Basics – Ernährung auf der Intensivstation

Erinnert ihr euch an Pfleger Manfred? Genau der hypertrophe Pfleger,  der euch die ganze Zeit mit den Ernährung genervt hat. Wir bilden uns nicht ein, dass ihr nach diesem Artikel mit Manfred über Ernährung diskutieren könnt. Aber wir wollen versuchen euch zumindest eine Idee von diesem häufig doch recht stiefmüttlich behandelten Thema zu vermitteln.

Ziele der Ernährungstherapie kritisch kranker Patienten. Bereitstellung von:

  • Energie (Kalorien)
  • Eiweiß
  • Elektrolyten
  • Vitaminen
  • Spurenelementen
  • Flüssigkeit

So weit, so logisch. Trotzdem war und ist die Ernährungstherapie oft nur Beigabe, obwohl sie einen festen Bestandteil unseres Behandlungskonzeptes darstellen sollte. Auch wenn längst nicht alle Prozesse verstanden sind und wir in der Forschung der Ernährungstherapie noch in den Anfängen stecken, wissen wir, dass eine adäquate Ernährung stressbedingte Stoffwechselprozesse günstig beeinflussen, oxidativen Stress reduzieren und die Immunantwort des Patienten modulieren kann.

Wann und Wie wollen wir ernähren? Dabei sind sich alle einig: frühzeitig (24h-48h nach Aufnahme auf ITS) enteral mit ausreichend Nährstoffen und und einem gut eingestellten Blutzucker. Aber was ist der Nähstoffbedarf von unseren Schützlingen? Seid beruhigt: so richtig genau weiß das niemand – auch Manfred nicht!

Phasen des Energiebedarfs – Grob Unterscheiden können wir:

  1. die Akutphase (bis 4-7 Tage) = Katabol = erhöhter Kalorienbedarf
  2. Erholungsphase (ab 7 Tage) = Anabol = erhöhter Proteinbedarf

Um welche Patienten müssen wir uns kümmern? Die von euch, die im Tagesgeschäft schonmal das „Firstkommander“-Telefon hatten, werden jetzt schon hellhörig: Soll ich mir jetzt für jeden Patienten ein differenziertes Ernährungskonzept überlgen. Die Antwort von Elisabeth eurer überkorrekten Oberärztin wird sein: „JA!“ unsere Einstellung dazu lautet „Auf gar keinen Fall!“ – die Zeit habt ihr nicht und mal unter uns: ihr habt auch besseres zu tun. Was brauchen wir also? Ein Screening-Tool das uns sagt: Bei diesem Patienten solltest du mal einen Gedanken an Ernährung verschwenden. Die DGEM empfiehlt für kritisch kranke Patienten den Nutritional Risk Score:

Entnommen aus: DGEM Screening

Das Vorscreening können wir uns schenken, da der Punkt Intensivtherapie direkt zum Hauptscreening führt. In einer Risikogruppe landen hier auch adipöse Patienten mit einem BMI von über 30 kg/m^2.  Die 30 Tage Sterblichkeit ist bei Patienten mit Protein-Energie-Mangelernährung  um den Faktor 2,1 erhöht. Ab einem Score von 3 Punkten sollten wir uns Gedanken über ein Ernährungskonzept machen. Gott sei Dank ist das System sehr einfach und man kann es nach 2-3 Anwendungen im Kopf überschlagen.

Energiebedarf

Wenn ihr in der glücklichen Lage seid eine indirekte Kalometrie zur Verfügung zu haben, dann nutzt sie. Wenn ihr – wie 90% von uns – solche Spielzeuge nicht zur Verfügung zu habt, müssen wir auf Faustformeln zurückgreifen. Der ein oder andere wird  jetzt schon ein „Ja -aber was ist mit….“ 

Es gibt komplexere Berechnungsverfahren, aber um es übersichtlich zu halten legen wir das ideale Körpergewicht nach dem Broca-Index (Körpergröße in cm -100) zu Grunde. Genau wie Fett, Anasarka und Ödeme nicht beatmet werden müssen brauchen sie auch keine Energie.  Nun kalkulieren wir:

  • 25 kcal/kg KG/d

Viel hilft viel ist in diesem Fall mal wieder falsch, da eine hyperkalorische Ernährung in der Akutphase mit einer schlechteren Prognose assoziiert ist. Zusätzlich müssen wir bedenken, dass auch andere Medikamente (Glucoseinfusion oder Lipide) Kalorien enthalten. So entält 1 ml Propofol zum Beispiel 1,1 kcal.

Proteinbedarf

Proteine sind für kritisch Kranke in vielerlei Hinsicht wichtig. Sie unterstützen:

  • die Wundheilung
  • die Immunfunktion
  • die Erhaltung bzw. den Wiederaufbau der Muskulatur

Der Proteinbedarf entspricht:

  • 1,2 g/kg KG/d

„und was ist mit dem Herrn von oben ?“

Bei der Proteinberrechnung müssen wir das tatsächliche Körpergewicht zu Grunde legen. Außerdem sollten wir Eiweißverluste durch eine Proteinurie, fördernde Drainagen oder Nierenersatzverfahren mit einkalkulieren. Der Nutzen von Proteinbiomarkern (Albumin, Prä-Albumin oder Transferrin) ist übrigens umstritten. Von einer Anwendung zum Screening auf einen Proteinmangel auf Intensivstation wird abgeraten.

Kochrezept

Kalorien: 25 kcal/kg KG/d (Idealgewicht) + Protein: 1,2g/kg KG/d

Starten mit 75% in der Akutphase und Steigerung auf errechneten Bedarf nach 4-7 Tagen.

Wann ?

Wie oben erwähnt 24-48h nach Aufnahme auf die Intensivstation. Ein früherer Beginn ist mit einer erhöhten Mortalität assoziiert.

Wie ?

Generell gilt enteral ist besser als parenteral. ABER es gibt Kontraindikationen für eine enterale Ernährung, nämlich:

  • Kreislaufinstabilität mit nicht ausreichend ausgeglichenen Volumenstatus
  • hochdosierte Katecholamintherapie

weil in beiden Fällen ein erhöhtes Risiko für intestinale Ischämien und Reperfusionsschäden besteht. In diesem Fall gilt: besser parenteral als gar nicht.

Außerdem ist eine parenterale Ernährung indiziert, sollte das Ernährungsziel nicht erreicht werden.

Standardmäßig sollte die Ernährung über eine Magensonde erfolgen. Im Falle eines schweren Reflux (Pneumonierisiko) oder gastraler Passagestörung könnt ihr über eine postpylorische Sonde nachdenken.

Die Punchline

  • Kalorien: 25 kcal/kg KG/d (Idealgewicht) + Protein: 1,2g/kg KG/d
  • Starten mit 75% in der Akutphase und Steigerung auf errechneten Bedarf nach 4-7 Tagen
  • enteral besser als parenteral
  • besser parenteral als gar nicht

Wir hoffen wir konnten euch einen Einblick in die Ernährungskonzepte auf der Intensivstation geben. Bildet euch allerdings nicht ein, dass ihr Manfred damit zufrieden stellen könnt. Manfred wird niemals mit euch zufrieden sein…

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