Anästhesie bei OSAS
Es gibt Krankheiten, die uns in der perioperativen Versorgung Kopfschmerzen bereiten. Eine dieser Krankheiten ist die Schlafapnoe. Hierbei ist es wichtig zu begreifen, dass die Schlafapnoe nicht nur nächtliche Atemaussetzer sind. Sie betrifft den ganzen Patienten zu jeder Zeit des Tages. Wir wollen versuchen euch dieses komplexe Krankheitsbild näher zu bringen und gemeinsam Strategien für die perioperative Versorgung entwickeln.
Was ist OSAS?
Das Leitsymptom eines OSAS (Obstruktives-Schlafapnoe-Syndrom) sind nächtliche Atemaussetzer, die trotz fortbestehender Atemanstrengung durch eine Obstruktion der oberen Atemwege entstehen. Mögliche Ursachen hierfür sind eine veränderte Anatomie der oberen Atemwege, ihre ineffektive muskuläre Kontrolle oder eine veränderte Erregungsschwelle (Arrousal-Threshold). Durch die Störung der Schlafarchitektur, die mit dem OSAS einhergeht, kann es zu zahlreichen Komorbiditäten wie arterieller und pulmonaler Hypertonie, Arrhythmien, KHK, zerebrovaskulären Erkrankungen, Adipositas und Typ 2 Diabetes kommen. Aufgrund des nicht erholsamen Nachtschlafs haben Patient*innen mit OSAS zudem ein deutlich erhöhtes Unfallrisiko!
OSAS hat eine Prävalenz von 3-5% in der Allgemeinbevölkerung, spannenderweise ist allerdings die Prävalenz bei chirurgischen Patient*innen mit 24-41% deutlich erhöht (woran das genau liegt ist noch nicht abschließend geklärt…). Bei einem Großteil (˃ 80%) der Patient*innen ist das OSAS zum Zeitpunkt der präoperativen Evaluation noch nicht gestellt!
Die Klassifikation des OSAS erfolgt anhand der Anzahl respiratorischer Ereignisse pro Stunde Schlaf (Apnoe-/Hypopnoe-Index, AHI). Bei einem AHI von 5-14/h spricht man von einem milden-, bei 15-30/h von moderaten- und bei mehr als 30 Ereignissen pro Stunde von einem schweren OSAS.
Für das OSAS gibt es zahlreiche Therapieoptionen: Am gängigsten sind die konservativen Maßnahmen wie Schlafhygiene und Rückenlageverhinderung, sowie eine Gewichtsreduktion bei adipösen Patient*innen. Diese reicht meistens aber nicht aus um das OSAS vollständig zu therapieren. Am weitesten verbreitet ist die nasale CPAP (continous positive airway pressure)-Therapie. Diese wirkt als pnematische Schienung der oberen Luftwege und wirkt damit ihrem Kollaps entgegen. CPAP ist die effektivste nicht-operative Behandlung des OSAS und führt nicht nur zu einer Verbesserung der Lebensqualität, sondern auch zu einer signifikanten Reduktion des OSAS-assoziierten Unfallrisikos und des Risikos für kardiovaskuläre Ereignisse. Neben CPAP gibt es bei den apparativen Therapien noch die Unterkieferprotrusionsschienen, die aber längst nicht so verbreitet und effektiv sind wie CPAP.
Zu den operativen Therapieoptionen gehört z.B. eine Beseitigung einer vorhandenen Nasenatmungsbehinderung, Tonsillotomie/ Tonsillektomie bei Tonsillenhypertrophie, Uvulopalatopharyngoplastik und viele weitere unaussprechliche Dinge mehr.
Grundsätzliche Überlegungen – Warum ist OSAS überhaupt relevant für uns?
Patient*innen mit OSAS sind für verschiedene perioperative Komplikationen besonders gefährdet! Dabei scheint die frühe postoperative Phase (die ersten 24 Stunden) besonders kritisch zu sein. Die Ursache ist wahrscheinlich eine Exazerbation des OSAS, die durch verschiedene perioperativ auftretende Faktoren verursacht wird. Durch Hypnotika, Opioide und Muskelrelaxantien kommt es zu einer negativen Beeinflussung von Atemantrieb, Atemschutzreflexen und Erweckbarkeit, sowie zu einer Herabsetzung des Muskeltonus der Muskulatur der oberen Atemwege. Intubationsbedingt kann es zudem zu pharyngealen Ödemen/ Hämatomen kommen. Postoperativ werden Patient*innen häufig in Rückenlage gelagert, was per se ein OSAS verschlechtert, da es in Rückenlage zu einem verstärkten Kollaps der Atemwege kommt. Zudem wird die CPAP-Therapie perioperativ und im Rahmen des Krankenhausaufenthalts häufig unterbrochen. Durch die Narkose (und den schlechteren Schlaf im Krankenhaus) kommt es zu einer Unterbrechung der Schlafarchitektur mit einem REM-Schlaf-Rebound in den darauffolgenden Nächten. Da REM-Schlaf Apnoephasen begünstigt, sind OSAS Patient*innen in dieser Phase besonders gefährdet.
Die Datenlage zur perioperativen Mortalität bei OSAS ist uneinheitlich. Es konnte sowohl eine erhöhte, als auch eine gleichbleibende und erniedrigte Mortalität in Studien gezeigt werden. Als Ursache der erniedrigten Mortalität werden in einigen Quellen präkonditionierende organprotektive Effekte durch die intermittierende Hypoxie bei OSAS propagiert.
Potentielle intraoperative Probleme
OSAS scheint das Risiko für eine erschwerte Maskenbeatmung und Intubation zu erhöhen. Es konnte gezeigt werden, dass eine schwierige Intubation umso häufiger ist, je höher der AHI ist. Andersherum ist auch ein unerwartet schwieriger Atemweg ein Prädiktor für das Vorliegen eines unerkannten OSAS. Zudem haben Patient*innen mit OSAS ein erhöhtes Risiko für perioperative kardiovaskuläre Komplikationen.
Potentielle postoperative Probeme
Postoperativ kommt es bei Patient*innen mit OSAS zu einem häufigeren Auftreten einer akuten respiratorischen Insuffizienz und peripherem Abfall der peripheren Sauerstoffsättigung, sowie zu einer erhöhten Rate an Re-intubationen, Aspirationspneumonien und anderen respiratorischen Komplikationen.
Was gibt es in der präoperativen Phase bei OSAS-Patient*innen zu beachten?
Was ist bei der präoperativen Risikoevaluation von OSAS-Patient*innen wichtig?
Aufgrund der hohen Prävalenz sollten alle Patient*innen präoperativ hinsichtlich des Vorliegens eines OSAS gescreent werden. Idealerweise sollte diese Evaluation so früh erfolgen, weitere Diagnostik und Therapie noch möglich ist. Die ASA empfiehlt, dass Anästhesist*innen und Chirurg*innen gemeinsam ein standardisiertertes Protokoll zur präoperativen Evaluation von OSAS entwickeln. Die Polysomnographie (Schlaflabor) ist zwar die Referenzmethode für die Diagnostik eines OSAS, ist aber sehr teuer und zeitaufwändig und deshalb als Screeningmethode nicht geeignet. Daher sollte präoperativ der Fokus auf eine gute Anamnese und körperliche Untersuchung gelegt werden.
Welche Punkte in der Anamnese sind hierbei besonders wichtig?
- Vorerkrankungen wie Hypertonus, Schlaganfall, KHK/ Myokardinfarkt, Diabetes Mellitus, aber auch genetische Syndrome z.B. Down-Syndrom, Akromegalie, neuromuskuläre Erkrankungen weil diese mit einer veränderten Gesichts- und Halsanatomie einhergehen können
- Anamnestische Hinweise auf das Vorliegen eines OSAS, wie Schnarchen, nächtliche Atempausen, Sprechen im Schlaf, häufiges Wechseln der Schlafposition, morgendliche Kopfschmerzen, depressive Verstimmungen. Hierbei ist oft auch die Fremdanamnese hilfreich!
- Hinweise auf das Vorliegen eines erwarteten schwierigen Atemwegs (Anästhesiepass!) und andere perioperative Komplikationen bei vergangenen Eingriffen
- Adipositas: Die Inzidenz von OSAS bei Adipositas ist signifikant erhöht!
- Wurde bei dieser Patient*in bereits ein OSAS diagnostiziert und ggf. eine Therapie etabliert? Gibt es Befunde einer bereits erfolgten Polysomnographie? Wie ist die Compliance bei der OSAS-Therapie? Steht das CPAP-Gerät nur in der Ecke oder wird es regelmäßig benutzt?
Worauf sollte zur Detektion von OSAS bei der körperlichen Untersuchung besonders geachtet werden?
- Halsumfang
- Zungengröße
- Anatomie der nasalen und oropharyngealen Atemwege
- Tonsillengröße → es konnte eine Assoziation zwischen Tonsillengröße und Apnoe-Hypopnoe-Index festgestellt werden
Wie kann man das individuelle OSAS-Risiko anhand der erhobenen Befunde abschätzen? Was gibt es für OSAS-Screening-Tools?
Zur Erkennung von bisher nicht diagnostiziertem OSAS und zur Einschätzung des Schweregrads gibt es verschiedene Screening-Fragebögen z.B. die ASA-Checkliste, STOP-BANG, Berlin-Fragebogen. Die haben zwar eine niedrige Spezifität, aber eine hohe Sensititvität für die Detektion von OSAS. Sie sind daher gut geeignet zum Ausschluss eines OSAS und damit als Screening-Tool. Außderdem konnte gezeigt werden, dass Patient*innen, die in den Fragebögen einen hohen Punktewert aufwiesen auch eine erhöhte Rate an postoperativen Komplikationen hatten. Da der STOP-BANG-Fragebogen die höchste Methodische Validität aller bisher evaluierten Fragebögen hat und er relativ einfach in der Anwendung ist, haben wir ihn hier für euch zum Nachschauen aufgeführt:
Snoring (Schnarchen) | Schnarchen Sie? |
Tiredness (Tagesmüdigkeit) | Fühlen Sie sich tagsüber häufig müde/ erschöpft? |
Observed Apnea (beobachtete Apnoe) | Wurden bei Ihnen Atemaussetzser während des Schlafens beobachtet? (Fremdanamnese!) |
Pressure (Bluthochdruck) | Wurden/ werden Sie wegen Bluthochdruck behandelt? |
BMI (Body Mass Index) | ˃ 35 kg/m2 |
Age (Alter) | ˃ 50 Jahre |
Neck (Halsumfang) | ˃ 40cm |
Gender (Geschlecht) | männlich |
Für die Einschätzung des perioperativen Risikos ist neben dem (vermuteten) Schweregrad des OSAS, außerdem die Invasivität des Eingriffs und der erwartete Opioidbedarf von Bedeutung. Außerdem sollten mögliche Folgeerkrankungen des OSAS wie z.B. pulmonale Hypertonie, Hypoxämie oder Rechtsherzbelastung, wenn möglich präoperativ echokardiographisch abgeklärt werden, falls klinische Hinweise dafür vorliegen.
Ob präoperativ eine weitere Diagnostik und ggf. Therapie des OSAS erfolgen soll, ist eine individuelle Entscheidung. Meist ist das im klinischen Alltag aufgrund des eng getakteten OP-Programms ohnehin nur begrenzt möglich. Insbesondere sollte dann eine Optimierung von nicht/ schlecht kontrollierten Begleiterkrankungen (Hypertonus, neu aufgetretenenen Arrhythmien, Herzinsuffizienz etc.) erfolgen. Je elektiver und je invasiver ein Eingriff ist, desto eher sollte eine weitere Diagnostik und Therapie erfolgen. Wenn nötig sollte eine Entscheidung zur weiteren Diagnostik und Therapie natürlich immer gemeinsam mit der operierenden Fachabteilung getroffen werden. Im Rahmen der Aufklärung sollten Patient*innen mit OSAS immer über ein erhöhtes Narkoserisiko und die OSAS-spezifischen Risiken aufgeklärt werden!
Was sind die Besonderheiten bei der präoperativen Therapie der OSAS-Patient*innen?
Ist bei Patient*innen bereits eine CPAP-Therapie etabliert sein, sollte diese unbedingt perioperativ weitergeführt werden! Es konnte gezeigt werden, dass ein reduzierter AHI zu einer verkürzten Krankenhausaufenthaltsdauer führt. Das Prämedikationsgespräch ist ein guter Zeitpunkt um Patient*innen darauf hinzuweisen, dass sie ihr CPAP-Gerät unbedingt zur stationären Aufnahme mitbringen sollten! Bei schwerem OSAS sollte, sofern bisher keine CPAP-Therapie etabliert ist, eine präoperative Initiierung einer CPAP-Therapie erwogen werden, es ist allerdings unklar, wie lange eine solche Therapie fortgeführt werden muss, um eine Reduktion des perioperativen Risikos zu erreichen. In Realität ist der Neubeginn einer CPAP-Therapie präoperativ wohl leider meistens nicht umsetzbar… Wenn allerdings alle Patient*innen mit bereits etablierter Therapie ihr Gerät mitbringen und verwenden würden, wäre vermutlich schon viel gewonnen.
Wenn irgendwie möglich, sollte auf eine Prämedikation mit Benzodiazepinen verzichtet werden. Die Datenlagen hinsichtlich einer Prämedikation mit Alpha-2-Agonisten ist wiedersprüchlich: Einerseits konnte durch diese Substanzen ebenfalls eine Beeinträchtugung der ventilatorischen Kontrolle gezeigt, andererseits auch eine Verbesserung der Oxygenierung durch den Opiat-sparenden Effekt gezeigt werden.
Kann man Patient*innen mit OSAS ambulant operieren? Und von welchen Faktoren hängt ab, ob das möglich ist?
Die ambulante Durchführbarkeit eines Eingriffs ist abhängig von der Schwere des OSAS, den Begleiterkrankungen, dem Alter, der Invasivität des Eingriffs, dem geplanten Anästhesieverfahren, dem erwarteten Opiatbedarf und davon, ob postoperativ eine Beobachtung durch das soziale Umfeld gewährleistet werden kann. Zudem muss das ambulant operierende Zentrum über die notwendige personelle und apparative Ausstattung verfügen, um mit allen potentiell auftretenden Komplikationen umgehen zu können. Grundsätzlich möglich ist ein ambulantes Operieren von Patient*innen mit vorbekanntem OSAS, wenn sie perioperativ ihr CPAP-Gerät benutzen können, oder Patient*innen bei denen aufgrund des Screenings ein OSAS vermutet wird, sofern die Begleiterkrankungen bestmöglich optimiert sind und die postoperative Analgesie nicht vornehmlich mit Opiaten durchgeführt werden soll. Postoperativ sollten diese Patient*innen so lange wie möglich im Aufwachraum überwacht werden. In jedem Fall sollte eine Entlassung nach Hause kritisch reevaluiert werden und Patient*innen beim Auftreten von problemen stationär überwacht werden! Es ist sinnvoll, Patient*innen bereits im Rahmen des Aufklärungsgesprächs darauf hinzuweisen, dass ggf. eine stationäre Überwachung erforderlich sein kann.
Welche Anästhesieverfahren sind für Patient*innen mit OSAS besonders geeignet?
Grundsätzlich sollte immer das Anästhesiverfahren gewählt werden, das postoperativ das geringste Risiko für respiratorische Probleme bietet. Daher sollten Lokal- und Regionalanästhesien bevorzugt werden, ggf. auch in Kombination mit einer Vollnarkose zur Reduktion des Opiatbedarfs. Für Rückenmarksnahe Regionalanästhesien konnte im Vergleich zur Vollnarkose eine deutlich geringere Inzidenz postoperativer respiratorischer Probleme gezeigt werden. Sogar für neuraxial applizierte Opioide konnte gegenüber systemisch applizierter Opioide eine deutlich geringere Rate von Atemdepression und Somnolenz gezeigt werden. Daher sollte man bei Patient*innen mit OSAS nicht grundsätzlich auf neuraxiale Opioidgaben verzichten, sondern die bessere Analgesie durch neuraxial applizierte Opioide und damit geringerer systemischer Opioidbedarf kritisch gegen die Gefahr der Atemdepression abwägen!
Bei einer (Analgo-)Sedierung kann eine begleitende CPAP-Therapie erwogen werden, um ein Kollabieren der Atemwege zu verhindern. Dabei sollte in jedem Fall eine kontinuierliche Überwachung der Oxygenierung und idealerweise auch eine Überwachung des EtCO2 erfolgen. Allerdings sollte ein gesicherter Atemweg bei einer Vollnarkose einer tiefen Sedierung ohne gesicherten Atemweg vorgezogen werden.
Meine OSAS-Patient*in ist jetzt im OP angekommen. Was muss ich intraoperativ beachten?
Was gibt es bei der Narkoseeinleitung von OSAS-Patient*innen zu beachten?
Bei Patient*innen mit (V.a.) OSAS sollte IMMER mit einem schwierigen Atemweg und einer erschwerten Maskenbeatmung gerechnet werden! Insbesondere adipöse Patient*innen sollte sollten zur Einleitung mit erhöhtem Oberkörper gelagert werden, weil dies zu besseren Bedingungen bei der Laryngoskopie und einer Erhöhung der funktionellen Residualkapazität führt. Wenn möglich sollte die Präoxygenierung mit CPAP/ PEEP erfolgen. Ist eine fiberoptische Wachintubation erforderlich, so sollte man sich bewusst sein, dass auch die verwendeten topischen Lokalanästhetika zu einer Beeinträchtigung der Schutzreflexe führen können.
Fast alle Anästhetika führen zu einem verringerten Tonus der Pharynxmuskulatur, zu einer reduzierten Antwort auf einen CO2-Anstieg und Atemwegsobstruktion und einem verringerten Arrousal als Antwort auf eine Hypoxie. Daher sollten aufgrund der besseren Steuerbarkeit, wenn möglich, kurzwirksame Opioide und Anästhetika eingesetzt werden. Dieser negative Effekt scheint dosisabhängig zu sein.
Was ist bei der Narkoseführung wichtig?
Wenn möglich sollte bereits intraoperativ eine Schmerztherapie mit peripheren Analgetika begonnen werden, um postoperative Schmerzspitzen zu vermeiden. Co-analgetische Substanzen, wie z.B. Magnesium, Ketamin, Dexamethason, Clonidin oder Dexmedethomidin, sollten, wann immer möglich, zum Einsatz kommen. Falls die OP es zulässt, ist auch perioperativ eine Oberkörperhochlagerung von Vorteil. Eine sehr elegante Option ist außerdem eine Wundrandinfiltration durch unsere Kolleg*innen der Chirurgie. Achtung! Die Angst vor Komplikationen sollte auf keinen Fall dazu führen, dass Patient*innen mit OSAS keine adäquate intra- und postoperative Analgesie erhalten!
Welche Besonderheiten gibt es bei der Ausleitung?
Eine verbleibende Restrelaxierung erhöht das Risiko einer Hypoxie und Atemwegsobstruktion. Daher sollten wenn möglich kurzwirksame oder antagonisierbare Muskelrelaxantien verwendet werden. Für Sugammadex konnte im Vergleich zu Neostigmin eine reduzierte Rate an postoperativen respiratorischen Komplikationen gezeigt werden, ggf. sollte es daher bevorzugt eingesetzt werden.
Patient*innen mit OSAS sollten erst wach extubiert werden. Die Extubation sollte in halbsitzender Position und erst nach vollständig aufgehobener Relaxierung erfolgen.
Was muss ich bei meiner OSAS-Patient*in postoperativ beachten?
Wass muss ich zur Therapie von OSAS-Patient*innen unmittelbar postoperativ wissen?
Für OSAS-Patient*innen wird eine Sauerstoffgabe aufgrund des erhöhten Hypoxierisikos grundsätzlich solange empfohlen, bis sie in der Lage sind ihre Ausgangssättigung unter Raumluft wieder sicher aufrechtzuerhalten. Sauerstoff führt zu einer Verbesserung der Oxygenierung und einer Verringerung des AHI, allerdings besteht auch die Gefahr einer Maskierung von Apnoephasen und Förderung einer Atelektasenbildung.
Eine flache Lagerung auf dem Rücken sollte wann immer möglich vermieden werden, eine Seitenlage, Oberkörperhochlagerung oder sitzende Position ist zu bevorzugen, weil hierdurch das Risiko einer Atemwegsobstruktion deutlich reduziert werden kann.
Patient*innen mit einer präoperativ bereits etablierten CPAP-Therapie sollten diese postoperativ möglichst schnell wieder aufnehmen (das CPAP-Gerät muss mit in den Aufwachraum!). Bei postoperativen Problemen (z.B. ausgeprägte Apnoephasen, Hypoxie etc.) sollte CPAP auch bei Patient*innen ohne vorherige CPAP-Therapie erwogen werden. Für Patient*innen nach bariatrischen EIngriffen und Patient*innen nach großen abdominalchirurgischen OPs konnte beispielsweise gezeigt werden, dass eine postoperative CPAP-Therapie die Anzahl an respiratorischen Komplikationen signifikant reduzieren konnte.
Wie und wie lange sollten OSAS-Patient*innen postoperativ überwacht werden?
Die periphere Sauerstoffsättigung sollte bis zum Erreichen einer normalen Sättigung (der Ausgangssättigung) unter Raumluft kontinuierlich überwacht werden, zusätzlich ist, falls vorhanden, eine Überwachung der Ventilation durch Brustwandimpedanzmessung oder Kapnographie empfehlenswert. Laut den aktuellen Empfehlungen sollte ein kontinuierliches Monitoring angewandt werden, bis kein erhöhtes Risiko mehr besteht. Zur wirklich spannenden Frage, wie lange das dauert. Hierzu gibt es keine ausreichenden Daten und daher auch keine konkreten Empfehlungen. Als kontinuierliches Monitoring geeignet scheint, sowohl eine Überwachung im Aufwachraum oder auf Intensivstation als auch auf Normalstation mit Telemetrie oder durch eine geschulte Sitzwache. Eine intermittierende Pulsoxymetrie bietet nicht dasselbe Maß an Sicherheit.
Von den großen Fachgesellschaften wird empfohlen, Patient*innen vor der Verlegung in eine Umgebung ohne kontinuierliches Monitoring ohne zusätzlichen Sauerstoff in einer ruhigen Umgebung, am besten schlafend hinsichtlich Apnoephasen zu beobachten. Sind sie in der Lage ihre Sättigung auf ihrem Ausgangslevel zu halten und bieten sie keine Apnoephasen, so scheint eine Verlegung relativ unkritisch.
Allerdings gibt es Studien, die ein erhöhtes Risiko vor allem nachts bis zum fünften postoperativen Tag gezeigt haben, weil es so lange dauert bis die Schlafarchitektur wiederhergestellt ist. Sowohl durch die Narkose, als auch durch die erhöhte Cortisolausschüttung durch den perioperativen Stress, kommt es zu einem verringerten REM-Schlaf in den ersten zwei postoperativen Nächten. Daraufhin kommt es in den postoperativen Nächten 3-5 zu einer massiven Zunahme der REM-Schlaf-Phasen (=REM-Schlaf-Rebound). Das ist für OSAS-Patient*innen besonders problematisch, weil durch den erhöhten Sympathikotonus während den REM-Schlaf-Phasen die OSAS-Symptome besonders ausgeprägt sind. In mehreren Studien waren postoperative Hypoxien und Myokardinfarkte in den postoperativen Nächten 2-5 am häufigsten. Trotz dieser Erkenntnisse ist es im klinischen Alltag kaum möglich OSAS-Patient*innen so lange kontinuierlich zu monitoren.
Patient*innen mit V.a. OSAS im präoperativen Screening oder mit beobachteten Apnoephasen z.B. im Aufwachraum sollten postoperativ einer ambulanten Polysomnographie und ggf. Therapie des OSAS zugeführt werden um Folgeerkrankungen zu vermeiden.
Was gibt es für Empfehlungen zur postoperativen Analgesie?
Zur postoperativen Analgesie sollten wenn möglich bevorzugt periphere Analgetika eingesetzt werden. Bei schmerzhaften Eingriffen sollte eine PCA der kontinuierlichen/ intermittierenden Opiatgabe (vor allem subcutan!) vorgezogen werden.
Punchlines
- OSAS ist bei chirurgischen Patient*innen häufig und unterdiagnostiziert
- OSAS Patient*innen haben häufig anästhesierelevante Komorbiditäten
- Es sollte IMMER ein vollständiges Monitoring etabliert werden
- OSAS Patient*innen haben ein erhöhtes Risiko für eine schwere Maskenbeatmung und Intubation
- Medikamente zur Prämedikation sollten bei OSAS-Patient*innen zurückhaltend eingesetzt werden
- medikamentöse Überhänge (Relaxantien/Opioide) sollten bei OSAS-Patient*innen strikt vermieden werden
- OSAS-Patient*innen benötigen trotzdem eine adäquate Analgesie!
- Regionalanästhesie Verfahren sollten bevorzugt werden
- Postoperativ sollten OSAS Patient*innen prolongiert überwacht werden (Ausgangssättigung unter Raumluft)
Autoren
Paula Hofstetter
Weiterbildungsassistentin Anästhesiologie, Neugier und Enthusiasmus sind größer als die klinische Erfahrung, mag schlechte Witze im Saal und die Berge, träumt vom Fliegen
Quellen
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Vielen Dank für den informativen und wichtigen Beitrag. Ich weiß, dass in die Vorbereitung sicher viel Mühe und Arbeit geflossen ist. Trotzdem die liebevolle Anmerkung: Der Beitrag wäre noch schöner anzuhören, wenn weniger Äh und Ähm vorkommen würden…
Hallo Sabine! Vielen Dank für deinen Kommentar! Ich werde in der nächsten Folge mein Bestes versuchen 😉 Liebe Grüße, Paula