist eine/r der wenigen „Beatmungspäpste“ und auch da darf man manchmal seine Zweifel haben.

Über fast kein Thema wird zur Zeit so viel diskutiert wie über Beatmung, das bringt eine Pandemie, die den Patienten vor allem pulmonale Probleme bereitet, halt so mit sich. Aber ist das alles wirklich so schwer oder wird es so schwer geredet? Bis vor kurzem dachten wir, dass wir eher darüber diskutieren müssen ob nun High-PEEP oder Low-PEEP angesagt ist. Wir wurden eines Besseren belehrt. Es scheint Schulungsbedarf auf diesem Gebiet zu geben und wir wollen versuchen euch Beatmung, so einfach wie möglich zu erklären, gerade weil wir keine „Beatmungspäpste“ sind.

Wir wollen aufs Wesentliche reduzieren, so dass ihr eure ersten Schichten auf der Intensivstation/im NEF/in der ZNA überleben könnt und nicht völlig ahnungslos aus der Wäsche schaut. 

Explizit ausklammern wollen wir in diesem Artikel spezielle Beatmungstherapie des ARDS und von CoVid19-Patienten dazu wurde schon genug geschrieben und eine sehr differenzierte Beatmungseinstellung hat, unserer Meinung nach, in einem Grundlagenartikel eher nichts verloren. 

Was ist eigentlich Beatmung? 

Während ihr diesen Artikel lest baut ihr (hoffentlich) 12-15 mal in der Minute mit Hilfe eurer Atemmuskulatur einen Unterdruck in eurem Thorax auf. Es entsteht ein Druckgefälle zwischen eurer Umgebung und eurer sich (hoffentlich) ausdehnenden Lungen. Diesem Druckgefälle folgt die Luft und sie gelangt in die Lunge und dort in die Alveolen. In den Alveolen findet der Gasaustausch statt – falls diese richtig durchblutet sind. Das ist normale Atmung in ganz kurz. 

Beatmung ist, bis kurz vor die Alveolen, das genaue Gegenteil. Gehen wir von einem komatösen (egal ob „künstliches Koma“ oder „Honig im Kopf“) Patienten aus, ohne eigenen Atemantrieb. Dieser wird keinen negativen intrathorakalen Druck aufbauen. Stattdessen muss das Beatmungsgerät ran, aber wie kann Luft in die Lunge gelangen, wenn es kein Druckgefälle gibt? 

Nichts einfacher als das, dass Beatmungsgerät baut außerhalb eures Thorax einen Überdruck auf und befördert so Luft in die Lunge. Diese Luft gelangt wieder in die Alveolen und voila… wieder Gasaustausch. Eigentlich ganz simpel… aber wenn man es so liest, merkt man schon, dass das Ganze ziemlich unphysiologisch ist und damit wahrscheinlich auf Dauer nicht so förderlich für die Gesundheit. Aber dazu später mehr. 

Wann braucht man denn Beatmung? 

Eine Frage, die einfach klingt, aber gar nicht so einfach zu beantworten ist. Nicht jeder Patient der primär eine dürftige Sauerstoffsättigung (sagen wir <88 %) aufweist, benötigt eine Beatmung. Oft ist es auch schon mit Sauerstoffinsufflation getan. In anderen Fällen wünscht der Patient keine künstliche Beatmung (eine Frage, die uns sehr am Herzen liegt, aber nicht Gegenstand dieses Artikels sein soll). 

Aber reicht die Sauerstoffinsufflation über Brille oder Maske nicht aus und die Frage nach gewünschter Beatmung wird bejaht, dann ist der große Moment gekommen. Zeit für ein Organersatzverfahren, denn nichts anderes ist die Beatmung. 

Man unterscheidet zwei Arten von Störungen die eine künstliche Beatmung erforderlich machen können:

  1. Oxygenierungsstörung – das Blut wird nicht genügend mit Sauerstoff angereichert, z.B. bei Pneumonie oder Lungenödem
  2. Ventilationsstörung – Ein Versagen der Atempumpe und damit primär verbundener Anstieg von pCO2 (Partialdruck von CO2 im Blut), sekundär dann ein Abfall von pO2 (Sauerstoffpartialdruck). Ein solches Versagen ist häufig mit einer COPD oder einem Status asthmaticus vergesellschaftet.

Die Wahl des Beatmungsverfahrens soll hier erstmal sekundär sein, wichtig ist es die Indikation zur Beatmung zu stellen und dann auch konsequent umzusetzen. Klare Empfehlungen dazu wann ein Patient künstlich zu beatmen ist, gibt es kaum, aber wir haben es einmal versucht nach unserer Erfahrung für euch aufzuschreiben:

  1. AF > 30 min und keine Stabilisierung zu erreichen
  2. paO2 < 60 mmHG ohne Stabilisierung unter Sauerstoffinsufflation
  3. paCO2 > 50-60 mmHG und steigend 
  4. Koma / keine Schutzreflexe
  5. Apnoe 

Das sind Orientierungshilfen, entscheidend ist natürlich immer das klinische Bild des Patienten und die Chance, dass unter künstlicher Beatmung eine mittelfristige Verbesserung für den Patienten zu erreichen ist. 

Indikation gestellt und jetzt? 

Erstmal müsst ihr entscheiden ob der Patient invasiv (IMV) oder nicht-invasiv (NIV) beatmet werden soll. Primär ist die NIV eine sehr elegante Lösung.

NIV

Es gibt viele Krankheitsbilder, die sich unter NIV so stabilisieren lassen, dass auf eine IMV verzichtet werden kann. Als (Muster-)Beispiele dürfen hier das kardiale Lungenödem oder die Hyperkapnie bei COPD angeführt werden. Außerdem kann die NIV als Bridge-Lösung genutzt werden, wenn eruiert werden soll, ob der Patient eine IMV überhaupt wünscht oder um euch (genauso wichtig) Zeit zum Nachdenken zu verschaffen.

Es gibt allerdings einige Kontraindikationen für die NIV, hierzu zählen[i]

  • Fehlende Schutzreflexe (Ausnahme Hyperkpapnie, Versuch mit NIV statthaft)
  • Apnoe
  • Verletzungen im Gesichtsbereich 
  • GI-Blutungen oder Ileus 

Es gibt auch noch andere relative Kontraindikationen, die meisten ergeben sich aber durch gesunden Menschenverstand, ansonsten sind diese in der Leitlinie nachzulesen.

Excellente FOAMed Quellen zu NIV: dasFOAM – NIV Teil 1+2, FOAMINA – Prähospitale NIV I+II,

Aber wenn NIV nicht reicht bzw. es Kontraindikationen gibt, dann folgt der Tubus und die IMV.

Intubation

Sehen wir einmal von Patienten während oder nach einem Kreislaufstillstand ab, brauchen wir, und besonders unsere Patienten, für die Intubation: Narkose. Es gibt zig Quellen darüber wie man eine „gute“ Notfallnarkose einleitet, deshalb schenken wir uns diesen Teil.  (112-Narkose von dasFOAM; Podcast von uns dazuYoutube-Video von Nerdfallmedizin)

Nutzt für die Atemwegssicherung bitte ein Videolaryngoskop, gerade wenn ihr nicht so erfahren seid. Das erhöht den „First-Pass-Success“ doch erheblich. Ansonsten ist es sehr empfehlenswert sich „Expertenhilfe“ zur Atemwegssicherung dazu zu holen, z.B. durch den „Narkosearzt“ eures Vertrauens.

Bereitet euch die Narkose ordentlich vor!  Besprecht im Team was ihr vor habt und in welcher Reihenfolge. Checkt euer Equipment vorher! So reduziert ihr mögliche Fehlerquellen und von denen gibt es viel zu viele. 

Notfallintubation ist nich eure Kernkompetenz? Hilfreich kann eine Intubations-Schablone sein, die alles enthält was ihr für die Notfallnarkose bereit legen solltet. Eine, aus unserer Sicht, empfehlenswerte Schablone findet ihr hier.

Tubus versenkt ? Alles klar! Aber bitte noch schnell die Kapnometrie anbauen, damit ihr auch ganz sicher sein könnt, dass der Tubus auch in der Trachea liegt und ihr nicht versehentlich die Speiseröhre erwischt habt.

Denn sichere Intubationszeichen sind nur: 

  1. Intubation unter Sicht (ihr habt also gesehen wie der Tubus zwischen den Stimmbändern verschwunden ist)
  2. Adäquates CO2 in der Kapnometrie

Das Stethoskop hat da also nichts mehr verloren, einziger Stellenwert ist die Verifaktion der richtigen Tubustiefe und damit beidseitigen Belüftung.

Die sicheren Intubationskriterien werden übrigens auch gerne mal im mündlichen Staatsexamen abgefragt, die Kenntnis kann also auch in dieser Hinsicht nicht schaden.

Beatmung einstellen, aber wie?

Dies soll ja ein Basic-Artikel sein, deshalb fangen wir hier wirklich ganz von vorne an.

Was ist denn eigentlich wichtig wenn man eine erste Beatmung auf der Intensivstation oder im RTW einstellen will?

Als erstes braucht man den richtigen Beatmungsmodus und das kann man runter brechen auf ganz simpel.

Reanimation ? -> Falls ja, Volumenkontrollierte Beatmung (Beatmungsgerät pumpt pro Atemzug das voreingestellte Volumen in den Patienten)

Alles andere ? -> Eine Druckkontrollierte Beatmung (wie der Modus heißt variiert je nach Hersteller euer Beatmungsgeräte, uns ist zB. BiPap oder BiLevel geläufig, es gibt aber noch zig andere Bezeichnungen)

Ok, Beatmungsmodus ist festgelegt, was jetzt?

Ihr müsst das Atemzugvolumen festlegen, das ist eigentlich nicht so schwierig, aber die Beatmung soll „Lungenprotektiv“ sein, damit ist gemeint, dass die Beatmung der Lunge nicht noch zusätzlichen Schaden zufügen soll, z.B. durch Scherkräfte oder Drucktraumata durch zu hohe Beatmungsdrücke. Unter lungenprotektiver Beatmung versteht man eine Beatmung mit Atemzugvolumina von 5-6 ml pro kg IDEALES Körpergewicht. Die Betonung liegt hierbei auf ideal, denn die Lunge wächst nicht mit, auch wenn der Patient im Laufe seines Leben vielleicht das ein oder andere Kilo zu viel auf die Waage gebracht. 

Bei einem Patienten mit 80 kg Idealgewicht kommen hier also 400-480 ml Atemzugvolumen heraus. Wie stellt man das ein? Bei Volumenkontrollierter Beatmung ist das einfach, genau diese Milliliter als Zugvolumen einstellen, dazu eine Beatmungsdruck-Obergrenzen (z.B. 30 mbar) und fertig ist der Lack, das Gerät wird dann immer das eingestellte Volumen in den Patienten pumpen, es sei denn dafür ist ein Beatmungsdruck über der eingestellten Grenze erforderlich, dann wird die Beatmung an dieser Stelle abgebrochen, denn mehr geht dann nicht.

Bei der druckkontrollierten Beatmung ist das etwas schwieriger, hier kann man kein Volumen voreinstellen, das hat man nur im Kopf. Stattdessen stellt man einen Beatmungsdruck ein (z.B. 15 mbar) und dann schaut man, wie groß das Atemzugvolumen mit diesem Beatmungsdruck ist. Werden jetzt nur z.B. 390 ml erreicht und man möchte aber 450 ml pro Atemzug schaffen, dann erhöht man dementsprechend den Beatmungsdruck. Natürlich auch nur bis zu einer sinnvollen Obergrenze. 

Alles klar, Atemzugvolumen ist gesichert, aber das Atemminutenvolumen besteht ja aus dem Atemzugvolumen multipliziert mit der Atemfrequenz. Eine sinnvolle Atemfrequenz bei erwachsenen Patienten liegt im physiologischen Rahmen, also bei 12-14 Atemzügen pro Minute. Für eine Hyperventilation gibt es im Notfall nur sehr wenige Indikationen, für eine Hypoventilation genau gar keine. 

Was brauchen wir dann noch? Da gab es doch diesen PEEP oder nicht? Was war das noch? PEEP steht für Positive End-expiratory Pressure und dies bezeichnet den Druck, der am Ende der maschinellen Ausatmung in der Lunge verbleibt, d.h. dass nicht die Alveolen kollabieren sondern offen gehalten werden. Ein gewisser PEEP kann oft sinnvoll sein, z.B. beim ARDS oder auch beim Lungenödem. Im Notfall fährt man oft gut, wenn man primär einen PEEP von 5 mbar einstellt, beim Intensivpatienten empfehlen wir einen PEEP von 8 mbar. Beim ARDS ggf. deutlich mehr, hierzu sei auf die ARDS-Tabellen des ARDS-Network verwiesen[ii]. Eine schöne Übersicht darüber, welcher PEEP für welchen Patienten sinnvoll ist, findet ihr auch in diesem frei zugänglichen Artikel aus der A&I.

Fehlt jetzt noch irgendwas an Beatmungseinstellung für die Basics?

Na wenn wir schon so doof fragen…. Klar, der FiO2, also die inspiratorischer Sauerstoff-Konzentration. Primär gilt erstmal, je kritischer der Patient desto höher ist der FiO2 zu wählen, bei Reanimationen z.B. erstmal 1,0 (=100%). Ist der akute Notfall aber überstanden, dann sollte der FiO2 rasch reduziert werden, so dass sich der PaO2 in der BGA zwischen 70-90 mmHG einstellt, eine SpO2 von mehr als 94 % ist auch nicht erforderlich.

Also keiner muss nervös werden, wenn die Sättigung am Monitor nicht dauernd 100 % anzeigt. Zu viel Sauerstoff ist nicht gut bzw. sogar toxisch und führt zu Atelektasen. Also rasch runter mit der inspiratorischen Sauerstoffkonzentration!

So, mehr müsst ihr für die erste Einstellung einer Beatmung erstmal gar nicht wissen, damit sollte der Patient so lange überleben bis Hilfe eintrifft 😉 

Und wie ihr die Beatmung verstellt, wenn die BGA mal gar nicht sooooo hübsch ist, dazu gibt es bald mehr in einem zweiten Basics-Teil 😉 und in einem dritten Teil widmen wir uns vielleicht der NIV en Detail.

Punchlines

Intubationskriterien:

  1. AF > 30 min und keine Stabilisierung zu erreichen
  2. paO2 < 60 mmHG ohne Stabilisierung unter Sauerstoffinsufflation
  3. paCO2 > 50-60 mmHG und steigend 
  4. Koma / keine Schutzreflexe
  5. Apnoe 

Reanimation ? -> Volumenkontrollierte Beatmung !

Alles andere ? -> Druckkontrollierte Beatmung !

Zielparameter: Atemzugvolumen 5-6 ml/kg ideales KG, SpO2 ca. 94 %, Drivingpressure (Differenz aus Beatmungsdruck und PEEP nicht mehr als 15 mbar)


[i] https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/020-004l_Nichtinvasive_Beatmung_ARI_2015-09-verlaengert.pdf

[ii] https://www.awmf.org/fileadmin/user_upload/Leitlinien/001_Anaesthesiologie_und_Intensivmedizin/001-021kt_S3_Invasive_Beatmung_2017-12.pdf

Autoren

Dr. med. Thorben Doll

Arzt in Weiterbildung Anästhesiologie, aktiver Notarzt, lernte die Notfallmedizin von der Pike auf kennen, präklinische Erfahrung 16 Jahre und Gründer von Pin-Up- Docs.de

Johannes Pott

Arzt in Weiterbildung Anästhesiologie, aktiver Notarzt, Lieblingsbaustelle ist die Intensivstation. Seit 15 Jahren im Rettungsdienst und Gründer von Pin-Up-Docs.de

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7 Kommentare

  • Stephan

    „Atemzugvolumen ist gesichert, aber das Atemminutenvolumen besteht ja aus dem Atemminutenvolumen multipliziert mit der Atemfrequenz“ —> Du meinst Atemzugvolumen X Atemfrequenz pro minute = Atemminutenvolumen

  • Margot

    Danke. Könnt Ihr bitte zu denWerten die kPa schon gleichmit dazu schreiben, das vermindert die Umrechnungsfehler, danke!

    • Johannes Pott

      Hallo Margot, das machen wir beim nächsten Mal!

      Allerdings ist die Umrechnung doch ganz simpel, 1 bar = 0,1 kPA. Also einfach durch 10 teilen bzw. andersherum mit 10 multiplizieren 😉

      Viele Grüße,

      Johannes

  • Pingback: "titriert" Basics Beatmung - pin-up-docs - don't panic

  • Martin Deicke

    Hallo zusammen. Mir ist da was ins Auge gesprungen:

    „ Im Notfall fährt man oft gut, wenn man primär einen PEEP von 5 mmHG einstellt, beim Intensivpatienten empfehlen wir einen PEEP von 8 mmHG “

    Statt „mmHG“ habt ihr bestimmt „mbar“ (oder auch „cmH2O“) gemeint. Böser Fehlerteufel!

    Die Empfehlung trage ich trotzdem gerne mit!

    Beste Grüße!

    • Thorben Doll

      Moin Martin,

      da hast natürlich vollkommen recht! Das ist uns durchgerutscht. „Peer-review-from-the-Bottom“ funktioniert!

      Wenn dir so etwas auffällt immer raus damit!

      Liebe Grüße

      Thorben

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