Hauptfolge Oktober 2025 – Folge 82
Im Oktober 2025 haben wir eine sehr unterhaltsame Folge für euch. Thorben berichtet über den Nobelpreis und die IG-Nobelpreise (wir sagen nur: Pizza und Pasta…) und Paula berichtet vom EUSEM. Für den Journal-Club hat Dana diesmal eine im Internet kontrovers diskutierte Studie zu potentiellen Langzeitfolgen vorbereitet und zeigt, warum Korrelation und Kausalität nicht das Selbe ist. Außerdem hat Dominic einen sehr spannenden Beitrag zur Evidenz und den Hintergründen der RSI für euch. Wir hoffen ihr habt beim Hören genauso viel Spaß wie wir bei der Aufnahme!
Vermischtes
Nobelpreis und IG-Nobelpreise
Ines und Paulas 10 Take-Home Points vom EUSEM
- CBD in hohen Dosen kann schwere Bradykardien auslösen. -DOI: 10.7759/cureus.7688 Besonders gefährlich sind hoch dosierte CBD Gummibärchen für Kinder, weil sie bunt und lecker sind und schwere Intoxikationen hervorrufen können.
- Der Konsum von E-Zigaretten kann, insbesondere wenn hierüber Cannabis konsumiert wird, schwere Lungenschädigungen bis hin zum ARDS, EVALI genannt hervorrufen – DOI: 10.1007/s11606-020-05813-2. Ein großes Problem bei der Erkennung ist, dass die Frage nach E-Zigaretten kein Bestandteil unserer Standardmäßigen Anamnese ist. Deshalb: Fragt eure Patient:innen danach.
- Es gibt von der DGINA ein super schönes Tool zur Erkennung und Behandlung von Toxidromen, die Toxidromsonne. Kann hier runtergeladen werden: https://link.springer.com/article/10.1007/s10049-024-01410-6
- Tricks zur Unterscheidung verschiedener Ergüsse im Echo bzw. Dingen, die man leicht für einen Perikarderguss halten kann: Pleuraerguss befindet sich posterior und lateral der Aorta descendens, Epikardiales Fett ist nicht echofrei und, befindet sich anterior und bewegt sich herzschlagsynchron, bei Ascites kann man in der Regel das Lig. Falciforme sehen
- Was machen bei Rechtsherzversagen? übermässige Volumentherapie vermeiden, RV entlasten (=entladen), MAP hoch halten, Inotropie, Azidose(Azidose erhöht den PVR), Hyperkapnie und Hypoxie vermeiden, PEEP und Intubation vermeiden
- 50% der Patient:innen mit einer schweren Hyperkaliämie haben ein normales EKG – DOI: 10.1016/j.ejim.2025.03.038
- PPI sind nephrotoxisch, können eine Tubulusnekrose verursachen und sollten bei einer akuten Niereninsuffizienz wenn möglich abgesetzt werden. – DOI: 10.7759/cureus.49883
- Eine forcierte Volumentherapie kann eine temporäre Hydronephrose im Sono machen. Also Achtung bei allen Patient:innen mit AKI, die erst hydriert und dann geschallt werden! – DOI: 10.1186/s12880-025-01900-0
- Sissi konnte 50 Kilometer wandern, da sie immer von Bediensteten begleitet werden musste und diese weniger fit waren als sie, wurden sie unterwegs ausgetauscht. Sissi soll unter dem nach ihr benannten Sissi-Syndrom gelitten haben, eine Form der Depression von der besonders aktive Menschen betroffen sein sollen. Ob es das wirklich gibt ist allerdings stark umstritten. https://de.wikipedia.org/wiki/Sissi-Syndrom
- Mangrovenquallen schwimmen anders herum. Ines war sehr besorgt um sie und befürchtete einen Quallen-MANV im Aquarium und wollte sie schon umdrehen… https://de.wikipedia.org/wiki/Cassiopea
Journal Club
Dana
https://doi.org/10.1186/s40364-025-00831-w
Thorben
Paula
Bracht T, Kappler K, Bayer M, Grell F, Schork K, Palmowski L, Koos B, Rahmel T, Ziehe D, Unterberg M, Bergmann L, Rump K, Broecker-Preuss M, Limper U, Henzler D, Ehrentraut SF, von Groote T, Zarbock A, Pfaender S, Babel N, Marcus-Alic K, Eisenacher M, Adamzik M, Sitek B, Nowak H. Plasma proteomics identifies molecular subtypes in sepsis. Crit Care. 2025 Sep 2;29(1):392. doi: 10.1186/s13054-025-05639-6. PMID: 40898225; PMCID: PMC12403962.
Pensier J, De Caumia-Baillenx C, De Caumia-Baillenx A, Lakbar I, Carr J, Griffiths K, Costa D, Capdevila M, Jaber S, De Jong A. Factors associated with women authorship over 25 years in high-impact critical care randomized controlled trials: the pipeline is still leaking. Crit Care. 2025 Aug 28;29(1):388. doi: 10.1186/s13054-025-05627-w. PMID: 40877854; PMCID: PMC12392494.
Bruns N, Brensing P, Greve S, Horsch S, Felderhoff-Müser U, Dohna-Schwake C, Schwarz S. Female first and senior authorship in high-impact critical care journals 2005-2024. Crit Care. 2025 Sep 8;29(1):395. doi: 10.1186/s13054-025-05649-4. PMID: 40926253; PMCID: PMC12418694.
Evidenz hinter der Kritik zu Dana’s vorgestellter Studie:
Korrelation ≠ Kausalität
(Internetfund: Dr. Thomas Löbel geht darauf auch auf LinkedIn ein.. https://de.linkedin.com/posts/dr-thomas-loebel_datascience-ingenieurshelden-activity-7322520081857499136-HtCB)
1. Störeinflüsse:
a. Screening/Detektionsverzerrung: Viele Länder zeigten 2020 einen Einbruch der Krebsdiagnosen und eine vollständige Erholung 2021 -> dadurch verschieben sich Inzidenzen zeitlich (Nachholeffekte). Solche Muster können scheinbare Risikosprünge erzeugen, wenn geimpfte Personen häufiger med. Kontakte haben. (doi:10.1001/jamanetworkopen.2024.32288, PMID: 39240562, doi:10.1001/jamanetworkopen.2024.39263)
b. Südkorea ist nicht Europa, zumindest nicht, was die Schilddrüsenkrebs-Diagnosen angeht. Südkorea hat eine extrem hohe Schilddrüsen-CA-Inzidenz, die durch opportunistische Ultraschall-Screening-Intensität erklärt wird. Die Literatur bezeichnet dies als Überdiagnose-Epidemie. Eine Zunahme von medizinischen Kontakten im Zuge von Impfkampagnen könnte daher besonders leicht die Erkennung latenter Schilddrüsenkarzinome triggern. (PMID: 37488752, PMID: 36220136, DOI: https://doi.org/10.3803/EnM.2022.1533, https://doi.org/10.1186/s12905-023-02205-6, https://doi.org/10.3390/cancers17111764)
c. Latenzzeiten: Die meisten soliden Tumoren haben Latenzzeiten von Jahren. Ein 1-Jahres-Horizont nach einer Exposition (Impfung) spricht eher für Detektions-/Zeitverschiebung als für echte Karzinogenese. Autoritative Stellen (NCI, CDC, Mayo Clinic) sehen bisher keine Evidenz, dass COVID-19-Impfungen Krebs verursachen, beschleunigen oder DNAverändern. (https://www.cdc.gov/cancer/initiatives/covid-19.html#:~:text=If%20you%20have%20cancer%2C%20COVID,and%20death%20from%20COVID%2D19. ; https://www.mayoclinic.org/diseases-conditions/coronavirus/in-depth/coronavirus-myths/art-20485720 ; https://www.cdc.gov/covid/vaccines/how-they-work.html ; https://www.cancer.gov/about-cancer/coronavirus/covid-19-vaccines-people-with-cancer )
d. Gegenlage: Nutzen der Impfungen bei Krebspatient*innen: Mehrere Arbeiten zeigen, dass Impfungen (inkl. Booster) bei Menschen mit Krebs Hospitalisationen und schwere Verläufe reduzieren; 2023/24-Formulierungen zeigen Effektivität, wenn auch mit nachlassender Wirkung über die Zeit. Global betrachtet werden durch Impfungen Millionen Todesfälle verhindert – die Nutzen-Risiko-Bilanz bleibt positiv.(doi:10.1001/jamaoncol.2025.2020, doi:10.1001/jamanetworkopen.2025.17402, doi:10.1001/jamahealthforum.2025.2223)
e. Restliche Evidenzlage: Einzelstudien wie diese berichten Hypothesen bzw. Signale (z. B. zu Prognosen in Subkohorten oder Fallserien), aber konsistente, kausal interpretierbare Populations-Belege für ein generelles, impfbedingtes Krebsrisiko fehlen. Parallel verweisen Analysen auf Pandemie-/Versorgungs-Effekte und Nachholeffekte bei Diagnosen.(https://doi.org/10.1186/s12916-025-04237-1, doi:10.1001/jamaoncol.2025.2010)
2. Kritik an der Statistik
Die Methodenbeschreibung ist recht unvollständig, es wird im Text von einem 1:4 Propensity-Score matching geredet, jedoch ohne Spezifikation, welche Kovarianten in den Propensity Score eingingen, wie die Balance nach dem Matching geprüft wurde und wie mit fehlenden Werten umgegangen wurde.
– Zudem fehlen Angaben zu Inzidenz vs. Prävalenz
– Auch fehlen Angaben, ob eine Covid-Erkrankung AUCH berücksichtigt wurde.
– Zudem zeigt die Booster-Analyse zahlreiche Endpunkte in einer nur knappen Darstellung, sodasss Sensitivitätsanalysen sinnvoll gewesen wären, die aber im Text nicht erwähnt wurden.
– Die Gesamt-Krebs-hazard-ratio nach dem Booster liegt bei 1,01. (eine hazard ratio (HR) von 1,0 bedeutet, dass KEIN Unterschied des betrachteten Ereignis zwischen der untersuchten und der Kontrollgruppe gab.) à diese Diskrepanz zwischen Einzel- und Gesamtergebnissen bleibt methodisch unkommentiert. (Ist der HR-Wert hoch, scheint ein Zusammenhang plausibler -> bei einer HR von 1,5 ist das Risiko um 50% höher)
– In der Publikation sind die P-Werte zum Teil auffällig. (Der P-Wert ist der Wert, der in der Statistik dazu verwendet wird, ein Evidenzmaß für die Glaubwürdigkeit der Nullhypothese (die oft besagt, dass ein bestimmter Zusammenhang nicht besteht..) anzugeben.) Die genauen Werte sieht man eigentlich nur bei der Booster-Tabelle. Hier kann man erkennen, dass der Wert für Magenkrebs nur sehr knapp statistisch signifikant war (p 0,041) aber bspw. der Wert für Pankreas-CAs bei <0,001 lag, was auffällig ist, weil bei einer solchen Vielzahl von Tests bei einem so „krassen“ Ergebnis noch genauer geschaut werden muss, ist das Ergebnis auch andernorts erneut so auszuwerten, würde es in der Tat auf eine „echte“ Assoziation hindeuten, aber nur, wenn das Modell solide ist und andere Störfaktoren (s.o.) weitestgehend ausgeschlossen wurden.
o Und nur mal so: Mit Hilfe von KI habe ich mal die angegebenen P-Werte der Booster-Tabelle mit zwei Verfahren korrigieren lassen (Benjamini-Hochberg (FDR) und Bonferroni), danach verloren auch Magenkrebs und Leukämie ihre Signifikanz.. Nur das Pankreas-CA bleibt nach beiden Korrekturen signifikant… Hätten wir alle genauen Werte der ersten Analyse, wäre eine solche Korrektur auch hier interessant zu sehen!
RSI
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/5534675
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/18437323
https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC6439856
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/16850003
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/22315326
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/18604519
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/17766743
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29576821
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33532760
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/38345268
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29508014
https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC11501527
https://www.researchsquare.com/article/rs-3721487/v1
https://pin-up-docs.de/2025/08/15/foamed-die-regionalanaesthesie/
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29508014
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33165958
https://pin-up-docs.de/2021/01/13/basics-atemwegssicherung/
https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/001-028
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/25447559
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/37058727
https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC8244406
https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC8244406
https://www.dgai-atemwegssymposium.de/bronchoskopisches-airwaymanagement.php
https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC5812765
https://bmcanesthesiol.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12871-020-01070-2
https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC9902184
https://www.emnote.org/emnotes/airway-management-in-obese-patients
https://pin-up-docs.de/2024/10/16/facharzt-repetitorium-vol-i/
https://news-papers.eu/?p=16513
https://umem.org/educational_pearls/2577
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36306474
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/37196592
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/24660155
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31614244
https://www.fachinfo.de/fi/pdf/014265
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/39173173
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34904190
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/39570063
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30286947
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0735675723002474?via=ihub
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0735675723002474?via=ihub
https://emcrit.org/pulmcrit/pulmcrit-rocketamine-vs-keturonium-rapid-sequence-intubation/
https://pin-up-docs.de/2025/10/16/titriert-lieblingsfehler-september-2025/
Hallo,
vielen Dank für den wieder einmal sehr guten Podcast!
Ich habe allerdings eine wichtige Anmerkung, die potenziell gefährlich sein könnte:
Ihr habt beim Succi gesagt, dass ihr noch nie mehr als 100 mg gegeben habt. Auch bei der Besprechung der Dosierung beim adipösen Patienten seid ihr zwar auf die Hypnotika, aber nicht auf die Muskelrelaxation eingegangen.
Beim Succi ist es entscheidend, nach dem tatsächlichen Körpergewicht zu dosieren – die Antwort habt ihr ja eigentlich schon selbst geliefert (Abbau durch Plasmacholinesterasen im Plasma).
Beim adipösen Patienten ist das Blutvolumen natürlich erhöht. Das bedeutet, dass nach der Injektion und der Zirkulationszeit bis zur motorischen Endplatte bereits ein Teil des Succi abgebaut wird.
Wenn man hier nach dem idealen Körpergewicht dosiert (oder generell nicht mehr als 100 mg gibt), steht beim wirklich Schwerem Patienten unter Umständen nicht genug Wirkstoff für eine zuverlässige Relaxation zur Verfügung.
Noch eine kleine Anmerkung / FunFact zur Faktor-V-Leiden-Mutation
Im Podcast wurde gesagt, man benutze „eine alte Bezeichnung“ – Faktor-V-leiden. Das ist so aber nicht ganz korrekt. Das „Leiden“ steht hier nämlich nicht für ein „Leiden“ im Sinne einer Erkrankung, sondern bezieht sich auf die niederländische Stadt Leiden, wo die Mutation erstmals beschrieben wurde.
Super interessanter Beitrag, vielen Dank!
Hier gibt es mehr Infos welche Medikamente nach Idealem Körpergewicht und welche nach Gesamtkörpergewicht dosiert werden sollten: https://foamina.blog/2017/03/21/medikamentendosierungen-bei-adipositas/
Hallo liebes Team der Pin up docs. Bezugnehmend auf das Etomidate möchte ich gern eine Sachen beitragen.
Ich selbst bin Weiterbildungsassistent im 5 Jahr in Neubrandenburg.
Wir nutzen gerade bei Patienten im Op gerade bei Patienten mit kardiovaskulären erhöhten Risiko Eto. Der Hintergrund ist die deutliche stabile Herzkreislaufreaktion bei diesen Präperat. Der Blutdruck bleibt einfach besser erhalten bzw. fällt nicht so stark wie im Vergleich mit Propofol. Klar ist die bekannte und immer wieder erwähnte NNI zu beachten. Diese so scheint es von der Evidenz aber am ehesten bei septischen Patienten bei der Mortalität eine Rolle zu spielen. Zumindest zeigen das auch aktuelle Metaanalysen (Etomidate, Adrenal Insufficiency and Mortality Associated With Severity of Illness: A Meta‑Analysis (Albert & Sitaula, 2021). Der Effekt auf Mortalität stieg mit zunehmender Schwere der Erkrankung.
Ich möchte an dieser Stelle einfach im Kontext einer RSI im Op den „Medikamentenkoffer“ erweitern, das Eto auch eine Möglichkeit sein kann. Selbstverständlich könnte aus (Es-)Ketamin das sein, wo der Blutdruck auch stabil bleibt. Ich wollte damit auch auf die Aussage eingehen das Eto- in Deuschland eingesetzt wird. Bei Rückfragen, meldet euch gern bei mir. Ich konnte so nicht alles darstellen…
Lieber Marian!
Vielen Dank für Deinen Kommentar und Deinen spannenden Erfahrungsbericht und Input! Es ist wirklich sehr interessant zu hören, dass da scheinbar die lokalen Standards doch sehr unterschiedlich sind und ihr gute Erfahrungen mit Etomidate macht.
Ganz liebe Grüße, auch vom Rest des Teams,
Paula
Liebe Pin-Up-Docs,
Vielen Dank für die neue Folge und die spannenden Themen.
Zur RSI-Hauptfolge habe ich eine praktische Frage: Ihr habt erwähnt, dass für eine RSI in euerer Klinik immer 2 Ärzte anwesend sind. Lässt sich dies im Dienstgeschehen auch so durchsetzen? Bzw. welche Vorgaben gelten dann bzgl der personellen Besetzung, gibt es „Abstufungen“?
Viele Grüße, Johanna
Liebe Johanna,
bei uns ist es im Dienst folgendermaßen: Facharzt/ Facharzt-Standard und normale RSI geplant: Durchführung durch FA/FÄ allein. Bei weniger Erfahrung oder high-risk: Einzelfallentscheidung aber eher zugunsten von: OA/OÄ dazu rufen.
Aber das ist nur unser praktisches Vorgehen und keine Empfehlung!
Lieben Gruß
Dana
Hallo Pin Up Docs – Viele Grüße von einem Langzeithörer!
Vielen Dank für eure tolle Arbeit! Dank euch fängt der Monat immer gut an – Ob mit Zebra Kühen oder echt wertvoller Fortbildung in Sachen Notfall und Intensivmedizin. An der Stelle nochmal vielen Dank an Dominik für den Beitrag zur RSI – Mir als NotSan der nur selten mit Notfallnarkosen konfrontiert ist hat der Beitrag sehr geholfen mein mentales Modell zur RSI upzudaten – man sieht es ja da draußen doch öfters mal ….“modifiziert“.
Ich möchte euch an der Stelle ein paar Infos zum Thema Paramedics, RSI und Intubation in den USA liefern, da Ich vor kurzem die Gelegenheit hatte meine Cousine zu löchern, die dort seit Jahren als Paramedic arbeitet. Darüber hinaus habe Ich das Thema noch etwas erforscht, weil immer wieder die Frage aufkommt: Wie vergleichbar sind Studien aus USA mit anderen (arztbasierten) Rettungsdienstsystemen?
Wichtigste Info vorab: In den USA ist alles vertreten – von sehr liberalen Freigaben mit extrem hohem Skill und Erfahrungslevel bis minimale und grenzwertig sinnvolle Freigaben. Es wäre in etwa so vergleichbar wie in Europa – Die Unterschiede an Befugnissen und Ausstattung – selbst bei Nachbarländern – können gigantisch varieren wie z.B. in der Schweiz und Österreich.
Kurz vorab – Was lernen Paramedics eigentlich in der Ausbildung?
Die Ausbildung ist per Se national standartisiert und umfasst die ET und auch die Anwendung und Kenntnisse von Medikamenten zur RSI auch in klinisch praktischer Anwendung in Klinikpraktika. Der Abschluss mit dem Staatsexamen führt zur Aufnahme im nationalen Register NREMT.
Woher kommen dann die großen Unterschiede?
Jeder Bundesstaat verplichtet Mitarbeitende im Rettungsdienst eine State License zu erwerben und gibt dafür bestimmte Vorgaben, z.B. Buchstabenkurse u.a. woran bestimmte Freigaben verknüpft sind.
Texas zum Beispiel als sehr flächiger Staat mit langen Transportzeiten ist sehr liberal was den sog. Scope of Practice angeht und gibt Paramedics sehr viel frei, z.B. RSI/DSI mit Fentanyl, Ketamin, Roc und vieles mehr. Weitere Infos dazu findet man z.B. beim Montgomery County Hospital District (MCHD) Paramedic Podcast: https://www.mchd-tx.org/emergency-medical-services/mchd-paramedic-podcast/
Dazugehörige Protokolle findet ihr hier: https://www.mchd-tx.org/media/protocols/MCHD_Protocols.pdf
Die Bundesstaatlichen Vorgaben müssen über die EMS Agencies erfüllt und überwacht werden, weshalb die Agencies in der Regel Medical Directors haben, welche die Vorgaben und Protokolle entwerfen und ausbilden (siehe MCHD). Je nach Agency und System (z.B. Hospital Based) können hierdurch extrem starke Ausbildungssysteme entstehen weil Medics regelmäßige Rotationen im OP, ICU oder Schockraum durchlaufen.
Teilweise gelten für HEMS, welche in den USA in der Regel Nurse/Paramedic Teams sind, etwas andere Vorgaben hinsichtlich RSI und Medikamtente – Manche haben Freigaben und Ausstattung in Sachen Medikamente und Intensivmedizin, die einem arztbesetzten RTH/ITH in DACH nicht wirklich nachstehen.
Leider sind an diese Vorgaben natürlich auch Personal und Ausbildungskosten gebunden, weswegen manche Bundestaaten nur begrenzte Vorgaben machen können.
Auf der anderen Seite gibt es Bundesstaaten welche sehr konservative Protokolle und Freigaben haben, zum einen, wie bereits erwähnt aus Kostengründen, zum Anderen aufgrund sehr hoher Krankenhausdichte und Transportstrecke in eine Klinik z.B. New York State oder hoher Dichte an HEMS mit weiteren Befugnissen. Häufig wird eine Intubation zum Beispiel nur ohne Medikamente also bei OHCA oder Tiefster Bewusstlosigkeit freigegeben. Ein Einsatz von Medikamten zur Sedierung oder Einleitung ist an einen Anruf an Online Medical Control (OLMC) gebunden – häufig ein Emergency Physician eines naheliegenden Krankenhauses, der die Situation einschätzen soll – ohne Kenntnis des anrufenden Paramedics oder deren Austattung, Expertise im Airwaymanagement oder der verfügabaren Medikamente.
Logischerweise wird dies also häufig unterlassen oder die Entscheidung fällt negativ aus, weswegen hier Load and Go mit einem einfachen Airwaymanagement ohne Narkose bei kurzer Transportstrecke die häufigere Lösung ist.
Was hat das jetzt mit der Vergleichbarkeit von Airwaystudien von EMS Systemen in der USA vs. Rest der Welt oder Paramedic vs. Arzt zu tun?
Teilweise werden in den USA sehr skurille Konzepte zur Intubation und „RSI“ gefahren – RSI ohne Relaxans oder es gibt kein Protokoll zur Sedierung um über eine DSI eine suffiziente Präoxigenierung zu erreichen etc. Dadurch gibt es in manchen Systemen immer wieder Fälle von schlechten Outcomes oder Zwischenfälllen bei Narkoseeinleitung und Atemwegssicherung. Auch ist die Ausbildung und Erhaltung der Fähigkeiten sehr unterschiedlich – Wie erwäht Systeme mit regelmäßiger innerklinischer Rotation und Weiterbildung oder Übung an Körperspendern vs. Systeme mit kurzer Rezertifizierung am Manekin. Dies geht sogar so weit, dass die die ET mancherorts ausgemustert wird und durch die verpflichtende Anwendung eines SGA ersetzt wird.
Fazit: Am Ende des Tages muss man bei (Airway-) Studien aus den USA (z.B. Inzidenz eines schwierigen Atemwegs) leider sehr gut aufpassen, was deren Protokoll und Expertise ist, da sonst eine Vergleichbarkeit mit anderen Systemen nur sehr schwer möglich ist. Falls das in der Studie nicht wirklich aufgedröselt wird ist die Auswertung und Übertragbarkeit doch sehr eingeschränkt.
Vielen Dank Euch und macht weiter so!
Lieber Mark,
vielen Dank für die spannenden und wertvollen Einblicke in die Welt der Paramedics in den USA! Fazit ist also: Wir haben überall das selbe Problem, dass die Systeme sehr inhomogen und die Studien daher nur eingeschränkt übertragbar sind….
Liebe Grüße,
Paula und der Rest des Teams
Ein Kommentar zu Torbens Studie zu Ketamin plus Midazolam und der empfohlenen Dosis von Mida beim Kindlichen Status Epilepticus:
In der DIVI Kindernotfallkarte stehen für die i.n. Dosierung 0,3 mg/kgKG und 0,1 mg/kgKG i.v./i.o.
Der DBRD Algorithmus und die Bayerischen ÄLRD Empfehlungen entsprechen der DIVI Notfallkarte allerdings wird beim DBRD etwas vereinfacht und ab 20 kgKG also etwa Schulkindalter mit 10 mg i.n. dosiert also schon relativ hoch.
In den abgelaufenen PALS Guidelines war Midazolam mit einer Dosierung von i.v. 0,15 mg/kgKG (max. 7,5 mg) enthalten, in den neuen PALS Guidelines von 2025 steht bisher nichts zur Dosierung oder zur Wahl des Medikamentes, sondern nur „Benzodizepine“, bevorzugt i.v.
Vielleicht habe Ich es im Podcast verpasst – Die Verabreichung in der Studie erfolgte i.v., oder? In dem Fall wäre die Dosis mit 0,2 mg/KG Mida ja sogar doppelt so hoch gewählt wie in der Notfallkarte.
Ein Problem der Studie ist meines Erachtens, dass ihr Einschluss recht undifferenziert ist und die absolute Krampfdauer ausser Acht lässt und somit Kinder mit einem SE seit 10 Minuten und Kinder mit SE seit 40 Minuten plus in einen Topf geworfen werden. Da die absolute Krampfdauer anscheinend nicht erfasst wurde ist ggf. auch unklar ob die Gruppen wirklich vergleichbar sind, oder? Hat eine Subgruppenanalyse mit Vergleich der Krampfdurchbrechung abhängig zu absolter Krampfdauer stattgefunden?
So Weit Ich herausfinden konnte dürfen Sanitäter in Ägypten keinerlei Medikamente verabreichen, was heißt dass Kinder mit einem Krampfanfall mit anhaltenden SE als Notfallereignis ja realistisch erst nach 15-30 Minuten und mehr Medikamente in der NA erhalten können. Benzos wirken im prologierten SE bekanntlich schlechter was die niedrigen Raten an Krampfdurchbrechung erklären könnte.
Vermutlich ist gerade beim wirklich prolongierten SE ja eine Kombinationstherapie genau deshalb sinnvoll, weil GABA-A durch die Internalisierung (siehe Naylor et al., J. Neurosci. 2005 — Trafficking of GABA(A) receptors, loss of inhibition and a mechanism for pharmacoresistance in status epilepticus.) unseren Benzos als Ziel „verloren“ geht.
Gerade international, in Settings in denen die Ausstatung mit Antikonvulsiva wie Levetiracetam präklinisch oder in der NA nicht flächendeckend vorhanden ist, im Gegensatz zu Ketamin, scheint die Kombination sinnvoll.
Leider konnte Ich die Studie nicht Open Acess finden. Falls Ich irgendwas überhört oder falsch verstanden habe oder jemand Infos zum Ägyptischen Rettungswesen hat korrigiert mich gerne!
Vielen Dank für das Vorstellen der Studie und den tollen Podcast!
Da das Kontaktformular meine Nachricht leider kaputtformatiert hat hier nochmal direkt als Kommentar zur Folge in ganzer Fassung:
Hallo ihr Lieben,
Zwei Kommentare zur Oktober-Folge:
Bei ca. 02:44:40 führt ihr aus, dass im anglo-amerikanischen Raum „fast nur load and go“ praktiziert und in Ermangelung flächendeckender Notarztvorhaltung (beinahe) keine prähospitalen Notfallnarkosen durchgeführt würden. Hier stellt sich die tatsächliche Situation deutlich anders dar, denn insbesondere die amerikanischen und australischen Luftrettungsdienste, die meist von Critical Care Flight Paramedics, teils in Zusammenarbeit mit Flight Registered Nurses, durch Rettungsfachpersonal besetzt werden, sind sehr erfolgreich in der Durchführung von Notfallnarkosen und weisen ähnliche FPS, Overall-success und Komplikationsraten wie die deutsche (Fach-)arztbesetzte Luftrettung auf.
Leider sind die Narkose-regime auch dort lokal teilweise stark unterschiedlich oder nicht klar festgelegt (also Providerentscheidung), aber einige Beispiele finden sich in der folgenden Literatur.
– „A-Team“-Study (Brown et al., 2014) – Retrospektive Analyse von 4871 Einsätzen mit Atemwegssicherung durch 89 Luftrettungsstandorte in den USA; Daten von 2007 – 2009 und damit weit entfernt von Videolaryngoskopie, Bougies und ramped Position (was den schwachen fps erklärt), aber mit Übersicht der damalig eingesetzten Medikation und Dosierung https://doi.org/10.5811/westjem.2013.11.18549
– Delorenzo et al. (2018) zur RSI durch australische Flight Critical Care Paramedics in Victoria einschließlich der genutzten Medikamente DOI: 10.1080/10903127.2018.1426666
– Waack et al. (2018) zu DSI durch australische Flight Critical Care Paramedics in Victoria DOI: 10.1080/10903127.2018.1426665
Bei detaillierterer Suche finden sich weitere Quellen aus dem (Flight-/Critical Care-)Paramedic-geführten Luftrettungsdienst als auch einige zu RSI durch Ground-based ALS Ambulances im anglo-amerikanischen Raum, allerdings zeigt sich die Datenlage dort aufgrund noch unübersichtlicherer lokaler Besonderheiten als in Deutschland so heterogen, dass eine detaillierte Analyse sehr langwierig wäre.
Ab 03:04:40 sprecht ihr über die Dosierung von Rocuronium im Rahmen der RSI und dabei insbesondere über die in Deutschland üblichen und auch empfohlenen Dosierungen von 0,6 – 1,2 mg/kgKG.
Neuere Erkenntnisse deuten allerdings tatsächlich darauf hin, dass eine weitere Steigerung der ROCuronium Dosis im Rahmen der RSI insbesondere die Intubationsbedingungen verbessern und den FPS erhöhen könnte.
Levin et al. (2021) konnten bspw. eine signifikante Steigerung des FPS unter direkter Laryngoskopie sowie eine signifikante Steigerung des FPS bei zum Zeitpunkt der Einleitung hypotonen Patient*innen bei einer Dosis von > 1,4 mg/kgKG beobachten, während der FPS bei hämodynamisch stabilen Patient*innen unter Einsatz der Videolaryngoskopie nicht signifikant besser war. https://doi.org/10.1007/s43678-021-00119-6
Hayes-Bradley und Tarrant (2022) von Greater Sydney Area HEMS stellten bei retrospektiver Betrachtung fest, dass eine Dosierung von Rocuronium mit > 1,5 mg/kgKG (Median 1,9; SD 0,3) im Vergleich zu 1,5 bis zu 2 mg/kg noch nicht Leitlinieninhalt ist, eine Erhöhung der Dosierung insbesondere bei kardiorespiratorisch kompromittierten Patient*innen den FPS zu erhöhen und die Komplikationen zu reduzieren. Insbesondere da „aufwachen lassen“ im Rahmen einer echten Notfallnarkose keine Option darstellt und bei Notwendigkeit der Beendigung der Relaxation Sugammadex klinisch flächendeckend zur Verfügung steht ist eine Erhöhung der standardmäßigen RSI-Dosis meiner Einschätzung nach somit nur eine Frage der Zeit.
Liebe Grüße und man sieht sich bei der nächsten einschlägigen Veranstaltung dieser einen einschlägigen Fachgesellschaft in Hamburg 2026! <3
Lieber Frederik,
vielen Dank dass du diese beiden Ungenauigkeiten aufgestöbert und uns darauf hingewiesen hast und vor allem auch noch die passende Evidenz dazu lieferst!
Liebe Grüße,
Paula und der Rest des Teams
Herrlich, eine RSI-Diskussion ohne ein einziges Foie Gras! Die statistischen Tiefgangsbohrungen sind ja… *interessant*, besonders wenn man dabei nachdenkt, wieviele P-Werte man eigentlich *nicht* liest. Manchmal ist die wissenschaftliche Präzision so hoch, dass man vergisst, dass die Patienten ja auch noch da stehen und schauen. Und ja, die amerikanischen Freigaben sind ja ein Abenteuer – da werden wahrscheinlich schon bald RSI mit Zebra-Kühen und Kaffee getestet. Sehr spannend, was da so passiert!
Hallo liebes Team😇
Vielen Dank für einen weiteren großartigen Podcast.
Ich habe einen kleinen Denkanstoß zum Thema antikonvulsive Therapie im pädiatrischen Setting.
Thorben spricht von Midazolam i.n., was sicherlich eine GPP darstellt jedoch aus meiner Sicht gerade bei Kindern einen Nachteil mit sich bringt.
Viele konvulsive Ereignisse bei kindern sind Fieberassoziiert, dabei ist es nicht selten, dass die Nase vollständig verschleimt ist, wieviel Wirkstoff kommt dann wirklich an?
Dazu kommt, dass gerade bei sehr kleinen Kindern die Nase doch recht klein ist und bei den gängigen Verdünnungen das schiere Volumen für die Nase zu viel sein kann.
Dazu kommt auch noch, dass die gängigen Präparate an Midazolam nicht für die nasale Applikation zugelassen sind.
Daher stellt sich mir mit Blick auf all diese Punkte die Frage, warum bei Kindern nicht deutlich eher auf die Gabe i.m. gegangen wird? Schließlich kann man hier sicher sein, „was drin ist, ist drin“.
Mich würde eure Sicht dazu sehr interessieren😌
Liebe Grüße und vielen Dank aus Mainz
Mike
Hallo liebe Pin-up docs,
erstmal vielen Dank für eure wunderbare Arbeit und die wieder mal sehr unterhaltsame und lehrreiche Folge!
Zu Remifentanil als Bolus kann ich sagen, dass wir an meinem vorherigen Haus sehr regelmäßig damit eingeleitet oder ganze (kurze) OPs nur mit Remi aus der Hand bestritten haben. Anfangs war ich aus den von euch genannten Gründen auch sehr skeptisch und war dann überrascht, wie gut es funktioniert. Kann man also machen 😉
Dann noch eine kleine Anmerkung zu Torbens Abneigung gegen „Z. n.“: bei Befunden wie einer Hüft-TEP, die ja weiterhin in situ ist, halte ich die Angabe ebenfalls für überflüssig bzw. sogar falsch, da die TEP ja immer noch drin ist und nicht wieder entfernt wurde. Im Falle von Krankheitszuständen (wie in eurem Beispiel die Thrombophlebitis) kann ich es allerdings nachvollziehen, da so klar wird, dass das kein aktuell bestehender Befund ist, sondern in der Vergangenheit liegt.
Liebe Grüße
Katharina
P. S. : über den Sinn der Formulierung „intubiert und beatmet“ habe ich mir auch schon häufiger den Kopf zerbrochen – ganz wie Paula „was denn sonst“ 😀
Hallo Katharina,
danke für die Blumen und ja das sehe ich auch so.. =)
Lieben Gruß,
Dana und der Rest des Teams