Heparin-induzierte Thrombozytopenie (HIT)

Wir nutzen tagtäglich Heparine, aber in seltenen Fällen kommt es zu einer schwerwiegenden Komplikation, der HIT Typ II. Aufgrund der hohen Komplikationsrate müssen wir die HIT II, ihre Differentialdiagnosen, die Diagnostik und die Therapieumstellung kennen und in unserem klinischen Alltag anwenden können.

Die Heparin-induzierte Thrombozytopenie beschreibt einen Abfall der Thrombozyten als Reaktion auf die Gabe von unfraktioniertem Heparin (UFH) oder niedermolekularem Heparin (NMH), wobei wir zwei vollkommen unterschiedliche Formen unterscheiden müssen. Etwas pauschal kann man sagen, dass die HIT Typ I nur ein Distraktor ist. Die HIT I ist weitgehend ungefährlich und die wichtigste Maßnahme ist, sie von der gefährlichen HIT II abgrenzen. Bei der HIT II kommt es zu einer Antikörperbildung gegen den Heparin/Protein-Komplex. Mit dem Antikörper bindet der ganze Komplex an die Thrombozyten und es kommt zur „Verklumpung“ (Bevor jemand fragt: „JA, Verklumpung ist der korrekte medizinische Fachbegriff!!1!“). Anders ausgedrückt: Es entstehen Thrombosen und je nach Ausprägung eine Gerinnungsstörung (bedingt durch Verbrauch).

HIT IHIT II
BeginnIn den ersten 5 Tagen Ab dem 5. Tag  (5.–14. Tag) 
Abfall>100.000/μLMassiver Abfall: <100.000/μL (unter 50% des Ausgangswertes)
PathophysiologieAktivierung der Thrombozyten durch das MedikamentAntikörperbildung gegen Heparin/Protein-Komplexe (Plättchen-Faktor IV)
HäufigkeitCa. 10–20%UFH 1–5%
NMH  0,1–1%
Komplikationenin der Regel keineThromboembolische Ereignisse 
DiagnostikAusschlussdiagnose1. Kleines Blutbild
2. 4T-Score
3. Schnelltest (Antikörper gegen den Komplex aus Plättchenfaktor IV und Heparin)
4. Heparin-induzierter Plättchen-Aktivierungs-Test (HIPA-Test)
KonsequenzenTherapie weiterführen, Normalisierung der ThrombozytenSofortige Therapieumstellung
Keine  Thrombozytenkonzentrate! 
Patientenausweis (z.B. Allergiepass)
Unterscheidung HIT I & II

4T-Score

2 Punkte1 Punkt0 Punkte
ThrombozytopenieAbfall der Thrombozytenzahl um >50% UND der niedrigste Wert ist 20 – 100/nlAbfall um 30 – 50 % ODER der niedrigste Wert ist 10 – 20/nlAbfall um <30% ODER der niedrigste Wert ist <10/nl
Timing (Zeitverlauf)Abfall zwischen Tag 5 und 10 nach Beginn der Therapie oder
an Tag 0-1 nach Vor-Exposition in den letzten 30 Tagen
Abfall nach Tag 10 oder
an Tag 0-1 nach Vor-Exposition in den letzten 30 bis 100 Tagen
Abfall vor Tag 5 ohne vorherige Exposition
ThromboseNeue Thrombose, Hautnekrose oder systemische Reaktion auf HeparingabeZunehmende oder wiederkehrende Thrombose, Thromboseverdacht oder Hautrötung an InjektionsstelleKeine Symptome
Alternative Ursache der Thrombopeniekeinemöglicheindeutig vorhanden
4T-Score nach Wikipedia

Wichtig: Die HIT-Diagnostik muss zeitnah zur Heparinexposition erfolgen, da die Antikörper nach einigen Wochen nicht mehr nachweisbar sein können. 

Schnelltest

Enzymimmunoassay: Autoantikörper gegen den Plättchenfaktor 4-Heparin-Komplex (PF4-Heparin-ELISA). Hier werden lediglich die Antikörper gemessen.

Ein negatives Testergebnis hat bei einem T-Score von 4 bis 5 einen hohen negativen prädiktiven Wert. Also ist bei einem negativen Testergebnis eine HIT Typ II mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen. Bei einem hohen T-Score > 5 Punkte sollte auch bei negativem Testergebnis eine weiterführende Diagnostik erfolgen, um eine HIT sicher auszuschließen.

Weiterführende Labordiagnostik

HIPA-Test (Heparin-induzierte Plättchenaggregation) bzw. der Serotonin Release Assay (SRA). Diese funktionellen Tests, beweisen die eigentliche HIT II-Reaktion. Beide sind aufgrund des Materials (gewaschene Thrombozyten von mehreren Spendern, Spezialreagenzien) und des Aufwandes (Personal und Zeit) nur Referenzlaboren vorbehalten, sind aber der Goldstandard zur Diagnose einer HIT II.

In folgenden Fällen sollte eine weiterführende Diagnostik erfolgen:

  • bei positivem Schnelltest-Ergebnis
  • bei negativem Schnelltest-Ergebnis, aber hohen Punktwerten im 4T-Score, das heißt bei hoher klinischer Wahrscheinlichkeit einer HIT Typ II

Ein weiteres nahezu sicheres Zeichen für das Vorliegen einer HIT II ist ein Anstieg der Thrombozyten 24-48h nach Therapieumstellung.

Therapieumstellung bei HIT II

CAVE: Eine Therapieumstellung sollte SOFORT bei hohem T-Score oder positivem Schnelltest erfolgen. Die weiterführende Diagnostik darf in diesem Fall nicht abgewartet werden (so ein Referenzlabor braucht schon mal ein paar Tage bis wir ein Ergebnis bekommen und am Wochenende wird nicht gearbeitet).

Sollte die sich die Diagnose einer HIT II bestätigen, muss die Therapie mittels UFH oder NMH sofort umgestellt werden. Allerdings MUSS aufgrund der hohen Thrombosegefahr eine Weiterführung der Antikoagulation erfolgen.

WirkstoffProduktnameWirkmechanismusDosierungTherapie
Steuerung
ArgatobanArgatra®Direkte Thrombinhemmung
(unabhängig von ATIII)
2 μg/kgKG/min
bei kritisch Kranken
0,5 μg/kgKG/min
nach PTT (alle 4h) s.h.
Fachinfo
DanaparoidOrgaran®Direkte Thrombinhemmung
(unabhängig von ATIII)
Loading Dose: 2250 Anti-Xa-Einheiten (< 55 kg KG: 1500 Anti-Xa-Einheiten; > 90 kg KG: 3750 Anti-Xa-Einheiten) i.v.- Bolus

Erhaltungsdosis:
400 Anti-Xa-Einheiten / Stunde über 4 h
danach 300 Anti-Xa-Einheiten / Stunde über weitere 4 h
anschließend Erhaltungsinfusion: 150 – 200 Anti-Xa-Einheiten / h
nach Anti-Xa Werten

Vorteil: s.c Anwendung im Verlauf möglich

Fachinfo
FondaparinuxArixtra®Bindung an Antithrombin III – selektive und indirekte Hemmung des Faktors Xa7,5 mg s.c. 1-0-0,( < 50 kgKG: 5 mg s.c. 1-0-0, > 100 kgKG: 10 mg s.c. 1-0-0)Off-Label-Use, aber im klinischen Alltag etabliert

Cave: GfR

Fachinfo
Therapieoptionen bei HIT II

Autoren

Dr. med. Thorben Doll

Arzt in Weiterbildung Anästhesiologie, aktiver Notarzt, lernte die Notfallmedizin von der Pike auf kennen, präklinische Erfahrung 17 Jahre und Gründer von Pin-Up- Docs.de

Johannes Pott

Arzt in Weiterbildung Anästhesiologie, aktiver Notarzt, Lieblingsbaustelle ist die Intensivstation. Seit 16 Jahren im Rettungsdienst und Gründer von Pin-Up-Docs.de

Quellen

https://www.aerzteblatt.de/archiv/38178/Heparininduzierte-Thrombozytopenie

https://www.ukw.de/zentrale-einrichtungen/zentrallabor/einsender/hit-diagnostik

https://de.wikipedia.org/wiki/Heparin-induzierte_Thrombozytopenie

https://www.ukw.de/zentrale-einrichtungen/zentrallabor/einsender/hit-diagnostik/

https://www.trillium.de/zeitschriften/trillium-diagnostik/ausgaben-2017/td-42017/schwerpunkt/labormethoden-bei-heparininduzierter-thrombozytopenie-hit.html

http://www.laborlexikon.de/Lexikon/Infoframe/h/Heparin-induzierte_Thrombozytopenie.htm

Fachinformationen

Fachinformation Argatra® Stand 11/2017

Fachinformation Orgaran® Stand 26/11/2018

Fachinformation Arixtra®

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