Notfallversorgung – Was tun ? BASICS

Mittlerweile seid ihr gut auf der Intensiv oder in eurer ZNA eingearbeitet und könnt zielsicher entscheiden, ob ein Patient zu euch soll oder vielleicht doch auf der IMC ausreichend gut überwacht wird.

Euer Oberarzt findet, dass ihr also bereit für euren ersten alleinigen Dienst an der Front seid.  In der ZNA und im Haus hat ein Assistent im 1. Jahr Dienst und bewacht ab 23:00 Uhr argwöhnisch das First-Commander-Telefon. Es könnte noch eine ruhige Nacht werden, zumindest hofft ihr das….

Ring, ring…. um 23:28 Uhr reisst euch das First-Commander-Telefon aus euren Tagträumen oder war euch tatsächlich kurz der Kopf weg gesackt?

Oh Mist, es ist ein externer Anruf und eine Handynummer noch dazu, das kann nur übel enden…

„Meier, Intensiv-Station Hinterpusemuckel, guten Abend“

“ Ja Moin, hier ist Schulze vom 70-82-1, wir haben da eine Patientin, 63 Jahre, z.N. Rea unklarer Ursache, Atemweg war schwierig, daher nur mit Larynxtubus versorgt, wir  bräuchten ein Bett und könnten so in 15 Minuten bei euch sein. Habt ihr da was frei ? „

STOPP, jetzt nicht einfach ja sagen! Kurz nachdenken und vor allem nachfragen !

Das ist wie im Erste-Hilfe Grundkurs, da gab es doch diese W-Fragen. Es haben sich schon viele Kollegen den größten Mist ins Haus geholt (vor allem ins falsche Haus), weil nicht nachgefragt wurde !

  • Was genau ist passiert ?
  • Was war die Ursache der Reanimationspflichtigkeit ? Hypoxie, Intoxikation, Trauma, kardial, Hypothermie ?
  • Zeigt das 12-Kanal-EKG jetzt oder vor der Rea-Pflichtigkeit Zeichen eines STEMIs ?
  • Ist der Patient infektiös ?

Denkt kurz darüber nach ob der Patient bei euch richtig ist ? Klar, jedes Krankenhaus muss eine Erstversorgung vornehmen können. ABER sollte die Reanimation auf Grund eines akuten Herzinfarkts entstanden sein und ihr verfügt in eurem Krankenhaus über kein Herzkatheterlabor ist das sowohl für den Patienten als auch für euch schlecht.
Ihr müsst auf einmal ganz viel telefonieren und euch ein ITS-Bett irgendwo anders besorgen und der Patient verliert viel wertvolle Zeit. Also VORHER nachdenken und nachfragen.

In diesem konkreten Fall zeigt der Patient aber keine STEMI-Zeichen im EKG, die Ursache bleibt also im Dunkeln. Ihr entscheidet euch den Pateinten anzunehmen und los geht’s.

15 Minuten Zeit ab jetzt um alles nötige zu organisieren, der Ar*** geht euch ganz schön auf Grundeis. Haben die nicht was von einem schwierigen Atemweg erzählt ? Was muss ich organisieren ?

Durchatmen, eigenen Puls fühlen und Plan machen !

Für uns hat es sich bewährt eine Checkliste abzuarbeiten, ihr könnt sie euch gerne als PDF herunterladen. Natürlich ist die Liste angepasst auf die Charakteristika in unserem Krankenhaus, aber als Leitfaden sollte Sie ausreichend sein:

Checkliste Notfall-Aufnahme:

1.Stationsleitung über Neuzugang informieren–Bett reservieren

2.Mit für das Bett zuständiger Pflegekraft kurz Procede besprechen

3.ZNA-Pflege informieren, dass Patient kommt

4.Notfallwagen ins Zimmer

5.Sonogerät ins Zimmer

6.Ggf. Airwaywagen ins Zimmer (sonst ins Reichweite vors Zimmer)

7.Atemwegssicherung vorbereiten

8.Narkose aufziehen

9.Katecholamine aufziehen

10.Arterie + ZVK vorbereiten

11.Check-Up ob alles vorbereitet ist

12.Wenn ZNA anruft, dass Patient da, dann Leute versammeln

13.Kurzes „10 for 10“

14.Übergabe

Erstmal mag ich die Liste sehr umfangreich und überflüssig vorkommen, aber im Notfall ist Vorbereitung der halbe Erfolg. Manches von den oben genannten Punkten könnt ihr delegieren, aber man sammelt Bonuspunkte, wenn ihr euch schnell mal eben das Zeug für Arterie und ZVK selber zusammen sucht. Klar, das ganze Equipment ist auch auf dem Notfallwagen vorhanden, aber vergesst nie, irgendjemand muss das hinterher wieder auffüllen und das seid nicht ihr !

Außerdem habe ich lieber Netz und doppelten Boden, oft braucht man noch ein Arterienset oder sonstiges, schön wenn der Notfallwagen dann noch voll ist.

Ankunft Patient:

Ihr habt alles toll vorbereitet, die ZNA ruft an, RTW und NEF betreten gerade den Fahrstuhl… Dann Auftritt Rettungsdienst: Der Defi piept, die Beatmung alarmiert, dazwischen am besten noch ein Perfusor-Alarm (ach der Patient ist katecholaminpflichtig ? Hat euch keiner gesagt, ihr habt aber auch nicht gefragt… aber kein Problem, ist ja aufgezogen 😉 )

Jetzt kommt das Phänomen, welches immer wieder zu beobachten und unbedingt zu vermeiden ist ! Bevor überhaupt irgendeine Form von Übergabe statt finden kann, grabschen ca. 6 Paar Hände nach der Patientin und wollen Sie umlagern. Hier hilft nur energisches einschreiten, wenn der Patient nicht Rea-Pflichtig ist und auf der Trage insuffizient gedrückt wird, dann bittet um Ruhe und lasst euch und dem Team eine ordentliche Übergabe machen !

So minimiert ihr gewaltige Kommunikationsverluste, das ganze Team kann zuhören und die Versorgung läuft von vorneherein besser. Ansonsten heißt es…. Willkommen im Chaos !

Patient im Bett

Ihr habt es geschafft, die Patientin st in eurem ITS-Bett, was nun  ?

  1. Überblick verschaffen ?
  2. Reevaluation
  3. Handlungsprioritäten festlegen

Überblick

Hier hilft es wirklich sich am althergebrachten ABCDE-Schema zu orientieren :

  • Airway: Mit Larynxtubus gesichert, lt. NA schwieriger Atemweg
  • Breathing: über Larynxtubus hohes Leckagevolumen, pInsp. 25 mbarPEEP 8 mbar, SpO2 unter FiO2 von 0,8 -> 95 %
  • Circulation: Unter Noradrenalin (3mg/50 ml, Laufrate 15 ml/h), RR 110/70 mm HG, HF 120/min, bisher 1000 ml VEL erhalten
  • Disability: nicht beurteilbar, Pupillen bds. eng unter Sedierung mit Fentanyl/Midazolam
  • Exposure: keine äußeren Verletzungen, Körpertemperatur 35,6 °C

Reevaluation

Ihr habt sowohl ein B-Problem als auch ein leidlich stabiles C-Problem. Da der Notarzt ein A-Problem beschreibt,  solltet ihr es jetzt nicht schlimmer machen. Je nachdem wie eure Airway-Skills so sind, solltet ihr darüber nachdenken HILFE zu holen. 

Nachts sind die Möglichkeiten leider in der Regel begrenzt, wir könnten uns z.B. unseren anästhesiologischen oder internistischen Kollegen dazu holen, oder den anästhesiologischen OP-Dienst. Im Zweifel sollte man seinen Hintergrund hinzurufen und so lange den Atemweg nicht anrühren.

Bezüglich des C-Problems solltet ihr zügig ein FAST-Sono machen um die wichtigsten Ursachen der Katecholaminpflichtigkeit einzugrenzen, des Weiteren gehört natürlich ein 12-Kanal-EKG zur schnellen Diagnostik.

Handlungsprioritäten festlegen

Sicherlich ein Punkt über den viel diskutieren kann und der auch ein wenig von der betreuenden Fachdisziplin abhängt. Wir haben uns für das Sono entschieden, dann definitive Atemwegssicherung (mit Videolaryngoskop übrigens problemlos, daher der Airway-Wagen immer in der Nähe) und dann Versorgung mit Arterie und ZVK.

Damit ist die Patientin erst einmal erstversorgt, die BGA zeigt bis auf eine milde respiratorische Azidose keine signifikanten Auffälligkeiten. Wir schließen noch ein cCT sowie CT Thorax zum LAE-Ausschluss an, ohne Nachweis von Pathologien.

Damit rückt wieder ein Rhythmusereignis in den Fokus. Was wir aktuell aber nicht beeinflussen können.

Mittlerweile sind 2 Stunden vergangenen und die Patientin ist leidlich stabil, Zeit für den Papierkram.

Beim Erstellen des Therapieplans ordnet ihr noch eine therapeutische Hypothermie für die nächsten 24 Stunden an , vergesst die Blutkulturen und natürlich den U-Status mit Kultur nicht 😉

Nach dem Ganzen Procedere gebt ihr eurem Pflegeteam noch konstruktives Feedback , das solltet ihr niemals vergessen. Nur so seid ihr beim Nächsten Mal noch besser ! Und das nächste Mal kommt garantiert !

Punchlines:

  • Habt einen Plan, geht vor eurem ersten Dienst häufige Notfälle gedanklich durch
  • Nutzt Checklisten, gerade am Anfang, so vergesst ihr nichts elemtares
  • Setzt euch bei essenziellen Dingen durch (s. Übergabe) und führt das Team ruhig
  • Setzt Prioritäten,reevaluiert spätestens alles 10 Minuten euer Handeln
  • holt euch rechtzeitig Hilfe, seid euch dafür nicht zu schade !
  • Gebt am Ende Feedback und nehmt euch erhaltenes Feedback zu Herzen

Wir freuen uns auch auf euer Feedback, jetzt geht es erstmal zum Dienst. Einen schönen Tag !

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3 Kommentare

  • red_cap

    Wäre die Diagnostik nicht schneller über den interdisziplinären Schockraum der ZNA erfolgt?
    Ein Polytrauma geht ja auch nicht erst auf Intensiv zum Intubieren und zur Arterie-/ZVK-Anlage und dann im Aufzug zum CT.

    • Johannes Pott

      Wir versorgen Reanimationen im Rahmen unseres Cardiac Arrest Centers primär im Schockraum unseres interdisziplinären ITS.

      Zwei Ausnahmen:
      1. Hinweis auf Aortendissektion oder Trauma-Rea -> Dann ZNA Schockraum und zeitnahes CT
      2. Initialer Rhythmus Kammerflimmern oder Post-REA St-Hebungen oder neues Blockbild -> direkte Übernahme HKL

      Ansonsten hast Du natürlich Recht, optimal wäre eine Versorgung jeder Rea in einem interdisziplinären Schockraum in der ZNA, am besten mit CT direkt im Schockraum. Das ist aber sehr von der örtlichen Gegebenheiten abhänging und bei uns (noch nicht) möglich.

  • Der Beitrag zum Thema Notfallversorgung ist sehr hilfreich. Ich wollte besser informiert sein, denn ich weiß sehr wenig darüber. Nachdem ich diesen Artikel gelesen habe, weiß ich genug über dieses Thema.

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