Gerinnung – Make Blutungsanamnese Great Again

Fallbeispiel:

54.-jährige Patientin ca. 170 cm, ca. 80 kg, Zur Knie-TEP-Implantation

  • post-OP rezidivierender. blutiger sowie eitriger Erguss im Kniegelenk
  • mehrere Hämatome im Bereich des Oberschenkels
  • Heparin wurde wegen massiver Hauthämatome von der Patientin selbständig abgesetzt

Wäre die Situation vermeidbar gewesen ?

Blutungsanamnese der Patientin:

  • als Kind häufiger Nasenbluten
  • subjektiv verstärkte Blutung bei Schnittverletzungen
  • bei Zahnextraktion verstärkte Blutung
  • 1995 Hysterektomie wegen Hypermenorrhoe +
    6 x Relaparotomie wegen postoperativ. Nachblutung
  • Regelblutung in Jugend: > 10 Tage + stark
  • Hämatomneigung schon immer

Labor in der Gerinnungsambulanz (April 2019):

  • Quick:                                    unauffällig
  • APTT:                                     39 sec. (24-35)
  • Fibrinogen:                          unauffällig
  • vWF RCo:                             56 %
  • vWF AG:                                56 %
  • vWF CBA:                             55 %
  • PFA-ADP:                             > 300 sec.
  • PFA-Epi:                               > 300 sec.

V.a. von Willebrand Syndrom

Praktische Tipps zur Erhebung der Blutungsanamnese:
Immer mit dem Patienten persönlich reden. Dabei versuchen die Sprache des Patienten zu sprechen

Nicht nur auf das achten, was der Patient antwortet, sondern wie er antwortet (ggf. auch Antwort zitieren z.B. „nach der Operation habe ich geblutet wie ein Schwein“ !)

Merke:
im Gegensatz zu Studien sind Patienten selten standardisiert in die Aufnahme/Praxis.

Inhalt der Blutungsanamnese

1) Wurde bereits eine Blutgerinnungsstörung festgestellt? Hat der Patient schon einmal eine Thrombose gehabt?

2) Familienanamnese: Sind in der Familie bei Blutsverwandten Blutungsneigungen bekannt?

(autosomal rezessive -> z.B. vWS, x-chromosomal -> z:B. Hämophilie A/B) Diagnose bekannt? Wie ist der Verwandtschaftsgrad?

3) Anzeichen von Blutungen ohne wesentlichen Grund

a) Hämatome, oder punktförmige Blutungen (Ausschluss unfallträchtiger Arbeiten, zeitlicher Verlauf, pos. Medikamenteneinnahme)

b) Nasenblutungen (ohne vorher Schnupfen gehabt zu haben, Fremdkörper in Nase, gepopelt, HNO-Ursache, erhöhter RR)

c) Gelenkblutungen oder Blutungen in die Weichtele oder Muskel (ohne Trauma)

4) Verstärktes Nachbluten nach Verletzungen (Männer Frage nach Nassrasur, > 5 min)

5) Nachblutungen nach Zahninterventionen (Zähne ziehen, Zahnfleischeingriffe) oder OP im HNO-Bereich?

6) Generelle Nachblutungen nach Operationen oder waren Re-Eingriffe nötig ?

7) Heilen Wunden schlecht? (Lange Sezernierung, Klaffend, Neigung zu Keloidbildung, Hinweis auch auf FXIII-Mangel)

8) Medikamentenanamnese:

a) Gerinnungshemmer: (Thrombozytenaggregationshemmer (ASS), DOAK (Edoxaban, Apixaban, Rivaroxaban, Dabigatran), Vitamin K-Antagonisten (Coumadin, Marcumar, Phenprocoumon)

b) Pflanzliche Präparate? (Ginko, (Tebonin©, Tebofan©, Ceremin©, Ginsana, Geriatric-Pharmaton, Supradyn, Zintona, Kwai)

c) Medikamente mit gerinnungsbeeinflussender Nebenwirkung?

9) Bei Frauen: Dauer und Stärke der Menstruation (>7 Tage? Wieviele Hygieneartikel/Tag, ohne hormonelle Kontrazeption, frühe Jugend)

Anästhesieaufklärungsbogen

Chirurgischer Aufklärungsbogen – etwas kürzer gehalten 😉

Autoren

Ines Severloh

PD Dr. Alexander Hanke

Dr. Thomas Lang

Literatur:

Bruhn, Hach-Wunderle, Schambeck, Scharf Hämostaseologie für die Praxis; 2. Auflage, Schattauer 2011

Helmut Tschulik et. al; Gerinnung im klinischem Alltag, Auflage 7, Interdisziplinäre Gerinnungsgruppe Steiermark 2016

Fries, Streif, Gerinnungsmanagement in der Intensivmedizin Springer, 1. Auflage 2014

G. Pfanner, Empfehlungen der Arbeitsgruppe Perioperative Gerinnung der ÖGARI zum Thema Fragebogen zur Detektion einer Blutungsneigung (Erwachsene und Kinder) 2018

Koscielny J et al. Präoperative Identifikation von Patienten mit (primären) Hämostasestörungen. Hämostaseologie, 2007; 27(3): 177–184

G. Pfanner, J. Koscielny, T. Pernerstorfer, M. Gütl, P. Perger, D. Fries, N. Hofmann, P. Innerhofer, W. Kneifl, L. Neuner, H. Schöchl, S.A. Kozek, Langenecker, Präoperative Blutungsanamnese – Empfehlungen der Arbeitsgruppe perioperative Gerinnung der Österreichischen, Anaesthesist 2007 · 56:604–611

Winterwerber, Fragen kostet nichts! – Die Blutungsanamnese zur Risikoeinschätzung der postpartalen Hämorrhagie | Die Hebamme 2015; 28: 206–210

Schwenk W. SOP Präoperative Untersuchung des Blutungsrisikos; Allgemein- und Viszeralchirurgie up2date 2019; 13: 97–100

Teilen und liken:

Ein Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert