Patellaluxation

Patellaluxation

Fallbeispiel:

Der 14-jährige Marcel hat seine Fußballkumpels zu Besuch. Also geht es auf den Bolzplatz. Nach einem gezielten Schuss geht Marcel zu Boden. Das linke Bein liegt leicht gebeugt. Jedem seiner Freunde fällt auf, dass mit Marcels Knie etwas nicht in Ordnung zu sein scheint. Dass etwas faul im Staate Dänemark ist, fällt auch Karin auf. Sie arbeitet als Pflegekraft in einer ZNA und ist gerade im Garten mit Unkrautjäten beschäftigt. Als sie zum Patienten kommt, sieht sie die nach lateral oben verschobene Kniescheibe. Beherzt streckt sie Marcels linkes Bein und drückt seine Patella leicht Richtung Innenseite. Marcel seufzt kurz vor Schmerzen auf und ist aber im Anschluss sehr beruhigt, dass sein Knie wieder eine normale Form angenommen hat. Seine Kumpels haben in der Zwischenzeit Marcels Mutter geholt. Diese hat auch einen Kühlakku dabei und fährt ihren Sohn in die nahe gelegene Notaufnahme. Dort richten sie Grüße an die Kollegen von Karin aus.

Epidemiologie und Risikofaktoren:

Risikofaktoren sind eine schlecht ausgebildete Gleitrinne des Femurs (Trochleadysplasie), die hochstehende Patella (Patella alta), das X-Bein (Genu valgum) und die Verdrehung des Oberschenkelhalses nach vorn (vermehrte Schenkelhalsantetorsion). Hypermobile Personen sind häufiger betroffen. Frauen/Mädchen erleiden häufiger Luxationen meist im Alter von 10-20 Jahren.

Allgemeines und Diagnostik:

Die Kniescheibe kann ihre Gleitrinne verlassen bei allgemeiner Instabilität oder traumatisch i. R. eines Sportunfalls. Bei leicht gebeugtem Knie wird das Bein nach innen gedreht oder ein Schlag oder Tritt erwischt die Patella. Üblicherweise luxiert sie nach lateral und oben. Das Ganze ist sehr schmerzhaft und je länger sie in dieser Position bleibend, verkrampft die Oberschenkelmuskulatur.

In der Regel reicht ein Blick, die Diagnose zu stellen. Das betroffene Knie ist leicht gebeugt (manchmal von freundlichen Helfern schon unterpolstert) die Kniescheibe steht oben außen. Gegebenenfalls muss man kurz tasten.

Repositionstechnik:

Die Reposition gelingt in der Regel sehr gut, dazu muss in den meisten Fällen das Knie einfach gestreckt werden. Meist gibt man der Patella noch einen kleinen Schubs nach medial. Wer nett ist, kann vorher den Oberkörper der Patient*innen aufrichten, sodass die Hüfte gebeugt ist und zusätzlich den Quadrizeps leicht massieren. Eruieren sollte man, ob die Patient*innen ein Analgetikum vorab wünschen. Diskussionsstoff bietet, ob zunächst die Anlage eines venösen Zugangs (auch unangenehm!) und Analgesie erfolgen sollte, gegenüber der üblicherweise sehr schnellen Reposition und dadurch schnelleren Schmerzlinderung. Wie immer bleibt die Individualentscheidung. Ein Kühlakku oder eine Kältekompresse lindert auch sehr gut und reduziert zudem die Schwellung. Ein Kompressionsverband ist zu empfehlen.

Und nach der Reposition, wie geht es weiter?

Nach der Reposition sollten Röntgenbilder erfolgen (Knie in 2 Ebenen, Patella axial). Es ist möglich, dass sich sogenannte Flake-Fractures (= osteochondrale Ausrisse der medialen Patellafacette oder lateralen Femurrolle) zeigen. Diese sollten zeitnah refixiert werden.

Den Patient*innen sollten Knieimmobilisationsschienen und Unterarmgehstützen angeboten werden. Die Indikation auf eine Thromboseprophylaxe ist zu klären.

Weitere Therapie:

Zunächst sollten mit einer MRT-Untersuchung weitere Verletzungen ausgeschlossen werden. Als Begleitverletzung kann das mediale patellofemorale Band (MPFL) reißen oder es zu Knorpel-Knochenschäden kommen.

Häufig kann bei der Erstluxation eine konservative Therapie begonnen werden z. B. mit isometrischen Quadrizepstraining (v. a. Vastus medialis- Anteil). Bei häufigeren Luxation oder bleibendem Instabilitätsgefühl kann eine operative Therapie durchgeführt werden (z. B. Ersatz des MPFL = Ersatz oder Naht des Bandes, welches die Kniescheibe nach medial stabilisiert, oder Tuberositasosteotomie (= Eine zu lateral laufende oder zu hoch stehende Patella wird mittels Lösen des Kniescheibenbandes an der Tibia und Refixation mit Schrauben desselbigen weiter medial behandelt), oder Trochleaplastik (= Die Gleitrinne des Femurs wird vertieft).

Differentialdiagnosen

Patellafraktur: Deutliche Schwellung und Schmerzen, Bein kann meistens nicht gestreckt gehoben werden. Unfallmechanismus üblicherweise ein Sturz direkt auf das Knie.

Kniegelenksluxation: Absoluter Notfall! Sehr selten 0,2 – 0,3 % der Luxationen. Wichtig: Durchblutung, Sensibilität und Motorik prüfen, da in 5-30 % der Fälle eine Ruptur oder Intimaläsion der A.poplitea vorliegt, und in 15-45 % der Fälle eine Läsion N. peroneus. Dopplersonographie, Angiographie, ggf. Angio-CT nötig. Bei Ischämie Gefahr eines Kompartmentsyndroms. Unmittelbare Behandlung: Reposition und Ruhigstellung ggf. Fixateur externe. OP gegebenenfalls gemeinsam mit Gefäßchirurgen.

Quadrizeps-und Patellasehnenruptur: Der Defekt ist entweder oberhalb oder unterhalb der Patella zu tasten und auch im Ultraschall zu bestätigen. MRT nur in unklarem Befund oder V. a. Teilruptur nötig. Das Bein kann nicht gestreckt gehoben werden und die Streckung gegen Widerstand ist aufgehoben. Therapie ist meistens operative Sehnenrekonstruktion.

Punchlines:

Patellaluxationen sind i. d. R. leicht durch einfache Streckung des Knies zu Reponieren.

Röntgenbilder sollten im Anschluss angefertigt werden und üblicherweise auch ein MRT im Verlauf.

Risikofaktoren sollten eruiert werden. Die Nachbehandlung wird individuell anhand dieser getroffen.

Weiterführende Videos:

Patellainstabilität Untersuchen, Youtube

Praxis Zeppelin – Untersuchung bei Patellaluxation – J- sign, Quadranten-, Apprehension-, Tilt-Test

Referenzen:

AWMF Leitlinie Patellaluxation https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/187-027.html Leitlinien Unfallchirurgie © DGU Leitlinien Kommission Berlin 2021, AWMF-Nr. 012-024 ICD-Nr.: S-83.0 2. Novellierung, erarbeitet evidenzbasiert S2e, Letztes Bearbeitungsdatum 25.10.2021, gültig bis 24.10.2026

Frakturen und Luxationen im Wachstumsalter DOI: 10.1055/b-002-11351  von Laer, Lutz; Kraus, Ralf; Linhart, Wolfgang E.: 2012 Print ISBN 9783136743065 · Online ISBN 9783131829467

Tintinalli’s Emergency Medicine Manual David M. Cline, O. John Ma, Rita K. Cydulka, Garth D. Meckler, Stephen H. Thomas (Autoren) 992 Seiten 2012 | 7th edition McGraw-Hill Medical (Verlag) 978-0-07-178184-8 (ISBN)

Frings J, Balcarek P, Tscholl P, Liebensteiner M, Dirisamer F, Koenen P. Conservative Versus Surgical Treatment for Primary Patellar Dislocation. Dtsch Arztebl Int. 2020 Apr 17;117(16):279-286. doi: 10.3238/arztebl.2020.0279. PMID: 32519945; PMCID: PMC7370958.

Liu Z, Yi Q, He L, Yao C, Zhang L, Lu F, Zhang X, Wu M, Geng B, Xia Y, Jiang J. Comparing Nonoperative Treatment, MPFL Repair, and MPFL Reconstruction for Patients With Patellar Dislocation: A Systematic Review and Network Meta-analysis. Orthop J Sports Med. 2021; 9: 23259671211026624.

Disclaimer

Der Inhalt sollte nicht als medizinischer Rat verstanden werden. Der Inhalt hier dient nur zu Informationszwecken, und da jede Person so einzigartig ist, wenden Sie sich bei medizinischen Fragen bitte an Ihren Arzt oder Ärztin. Obwohl wir alle Anstrengungen unternehmen, um sicherzustellen, dass die von uns geteilten Informationen korrekt sind, freuen wir uns über Kommentare, Vorschläge oder Korrekturen von Fehlern. Datenschutz ist für uns von größter Bedeutung. Alle im Text erwähnten Personen, Orte und Szenarien wurden frei erfunden. Zahlen und Quellen sollten stets überprüft werden. Medizin unterliegt einem ständigem Wandel. Es wird keine Garantie für die Richtigkeit und Aktualität von Aussagen, Dosierungen oder Meinungen gegeben.

Teilen und liken:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert