HLH – Hämophagoztische Lymphohistiozytose in der Akut- und Intensivmedizin

Fallbeispiel

Ihr habt Nachtdienst auf der Intensivstation. Eure Kollegin von der internistischen Normalstation ruft euch an. Es geht um Herrn Schmidt. Herr Schmidt ist 52 Jahre alt und wurde 3 Tage zuvor mit einer Reithosenhypästhesie, Gangstörungen und Urininkontinenz neurologisch aufgenommen. Sein CT der Wirbelsäule zeigte einen großen tumorverdächtigen Prozess im Bereich der LWS, aber sonst keinerlei Hinweise auf einen Primarius. Die befundende Radiologin hat als mögliche Differentialdiagnose ein Lymphom in den Raum geworfen. Schon bei Krankenhausaufnahme ist Herr Schmidt Thrombopen mit fallender Tendenz. Aufgrund der Thrombopenie und immer wieder auftretendem Fieber, sowie mangeldnen OP-Kapazitäten ist bisher keine operative Biopsie des Tumors erfolgt.
Seit dem Vortag geht es Herrn Schmidt zunehmend rapide schlechter. Er hat Fieber, ist verwirrt, hat steigende Transaminasen und neben seiner Thrombopenie wird er nun auch zunehmend anäm. Es zeigt sich eine zunehmende Dyspnoe und ein steigender Sauerstoffbedarf. Aufgrund des Fiebers und des deutlich erhöhten CRP wurde ebenfalls am Vortag eine Therapie mit Piperacillin/ Tazobactam begonnen.
Inzwischen hat Herr Schmidt einen Sauerstoffbedarf von 6l/ min und ist dabei deutlich tachypnoisch und dyspnoisch, ist noch verwirrter als am Vortag und ist zunehmend hypotensiv, ohne Ansprechen auf die bisher 2l Kristalloide, die er erhalten hat. Die Kollegin bittet um eine Aufnahme auf die Intensivstation, der ihr natürlich sofort zustimmt.
Ihr legt Herrn Schmidt eine Arterie, startet eine Noradrenalinperfusor und startet High-Flow-Sauerstoff-Therapie aufgrund einer deutlich eingeschränkten Oxygenierung. Als sich Herr Schmidt ein bisschen stabilisiert hat, fangt ihr an nachzudenken, was zum Geier Herr Schmidt eigentlich haben könnte. Eine Sepsis? Aber wo ist dann der Fokus? Das CT hatte außer dem Tumor keine Auffälligkeiten gezeigt… Und die Thrombopenie und Anämie? Irgendwie passt das alles nicht zusammen. Ihr schaut euch noch mal das Labor von der Aufnahme an. Irgendwer in der Notaufnahme hat ein Ferritin weggeschickt. Das Ferritin ist 8000ug/l. Warte mal, denkt ihr….. Irgendwann hab ich das doch schon mal gehört……

Herr Schmidt heißt nicht Herr Schmidt, aber das ist mehr oder weniger eine wahre Geschichte. Und damit ihr, solltet ihr Patient:innen wie Herrn Schmidt irgendwann begegnen, auch denkt „Warte mal, das hab ich schon mal gehört…. “ soll es heute um die HLH gehen.

Was ist überhaupt eine Haemophagozytische Lymphohistiocytose? – Die Terminologie

Ursprünglich wurde die Haemophagozytische Lymphohistiocytose, kurz HLH, in die primäre HLH und sekundäre HLH unterteilt. Die primäre HLH ist eine genetische Erkrankung, die in der Regel in der Kindheit auftritt. Aufgrund besserer diagnostischer Möglichkeiten wird sie inzwischen allerdings häufiger auch erst im Erwachsenenalter erkannt. Sie kann kausal mit einer Knochenmarkstransplantation behandelt werden.

Die sekundäre (oder erworbene) HLH kann in jedem Alter auftreten. Sie hat keine eindeutige genetische Ursache, es gibt allerdings Hinweise auf mögliche genetische Vorbelastungen, die ein Auftreten begünstigen können. Die sekunäre HLH ist die Erkrankung, um die es in diesem Beitrag gehen soll.

Um dieses, ohnehin schon komplexe Thema noch ein bisschen komplizierter zu machen, gibt es in der Literatur und klinischen Praxis eine Vielzahl von Begriffen, die teilweise synonym zu HLH verwendet werden, oder auf spezifische Kontexte angewandt werden wie z.B. Zytokinsturm, Hämophagozytosesyndrom, Sepsis plus und andere.

HLH ist also keine klar definierte Erkrankung, sondern vielmehr ein Überbegriff für eine Vielzahl von Erkrankungen, die mit einer Hyperinflammation einhergehen, die mit einer hohen Mortalität assoziiert sind und die gemeinsame Behandlungsoptionen haben. Neben der HLH gibt es auch noch den Begriff des Makrophagenaktivierungssyndroms MAS. MAS ist eine Unterform des breiter gefassten HLH-Begriffs und tritt meist als Komplikation des systemischen Lupus Erythematodes oder der juvenilen idiopathischen Arthritis auf. Die EULAR/ACR (also die europäische Fachgesellschaft für Rheumatologie) verwendet daher aktuell den Begriff HLH/ MAS. Der Einfachheit halber werden wir aber in diesem Beitrag HLH als Überbegriff für all diese ähnlich gearteten hyperinflammatorischen Erkrankungen verwenden, so wie es in zahlreichen aktuelleren Publikationen gängig ist.

Die Gesamtinzidenz der HLH ist wegen einer hohen Dunkelziffer und der nicht einheitlichen Definition unklar. Zur ungefähren Einordnung: Bei Patient:innen mit mit idiopathischer juveniler Arthritis liegt die Inzidenz bei ca. 10%, bei Patient:innen nach Car-T-Cell-Therapie bei ca. 5% und die Inzidenz einer Sepsis assoziierten Hyperinflammation liegt bei ca. 4%.

Was passiert bei der HLH pathophysiologisch?

Vereinfacht, entsteht die HLH durch das Versagen des negativen Feedback-Loops, der normalerweise die Inflammationskaskade beendet, sobald der Auslöser, also z.B. das Pathogen, oder die malignen Zellen erfolgreich vom Immunsystem bekämpft wurden. Die HLH ist charakterisiert durch eine unkontrollierte und sich selbst verstärkende Aktivierung von zytotoxischen T-Lymphozyten und Makrophagen, die dadurch proliferieren und zunehmende Mengen pro-inflammatorischer Zytokine freisetzen. Dieser Teufelskreis führt zu einer schweren Hyperinflammation, der in der Literatur teilweise auch als Zytokinsturm bezeichnet wird. Grob gesagt führt dies zu zunehmenden Zytopenien (durch Hämophagozytose und Knochenmarkssuppression), zytokinvermitteltes Fieber und Organdysfunktionen.

Eine HLH kann durch eine Vielzahl von Triggern ausgelöst werden, häufig in Kombination mit einer vorher nicht bekannten genetischen Suzeptibilität („Empfänglichkeit“ bzw. Empfindlichkeit gegenüber bestimmten Erkrankungen) oder zugrunde liegenden chronischen Inflammation.

Die genauen pathophysiologischen Ursachen und Zusammenhänge der HLH sind Gegenstand aktueller Forschung und noch nicht bis ins letzte Detail verstanden.

Was kann eine HLH auslösen?

Es gibt eine Vielzahl möglicher Auslöser einer HLH, wie zum Beispiel Infektionen, maligne Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen und andere entzündliche Erkrankungen. Viele Patient:innen weisen mehrere potentielle Auslöser gleichzeitig auf, wie zum Beispiel eine Autoimmunerkrankung und eine Infektion, was häufig die Diagnostik und Therapie erschwert.

Es gibt auch Fälle, bei denen zum Zeitpunkt des klinischen Auftretens der HLH kein klarer Auslöser gefunden werden kann. Diese Patient:innen haben allerdings häufig eine bis dahin nicht erkannte zugrunde liegende Erkrankung. Da dies essentiell für die Behandlung der HLH ist (siehe unten), sollten diese Patient:innen eine interdisziplinäre Abklärung erhalten, um den Auslöser zu identifizieren. Aufgrund der hohen Inzidenz des gemeinsamen Auftretens und der gleichzeitig besonders schlechten Prognose sollte bei Patient:innen ohne klaren Auslöser der HLH immer ein bis dahin nicht bekanntes Lymphom vermutet und ausgeschlossen werden.

Infektionen sind die häufigsten Auslöser einer HLH und gleichzeitig ist die HLH vermutlich auch für die sehr hohe Mortalität vieler infektiöser Erkrankungen mit verantwortlich. Klassische infektiöse Auslöser der HLH in Europa sind Viruserkrankungen wie Covid-19, EBV, CMV, HIV und Tuberkulose. Die HLH kann aber auch durch fast alle bakteriellen-, pilz- und parasitären Infektionen ausgelöst werden. In anderen Gegenden der Welt ist die HLH zum Beispiel für die hohe Mortalität des Dengue-Fiebers verantwortlich.

Zahlreiche Autoimmunerkrankungen sind mit HLH assoziiert. Besonders häufig ist HLH bei Systemischem Lupus erythematosus, der systemischen juvenilen idiopathischen Arthritis (sJIA) und dem Morbus Still. So ist beispielsweise die Erstmanifestation einer sJIA in 10-15% eine HLH. Auch andere Autoimmunerkrankungen wie Rheumatoide Arthritis, systemische Vaskulitis und chronisch entzündliche Darmerkrankungen können Auslöser der HLH sein.

Auch zahlreiche maligne Erkrankungen können Auslöser einer HLH sein: hierbei sind hämatologische Erkrankungen, insbesondere Lymphome häufiger als solide Tumorerkrankungen. Auch Therapien maligner Erkrankungen, wie Stammzelltransplantationen oder Chemo- oder Immuntherapien können eine HLH auslösen. Ein häufiges Beispiel hierbei ist die Car-T-Cell-Therapie. Hierbei ist die Zytokinaktivierung zwar grundsätzlich gewünscht und kann in der Regel gut medikamentös kontrolliert werden, sie kann aber auch in eine unkontrollierte HLH übergehen.

Wie sieht eine HLH klinisch aus?

Die klinische Präsentation der HLH ist leider häufig sehr unspezifisch. Häufig haben die Patient:innen eine akute fieberhafte Erkrankung mit zunehmenden Organdysfunktionen.

Fieber tritt fast immer zu irgend einem Zeitpunkt der Erkrankung auf. Klassischerweise ist das Fieber persistierend und reagiert nicht auf eine antibiotische Therapie, insbesondere wenn fiebersenkende Medikamente zum Einsatz kommen, kann es aber auch undulierend sein oder fehlen.

Organomegalien sind ebenfalls ein häufiges Symptom der HLH. Patient:innen können Lymphadenopathien, oder eine Hepato-oder Splenomegalie aufweisen. Diese verlaufen aber meistens subklinisch und werden zufällig im Rahmen der Bildgebung gefunden.

Die HLH kann alle Organsysteme betreffen und zu unterschiedlich schweren Organdysfunktionen führen. Pulmonale Manifestationen sind häufig (wie bei unserem Patienten aus dem Fallbeispiel), es kann sogar zu einem ARDS kommen, das ggf. einer invasiven Beatmung bedarf. Kardiovaskulär können Tachykardien, Hypotonien bis zum Schock, Arrythmien und schwere biventrikuläre Dysfunktionen auftreten. Dies sind alles Anzeichen einer signifikanten myokardialen Dysfunktion und im schlimmsten Fall kann diese bis zum plötzlichen Herztod führen.

Milde bis moderate Leberfunktionsstörungen sind im Rahmen der HLH ebenfalls häufig. Auch eine Nierenfunktionsstörung kann auftreten, ist aber meist nicht so schwer, dass ein Nierenersatzverfahren notwendig wird.

Sehr häufig von der HLH beeinträchtigt ist jedoch das ZNS, entweder durch eine primäre ZNS-Inflammation, oder auch sekundär durch den Zytokinsturm. Neurologische Symptome können von Delir über Krampfanfälle bis hin zum Koma führen. Pulmonale-, kardiale und neurologische Symptome sind mit einem schlechteren Outcome der HLH assoziiert.

Die HLH ist charakterisiert durch zunehmende periphere Zytopenien, die meist zwei oder mehr Zellreihen betreffen. Die Zytopenien entstehen durch eine Kombination aus Hämophagozytose durch aktivierte Makrophagen und die zytokinvermittelte Knochenmarksuppression. Die Entwicklung der Zytopenien im klinischen Kontext sind wichtiger für die Diagnosestellung der HLH als die absoluten Zahlen. So können z.B. normal niedrige Leukozyten im Kontext einer vermuteten schweren Infektion, wo man sonst eher eine relative Neutrophilie erwarten würde, hinweisend für eine HLH sein.

Welche Diagnostik kann uns helfen eine HLH zu diagnostizieren?

Es gibt die 3-F-Trias, eine häufige klinische Trias der Hyperinflammation, bestehend aus Fieber, fallenden Zellreihen und Ferritin-Erhöhung, die hinweisend auf eine HLH sein kann.

Ferritin ist neben seinen zahlreichen anderen Funktionen auch ein Akut-Phase-Protein. Ein erhöhtes Ferritin ist daher nicht pathognomonisch für die HLH und muss immer im klinischen Kontext beurteilt werden. Allerdings treten bei der HLH häufig sehr hohe oder sehr schnell steigende Ferritin-Werte auf. Bei einer Sepsis ohne HLH würde man ebenfalls erhöhte Ferritinwerte erwarten, allerdings sind diese bei der HLH in der Regel um ein Vielfaches höher. Ein Ferritinwert >10.000ug/L hat eine 96%ige Spezifität für die Diagnose einer HLH, aber auch Ferritin-Konzentrationen >2000-4000 ug/l (ohne eine gute andere Erklärung) sollten einem an eine HLH denken lassen. Aufgrund seiner kurzen Halbwertszeit kann das Ferritin auch gut zum Monitoring des Therapieansprechens verwendet werden.

Eine HLH kann mit einer Vielzahl derangierter Laborwerte einhergehen: erhöhte Transaminasen, AP, LDH und D-Dimere, erhöhte Serum Triglyceride, ein erniedrigtes Fibrinogen und eine gestörte Gerinnung. Das CRP kann normal aber auch erhöht sein und die BSG kann paradoxerweise normal oder sogar erniedrigt sein. Bei myokardialer Beteiligung können Troponin und BNP ebenfalls erhöht sein.

Was sollte man also an initialer Diagnostik durchführen?

Labordiagnostik:

  • Gerinnungsscreening
  • großes Blutbild inklusive manueller Differenzierung und Retikulozyten
  • BSG
  • D-Dimere
  • wenn möglich: löslicher IL2-Rezeptor (sIL2-Rezeptor). Eine sIL2-R/Ferritin-Ration >2 macht das Vorliegen eines malignen Lymphoms als Ursache der HLH sehr wahrscheinlich.
  • wenn möglich: Knochenmarkspunktion
  • Nierenwerte
  • Leberwerte
  • LDH
  • Triglyceride
  • CRP
  • Eisenstatus
  • B12/ Folsäure
  • Troponin/ BNP
  • Autoimmunpanel: Komplement C3 und C4, ANA/ ANCA, Antibodies to extractable nuclear antigens, anti-double-stranded DNA Antikörper
  • 3 Paar Blutkulturen zu unterschiedlichen Zeitpunkten, idealerweise vor Beginn der antibiotischen Therapie
  • EBC, CMV HIV, Hepatitis, Parvo-B19, human T-lymphotrophic Virus 1 Serologien, idealerweise vor Gabe von Blutprodukten
  • EBV- und CMV PCR
  • eine zusätzliche Blutprobe asservieren vor Gabe von Blutprodukten, um künftige zusätzliche Tests zu ermöglichen
  • Respiratorische Multiplex PCR

Bildgebung

  • CT Hals, Thorax, Abdomen. Becken mit KM zum Ausschluss möglicher Differentialdiagnosen und zur Suche nach einem Auslöser
  • Wenn das CT nicht möglich ist, alternativ Röntgen Thorax und Sono Hals und Abdomen

Kardiologische Diagnostik:

  • TTE
  • EKG

Neurologische Diagnostik (bei neurologischer Symptomatik):

  • LP und MRT Kopf, wenn vermutete ZNS-Beteiliung

HScore

Der HScore ist ein Scoringsystem für die sekundäre HLH, das routinemäßig sowieso erhobene klinische- und Laborparameter verwendet und eine Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer HLH angibt, ohne, dass eine KMP hierfür erforderlich ist. Einen online Rechner für den H-Score findet ihr zum Beispiel hier. Der HScore hat eine geringe Sensitivität und Spezifität und wenig diagnostische Power und ist daher nicht zur alleinigen Diagnosestellung geeignet.

Neben dem HScore gibt es auch noch eine Vielzahl anderer Scoringsysteme oder Listen von Diagnosekriterien wie z.B. die HLH-2004-Kriterien, die für die pädiatrische HLH validiert sind. Und genau das ist leider in unserem Akut- und Intensivmedizinischen Setting auch das Problem: Außer dem HScore ist kein anderer Score bisher für kritisch kranke Patient:innen validiert.

Und wie kann man jetzt Sepsis und HLH unterscheiden??

Die Unterscheidung von Sepsis und HLH ist, wenn es um die HLH geht eine der schwierigsten Fragestellungen. Gemäß der aktuellsten Sepsis-Definition ist die Sepsis definiert als eine „lebensbedrohliche Organdysfunktion, verursacht durch eine dysregulierte Antwort des Organismus auf eine Infektion.“ Die HLH kann ebenfalls die Dysregulation der Antwort eines Organismus auf eine Infektion darstellen und kann bei einem infektiösen Auslöser als schwere Hyperinflammation im Rahmen der Sepsis verstanden werden. Bei Infektiösem Auslöser der HLH könnte man Sepsis und HLH also sogar als eine Art Kontinuum begreifen.

Sepsis und HLH können sich klinisch nahezu identisch darstellen. Es gibt aber einige Dinge, die hinweisend für die eine- oder andere Erkrankung sein können:

Bei der HLH tritt häufig persistierendes, antibiotikaresistentes Fieber auf, bei der Sepsis hingegen häufiger eher schwankende Temperaturen mit Temperaturspitzen. Im Labor macht die HLH häufig ein „unpassend“ niedriges oder normales CRP, eine normale oder erniedrigte BSG und „unpassend“ niedrige oder fallende Leukozyten, während bei einer Sepsis ohne HLH initial meist eine Leukozytose vorliegt. Die Höhe und der relative Anstieg des Serum-Ferritins (siehe oben) kann ebenfalls hinweisend sein.

Aufgrund der sehr schwierigen Unterscheidung, sollte eine HLH bei allen Patient:innen die kritisch krank sind, Zytopenien und multiple Organdysfunktionen haben und nicht auf die aggressive initiale Sepsistherapie ansprechen vermutet und diese Patient:innen auch entsprechend behandelt werden.

Wann sollten Patient:innen mit einem HLH-Verdacht behandelt werden?

Wie oben beschrieben besteht eine große diagnostische Ungenauigkeit, bei Patient:innen die gleichzeitig häufig lebensbedrohlich erkrankt sind, sodass die Entscheidung zur Behandlung meist basierend auf einer Verdachtsdiagnose getroffen werden muss. Die Entscheidung zur Behandlung bleibt daher immer eine Einzelfallentscheidung.

Um diese zu erleichtern, werden in der aktuellen Literatur einige Kriterien formuliert: Eine zeitnahe Behandlung sollte dringlich erwogen werden, wenn der H-Score eine >50%ige Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer HLH angibt UND zusätzlich

  • Der Patient/ die Patientin kritisch krank ist oder sich verschlechtert.
  • Fieber sonst unklarer Ätiologie vorliegt.
  • Der Patient/ die Patientin nicht auf die aggressive Behandlung einer vermuteten Sepsis anspricht.
  • Die 3-F-Kriterien zutreffen.
  • Wenn keine eindeutige andere Diagnose für den aktuellen Zustand des Patienten/ der Patientin gefunden werden kann, oder das gleichzeitige Vorliegen einer HLH mit einer anderen Erkrankung möglich ist.
  • Wenn zusätzlich ein deutlich erhöhtes oder rapide steigendes Serum-Ferritin vorliegt.

Weil es sich bei unseren HLH-Patient:innen meist um schwer kranke und hoch komplexe Patient:innen handelt, sollten die Kolleg:innen der Hämatologie und/ oder Rheumatologie so früh wie möglich hinzugezogen werden, weil diese Fachrichtungen diesem Krankheitsbild häufiger begegnen und sie sich auch mit den Behandlungsoptionen meist am besten auskennen. Gerade bei den oben beschriebenen Patient:innen kann eine Therapie lebensrettend sein und sollte schnellstmöglich begonnen werden.

Wie sieht die initiale Behandlung einer HLH aus?

Es gibt drei Grundprinzipien in der Behandlung der HLH:

  1. Gute Organunterstützung. Meist wird hier eine intensivmedizinische Therapie notwendig!
  2. Immunsuppression, um die Hyperinflammation zu reduzieren.
  3. Den Auslöser der HLH identifizieren und behandeln.

Die first-line Therapie der HLH besteht aus einer hochdosierten Steroidtherapie. Initial sollten alle HLH-Patient:innen mit Steroiden behandelt werden, außer es liegen eindeutige Kontraindikationen vor. Die initiale Steroidstoßtherapie wird mit Methylprednisolon 1g i.v. pro Tag für zunächst 3 Tage empfohlen, bei primärer ZNS-Beteiligung kann stattdessen aufgrund des besseren abschwellenden Effekts Dexamethason 10mg/m2 KOF erwogen werden. Bei Ansprechen kann man die Steroiddosis dann nach 3-5 Tagen auf Prednisolon 1mg/kg oder äquivalent reduzieren. Im Rahmen der hochdosierten Steroidtherapie sollte man zusätzlich unbedingt an die an antimikrobiellen Prophylaxen und eine PPI-Prophylaxe denken.

Die second-line Therapie der HLH ist Anakinra. Anakinra ist indiziert bei steroid-refraktärer HLH oder als Alternative, wenn Steroide kontraindiziert sind, zum Beispiel bei einem starken Lymphomverdacht, da eine Steroidtherapie im Vorfeld die Biopsieergebnisse beeinträchtigen kann. Es kann bei schwerer ZNS-Beteiligung auch primär begonnen werden. Man beginnt die Therapie in der Regel mit 2-4mg/kg/d, aufgerundet auf die nächsten 100mg und aufgeteilt in 2-3 Dosen, die Dosis kann im Verlauf bis zu einem Maximum von 8mg/kg auftitriert oder einer kumulativen Höchstdosis von 800mg/d auftitriert werden. Anakinra kann in äquivalenten Dosen s.c. oder i.v. gegeben werden, aufgrund der sichereren Resorption wird eine i.v. Gabe häufig bei kritisch kranken Patient:innen bevorzugt. Aber Achtung! Es gibt von Anakinra keine i.v. Formulierung, sodass die subcutan-Spritzen mit einer Trägerlösung für eine i.v.-Gabe vorbereitet werden müssen. Bitte beachtet hierbei eure lokalen Standards oder fragt in der Hämatologie oder Rheumatologie nach, wo die Expertise mit diesem Medikament in der Regel nöher ist als auf den meisten Intensivstationen.

Die third-line Therapie der HLH ist Etoposid. Hierauf werde ich nicht genauer eingehen, da es sich hierbei um Expert:innenwissen handelt und ihr hoffentlich bis ihr bei dieser Therapieoption angekommen seid, spätestens Kontakt zum Rheumatologen oder zur Hämatologin eures Vertrauens habt und das mit ihnen besprechen könnt. 😉

Weitere Therapieoptionen der HLH können IVIG (intravenöse Immunglobuline) sein. Bei Patient:innen mit Sepsis und HLH im Sinne eines Zytokinsturms, kann man auch die maschinelle Zytokinelimination durch Adsorbtionssäulen oder Plasmapherese versuchen, hierzu gibt es aber bisher lediglich Fallberichte.

Genauso wichtig wie die Immunsuppression ist in der Therapie der HLH die Behandlung des Auslösers!

Wie sieht die weitere Behandlung von HLH Patient:innen aus?

In der initialen Phase brauchen HLH-Patient:innen ein enges Monitoring, um auf die sich entwickelnden Organdysfunktionen und Komplikationen adäquat reagieren zu können. Zudem werden tägliche Laborkontrollen, inklusive täglichem H-Score und Ferritin empfohlen. Bei Therapieansprechen ist eine Abnahme des Serum-Ferritins um 20-50% in den ersten Tagen nach Therapiebeginn zu erwarten.

Da es sich um hochkomplexe Patient:innen handelt, ist eine interdisziplinäre Behandlung, gemeinsam mit allen beteiligten Disziplinen für das Outcome von großer Bedeutung. Auch nach der Akutphase brauchen die Patient:innen ein gutes Follow-Up um die zugrunde liegende Erkrankung bestmöglich zu behandeln und das Risiko eines Wiederauftretens einer HLH zu minimieren.

Wie ist die Prognose von Patient:innen mit HLH?

Die Prognose der Patient:innen mit HLH hängt von zahlreichen Faktoren wie dem Alter, dem Geschlecht, den Vorerkrankungen, der Zeit bis zu Diagnosestellung und Therapiebeginn, dem Grad der Organdysfunktion und dem Auslöser der HLH ab.

Die autoimmun-vermittelte HLH hat die beste Prognose, während HLH bei hämatologischen Erkrankungen mit einer sehr schlechten Prognose vergesellschaftet ist. Aktuelle Daten zeigen eine 1-Jahres-Überlebensrate um 55% bei allen HLH-Patient:innen. Allerdings hatten Patient:innen mit einer rheumatologischen Ursache in der Studie ein 1-Jahres-Überleben von 74%, während Patient:innen mit HLH auf dem Boden einer malignen Erkrankungen lediglich ein 1-Jahres-Überleben von 21% hatten.

Take-Home

  1. Die HLH ist eine, vermutlich häufig übersehene, lebensbedrohliche Erkrankung, die durch eine übermäßige Stimulation des Immunsystems und das Versagen negativer Feedback-Loops entsteht, wodurch es zu einer übermäßigen Zytokinfreisetzung kommt.
  2. Die 3-F-Trias aus Fieber, fallenden Zellreihen und Ferritinerhöhung und der HScore können uns bei der Erkennung einer HLH helfen.
  3. Insbesondere bei septisch anmutenden Patient:innen, die aber trotz der Sepsistherapie nicht besser werden, sollte man immer an eine HLH denken!
  4. Bei Patient:innen mit HLH ohne klaren Auslöser sollte man ein Lymphom vermuten und ausschließen.
  5. Das Wichtigste ist bei der HLH die Mustererkennung. Man muss nicht alles über diese eher seltene und sehr komplexe Erkrankung wissen, sondern bei Patient:innen die ein hohes Ferritin haben, trotz vermuteter Sepsis unter der Therapie nicht besser werden und zytopen sind an die HLH denken und Expert:innen hinzuziehen oder das ganze nachlesen.

Quellen

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