Orale Prämedikation (präoperative Anxiolyse)

Du machst heute Narkose im unfallchirurgischen Saal. Deine geriatrische Patientin hat erfolgreich ihre Duokopfprothese implantiert bekommen und sollte eigentlich schon seit mehreren Minuten wieder aus der Narkose aufgewacht sein, allerdings will sie irgendwie nicht so richtig wach werden. Die letzte Opiatgabe ist schon lange her, das Gas (Dampf) ist raus und relaxiert ist die Patientin auch nicht mehr. Ein Blick aufs Narkosejournal zeigt: die Patientin hat am OP-morgen eine Prämedikation mit 10mg Tranxillium (Dikaliumclorazepat) bekommen. 

Du fragst dich: Brauchen wirklich alle Patient:innen vor operativen Eingriffen eine orale Prämedikation? Und welches ist das beste Medikament dafür? Und was ist eigentlich die Wirkdauer von Tranxillium (Dikaliumclorazepat)?

Im Gegensatz zur Evaluation der Patient:innen vor einer Narkose und dem Umgang mit der Hausmedikation gibt es zur oralen Prämedikation keine Empfehlungen der großen Fachgesellschaften. Die orale Prämedikation ist, insbesondere auch zwischen den verschiedenen Generationen Anästhesist:innen ein viel diskutiertes Thema. Wir haben versucht die wenige Evidenz, die es zu diesem Thema gibt und die pharmakologischen Medikamente, zusammen zu tragen und freuen uns das Thema mit euch zu diskutieren – und falls sich jemand berufen fühlt eine große Studie zu dem Thema zu machen, gerne her damit 😉

Grundsätzliche Überlegungen:

  • Ein operative Eingriff ist für fast alle Patient:innen eine Ausnahmesituation und damit angstbehaftet, für uns ist das hingegen Alltag, daher sollten wir nicht vergessen, den Patient:innen so gut wie möglich ihre Ängste zu nehmen.
  • Ein gutes Aufklärungsgespräch ist einigen Studien zufolge sogar effektiver als eine medikamentöse Prämedikation.
  • Im Rahmen des ERAS-Konzepts (enhanced recovery after surgery) wird keine standardmäßige anxiolytische Prämedikation mehr empfohlen.
  • Es gibt grundsätzlich zwei Zeitpunkte zur Verabreichung einer medikamentösen Prämedikation: am Vorabend der Operation zur Verbesserung der Schlafqualität und am Morgen der Operation, hierbei ist es wichtig die verschiedenen Anschlagzeiten und Wirkdauern der Medikamente zu beachten!

Nichtmedikamentöse Möglichkeiten der Anxiolyse

  • Musik vor und während der Narkoseeinleitung können prä- und postoperativ Angst und Schmerzen signifikant reduzieren (Kühlmann et al.).
  • Für positive Suggestionen vor Narkoseeinleitung konnte ebenfalls eine signifikante Schmerzreduktion und Reduktion des Opiatbedarfs postoperativ gezeigt werden. Präoperativ wurde der Faktor „Angst“ in dieser Studie nicht untersucht (Nowak et al.).
  • Zu anderen nichtmedikamentösen Optionen z.B. Videos, Videospiele etc. gibt es für Erwachsene keine Daten, bei Kindern konnte allerdings gezeigt werden, dass u.a. Videos, Videospiele sowohl die perioperative Angst, als auch postoperative Verhaltensauffälligkeiten signifikant reduzierten (Manyande et al.).

Anforderungen an ein gutes Prämedikationsmedikament:

  • gute Anxiolyse, Sedierung und Amnesie
  • nichtinvasiver Applikationsweg
  • kurze Anschlagzeit 
  • keine Beeinflussung des Atemantriebs und der Schutzreflexe

Vorteile der medikamentösen Prämedikation:

  • Anxiolyse/ Sedierung
  • ggf. Verbesserung des präoperativen Nachtschlafs
  • situationsabhängig zusätzlich: Analgesie, Vagolyse
  • laut einigen Quellen Reduktion des Risikos einer Awareness, insbesondere bei TIVA
  • Verminderung der Aspirationsgefahr durch Reduktion der Magensäureproduktion durch Stress
  • geringerer Bedarf an Einleitungsmedikamenten und dadurch Reduktion der Nebenwirkung der Narkosemedikamente
  • Reduktion von PONV (post-operative nausea and vomiting)
  • Reduktion der postoperativen Schmerzen durch die präoperative Sympathikolyse

Nachteile der medikamentösen Prämedikation: 

  • Es konnte gezeigt werden, dass eine medikamentöse Prämedikation die Patientenzufriedenheit und das Angstempfinden nicht verbessert
  • Die Extubationszeiten scheinen verlängert zu sein
  • Verzögerung der kognitiven Erholung, vermutlich insbesondere bei geriatrischen Patient:innen
  • Erhöhung des Aspirationsrisikos bei nicht nüchternen Patient:innen
  • Gefahr für Hypoventilation/ Hypoxie, auch postoperativ, insbesondere bei Patient:innen mit morbider Adipositas, OSAS (obstruktives Schlafapnoe-Syndrom), schwerer COPD, Myasthenien/ Myopathien

Infrage kommende Medikamente:

Benzodiazepine:

  • am häufigsten zur Prämedikaton eingesetzte Medikamente
  • größte therapeutische Breite aller zur Prämedikation eingesetzten Medikamente
  • je nach Art des Eingriffs (ambulant/ stationär) und Zeitpunkt der Applikation (Vorabend oder morgens vor der OP) sollte ein Medikament mit der entsprechenden Wirkdauer gewählt werden!
  • Wenn ihr Lust habt euch noch mal tiefer mit den Benzodiazepinen zu beschäftigen, können wir euch die Benzodiazepin-Folge des YUAN-Podcasts sehr empfehlen.  

Pharmakologische Grundlagen:

  • Wirkungsweise: Benzodiazepine sind GABAA-Agonisten 
    • Bindung an die alpha-Untereinheit des GABAA-Rezeptors (GABA = inhibitorischer Neurotransmitter) → GABA-Wirkung ↑  → Öffnungsfrequenz  der Chloridkanäle ↑ (GABA-Rezeptoren sind Chloridkanäle)  → Hyperpolarisation der Zellmembran  → Reduktion der neuronalen Erregbarkeit
  • Nebenwirkungen: Atemdepression, Muskelschwäche, Amnesie, erhöhtes Sturzrisiko, paradoxe Erregung insbesondere bei älteren Menschen, Abhängigkeit bei regelmäßiger Einnahme
  • Kontraindikationen für Prämedikation mit Benzodiazepinen: OSAS, schwere chronisch-obstruktive Atemwegserkrankungen, neuromuskuläre Erkrankungen

Wirkstoffe: nach https://www.springermedizin.de/emedpedia/die-anaesthesiologie/medikamentoese-praemedikation?epediaDoi=10.1007%2F978-3-662-45539-5_24

Wirkdauer (HWZ in Stunden)Dosierung (mg)
Kurzwirksam 
Midazolam (z.B. Dormicum)1-33,75-7,5
Triazolam (z.B. Halcion)2-30,125-0,25
Mittellang wirksam
Oxazepam (z.B. Adumbran)5-155-10
Lorazepam (z.B. Tavor)14-200,5-2
Lormetazepam (z.B. Noctamid)100,5-2
Temazepam (z.B. Remestan)8-1010-20
Bromazepam (z.B. Normoc)12-243-6
Langwirksam
Diazepam (z.B. Valium)20-405-10
Dikaliumclorazepat (z.B. Tranxilium)60-7010-40
Nitrazepam (z.B. Mogadan)28-315-10
Flunitrazepam (z.B. Rohypnol)15-250,5-1

Applikationswege: kann oral, i.v., i.m., rektal, nasal und sublingual verabreicht werden 

Z-Drugs (Benzodiazepin-ähnliche Substanzen):

Wirkstoffe: Zolpidem, Zopiclon, Zaleplon

  • Zugelassen für Ein- und Durchschlafstörungen, keine explizite Zulassung zur Prämedikation.

Pharmakologische Grundlagen 

  • Wirkungsweise:
    • binden an Benzodiazepin-ähnliche Bindungsstelle am GABAA-Rezeptor  → Wirkmechanismus wie Benzodiazepine
    • ausgeprägte sedative Wirkung, geringeres Abhängigkeitspotential als Benzodiazepine
    • weniger anxiolytisch und Antikonvulsiv als Benzodiazepine
    • Wirkdauer:
      • Zopiclon 5 Stunden
      • Zolpidem 2,4 Stunden
      • Zaleplon 1 Stunde
  • Nebenwirkungen/ Kontraindikationen: wie Benzodiazepine

α2-Agonisten:

Wirkstoffe: Clonidin, Dexmedetomidin

Pharmakologische Grundlagen:

  • Wirkungsweise: 
    • Alpha2-Agonist → bindet an präsynaptische alpha 2-Rezeptoren und hemmt dort die Freisetzung von Noradrenalin → vermindert den Sympathikuseinfluss auf die Erfolgsorgane durch Herabsetzen der Plasmakonzentration von Adrenalin und Noradrenalin.
    • Sedierung: Bindet an alpha2-Rezeptoren im Locus coeruleus, der in Groß- und Kleinhirnrinde, Hippocampus, Thalamus und Hypothalamus projiziert → setzt über die Stimulation der inhibitorischen alpha-2 Rezeptoren die Aktivität dieser übergeordneten Hirnareale herab.
    • Analgetischer Effekt: Die Wirkung ist unabhängig von den Opioid-Rezeptoren, vermutlich über die Stimulation von alpha2-Rezeptoren auf spinaler Ebene
  • Nebenwirkungen: Schwindel, orthostatische Hypotonie, Mundtrockenheit
  • Kontraindikationen: AV-Block II. und III. Grades, Bradykardie, depressive Störung in der Anamnese (kann zu akuter Suizidalität führen!!), Hypotonie

Wirkstoffe:

  • Clonidin:
    • der maximale Plasmaspiegel wird nach oraler Prämedikation mit Clonidin nach 60-90 Minuten erreicht, die Eliminationshalbwertszeit beträgt 6-23h
    • Die Datenlage zu Clonidin ist uneinheitlich:
      • Clonidin scheint dem Midazolam in der Anxiolyse (fast) gleichwertig, jedoch sicher besser als Placebo zu sein (Zalunardo et al., Frank et al.).
      • Clonidin scheint in der Prävention von PONV gleichwertig oder besser als Midazolam zu sein (Zalunardo et al. , Grottke et al. ).
      • Zur Frage, ob Clonidin die postoperative Analgesie verbessert und den Opiatverbrauch senkt, widersprechen sich die Studien (Grottke et al., Alparslan et al.).
      • Ebenso zur Frage, ob die Sympathikolyse und dadurch gedämpfte Stressantwort bei der Intubation oder schmerzhaften Prozeduren zu einer Reduktion der perioperativen Myokardischämien führt (Deveraux et al.).
      • In vielen Studien zeigt sich keine signifikant stärkere Beeinflussung der Hämodynamik durch Clonidin, in der Studie von Deveraux et al. kam es jedoch unter Clonidin zu mehr relevanten Blutdruckabfällen und (nichttödlichen) Herz-Kreislauf Stillständen.
      • Eine Prämedikation mit Clonidin scheint bei Kindern die Rate des postoperativen Delirs und von Verhaltensauffälligkeiten zu reduzieren Souhayl et al. , ob das z.B. auf eine geriatrische Population mit erhöhter Delirneigung übertragbar ist, wurde bisher nicht untersucht.
    • Clonidin scheint insbesondere gut zur Prämedikation (ehemals) drogenabhängiger Patient:innen geeignet zu sein.
    • Dosierungsvorschlag: 5µg/kgKG bei Erwachsenen bis 70 Jahre, 3µg/kgKG bei Erwachsenen über 70 Jahre.
  • Dexmedetomidin:
    • bisher nur i.v. / i.n. verfügbar und nur für die Sedierung von Intensivpatient:innen zugelassen.
    • Es gibt bisher keine Daten zur Verwendung in der Prämedikation Erwachsener Patient:innen.
    • Bei Kindern konnte eine bessere Wirkung von i.n. Dexmedetomidin gegenüber Midazolam bei der Trennung von den Eltern gezeigt werden, es scheint jedoch eine weniger tiefe Sedierung als Midazolam zu machen (Jun et al.).

Opioide:

  • Eine Prämedikation mit Opioiden ist nicht mehr zeitgemäß, bei Schmerzen sollte eine adäquate Schmerztherapie erfolgen.
  • Retardierte Opiate z.B. Oxycodon werden im Rahmen einer multimodalen Schmerztherapie im Rahmen des ERAS (enhanced recovery after surgery) Konzepts manchmal bereits präoperativ verabreicht, diese dienen aber in erster Linie der postoperativen Analgesie und nicht der Anxiolyse.

Barbiturate:

Früher zur Barbiturate zur Prämedikation verwendet, heutzutage ist dieses Konzept nicht mehr verbreitet.

Pharmakologische Grundlagen:

  • hypnotisch-sedierend und antikonvulsiv, NICHT anxiolytisch!
  • lange Wirkdauer
  • geringere therapeutische Breite als Benzodiazepine

Antipsychotika (Neuroleptika):

Wirkstoffe: am häufigsten eingesetzt werden Promethazin (und Chlorprothixen), da es als niedrigpotentes Antipsychotikum fast ausschließlich sedierend und nur wenig antipsychotisch wirkt.

  • früher häufig zur Prämedikation eingesetzt 
  • aufgrund zahlreicher Nebenwirkungen heutzutage nicht mehr so weit verbreitet

Pharmakologische Grundlagen:

  • Wirkungsweise: Dopaminantagonismus am D2-Rezeptor, zusätzlich antihistaminerg am Histamin H1-Rezeptor und anticholinerg
  • Maximale Wirkumg 1,5 bis 3 Stunden nach Applikation, Wirkdauer 10-12 Stunden 
  • Nebenwirkungen: anticholinerge Nebenwirkungen, Senkung der Krampfschwelle, Extrapyramidal-motorische Störungen (EPS), QT-Zeit-Verlängerung, malignes neuroleptisches Syndrom
  • Kontraindikationen: anamnestisch malignes neuroleptisches Syndrom, M. Parkinson, QT-Zeit Verlängerung, Schwere Hämatologische Erkrankung, Epilepsie, Prostatahyperplasie, Glaukom

Ketamin:

Pharmakologische Grundlagen: 

  • Wirkungsweise: 
    • nichtkompetitive Hemmung von  NMDA-Rezeptoren, außerdem auch Wirkung an Nicht-NMDA-, Opioid-, nikotinergen Acetylocholin- und monoaminergen Rezeptoren 
    • macht Analgesie und dissoziative Anästhesie
    • Sedierung bei erhaltenen Schutzreflexen, jedoch kein sicherer Schutz vor Mikroaspiration
  • Pharmakokinetik:
    • Wirkeintritt nach ca. 30-60s
    • Wirkdauer: ca. 10-15 min
  • Applikationswege: oral, nasal, rektal, i.v., i.m.
  • Kontraindikationen:
    • Hypertension, Tachykardie, KHK/ höhergradige Aortenklappenstenose, erhöhter Hirndruck/ intraokulärer Druck, Eingriffe an den oberen Atemwegen
  • Es gibt keine Studien, die die Prämedikation mit Ketamin bei Erwachsenen untersucht haben.
  • Bei Kindern ist die Prämedikation mit i.n. Ketamin eine gängige Methode, die gut toleriert wird, sicher ist und bei Venenpunktion eine adäquate Analgesie bietet (Poonai et al.).
    • Dennoch gibt es auch bei Kindern bislang keine Studien, die Ketamin mit Midazolam vergleichen. 

Melatonin:

Pharmakologische Grundlagen:

  • Nach oraler Einnahme wird die höchste Plasmakonzentration nach ca. 60 Minuten erreicht, die Wirkdauer beträgt ca. 4 Stunden.
  • Studien mit Kindern als Probanden zeigen, dass Melatonin eingesetzt im Rahmen der Prämedikation, Midazolam bezüglich Anxiolyse und Sedierung präoperativ gleichwertig ist, und zu einer schnelleren kognitiven Erholung und weniger postoperativem Delir und Agitation führte, als Midazolam (Impellizzeri et al.).
  • Zur Anwendung bei Erwachsenen gibt es keine Studien.

Weitere Medikamente:

Prämedikation mit nicht anxiolytischen Medikamenten: es gibt eine Reihe von Medikamenten, die aus weiteren Gründen bereits im Vorfeld einer Operation verabreicht werden können:

  • Medikamente zur PONV Prophylaxe
  • Tranexamsäure
  • NSAR und Oxycodon im Rahmen eines multimodalen Schmerzkonzepts
  • PPIs als Aspirationsschutz
  • Antacida (z.B. Natriumcitrat) vor Sectio caesarea

Fazit

Es gibt zur oralen Prämedikation bei Erwachsenen also nur wenig belastbare Daten und auch keine Empfehlungen der großen Fachgesellschaften, weshalb sich unser Handeln größtenteils auf pharmakologische Überlegungen, Eminenz (das wurde bei uns immer so gemacht, deshalb machen wir das weiter so… ) und Daten aus der Kinderanästhesie stützt. Wegen der fehlenden Daten ist es schwierig einheitliche Aussagen zu treffen, es gibt aber einige Dinge, die man sich vor der Verordnung einer oralen Prämedikation überlegen sollte:

  1. Braucht mein:e Patient:in überhaupt eine orale Prämedikation? Häufig wollen/ brauchen Patient:innen gar keine Prämedikation, sollten sie explizit danach fragen, bietet es sich an die Patient:innen zu fragen, ob sie mit einem der Medikamente schon gute Erfahrungen gemacht haben (viele kennen z.B. Tavor) und dann dieses Medikament zu verordnen.
  2. Was ist die Pharmakokinetik und -dynamik des Medikaments, dass ich verordnen möchte? Und wann ist entsprechend der richtige Zeitpunkt für die Applikation? Bekommen Patient:innen langwirkame Medikamente, wie das Tranxillium in unserem Fallbeispiel am OP-Morgen, entfaltet es seine Wirkung erst zur Ausleitung, als Schlafmedikament am Vorabend wäre es aber sicher sinnvoller eingesetzt. Das gleiche passiert regelhaft, wenn Patient:innen ihr Midazolam direkt vor Abfahrt in den OP bekommen: vor der OP erfahren sie keine ausreichende Anxiolyse, postoperativ entfaltet sich dann die vollständige Wirkung des Medikaments. Prämedikation ist also nicht nur eine Frage des Medikaments sondern auch des Timings.
  3. Welches ist das richtige Medikament für wen? Aufgrund des Nebenwirkungsprofils sind für unterschiedliche Patient:innen verschiedene Medikamente besser und schlechter geeignet. Deshalb lohnt es sich, sich über die Prämedikation individuell Gedanken zu machen. Weil es dazu keine Evidenz gibt, basieren diese Überlegungen leider nur auf den Nebenwirkungsprofilen und pharmakologischen Überlegungen.
  4. Prämedikation mit Benzodiazepinen bei älteren Patienten vermeiden! Die Gabe von Benzodiazepinen zu einer verlängerten Aufwachzeit und einer verzögerten kognitiven Erholung, sodass davon ausgegangen werden kann, dass die Raten von perioperativen Komplikationen bei älteren Patienten noch höher liegen dürften. Die Europäische Anästhesiegesellschaft schlägt im Rahmen einer Delirprävention vor, die Benzodiazepinprämedikation nur noch bei ängstlichen Patienten vorzunehmen.
  5. Diskutiert mit euren Kolleg:innen! Fragt mal eure Kolleg:innen, was sie verordnen und warum. Vielleicht haben sie sich schlaue Gedanken gemacht oder Dinge ausprobiert und ihr könnt von ihren Erfahrungen profitieren. Diskutiert dieses Thema sehr gerne in den Kommentaren, auf Twitter oder wo auch immer mit uns! Wir freuen uns sehr von eurer Schwarmintelligenz zu lernen! 

Autoren 

Paula Hofstetter

Weiterbildungsassistentin Anästhesiologie, Neugier und Enthusiasmus sind größer als die klinische Erfahrung, mag schlechte Witze im Saal und die Berge, träumt vom Fliegen

Dr. med. Thorben Doll

Arzt in Weiterbildung Anästhesiologie, aktiver Notarzt, lernte die Notfallmedizin von der Pike auf kennen, präklinische Erfahrung 18 Jahre und Gründer von Pin-Up-docs.de

PDF:

Quellen:

BOA.Coach

https://www.springermedizin.de/emedpedia/die-anaesthesiologie/medikamentoese-praemedikation?epediaDoi=10.1007%2F978-3-662-45539-5_24

Tonner, Hein: Pharmakologie in der Anästhesie und Intensivmedizin

https://www.springermedizin.de/emedpedia/die-anaesthesiologie/benzodiazepine-in-der-anaesthesiologie?epediaDoi=10.1007%2F978-3-662-45539-5_16

https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/s-2002-20395

https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/s-2003-45396

https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs00101-007-1208-7

https://www.pharmawiki.ch/wiki/index.php?wiki=Z-Drugs

https://next.amboss.com/de/article/AN0Rdg?q=atypische%20neuroleptika#Y72e16d9ea7e3220a133f1da39612c33f

https://www.cochranelibrary.com/cdsr/doi/10.1002/14651858.CD006447.pub3/epdf/full

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5 Kommentare

  • Hallo Paula, hallo Thorben,

    danke für den ausführlichen Artikel zur Prämedikation. Natürlich habe ich dazu ein paar Gedanken:-)
    1. Völlig richtig, menschliche Zuwendung ersetzt eine medikamentöse Anxiolyse, weshalb die Prämedikation in Neuseeland so gut wie nicht verwendet wird. Funktioniert wirklich sehr gut, wenn der Patient bis zur OP Schleuse von einer „Support Person“ begleitet wird.
    2. Weil Benzos Delir machen, wird bei Helios so gut wie überall auf Prämedikation verzichtet. Funktioniert tatsächlich auch ohne „Support person“ gut.
    3. Die Gabe eines Benzos als Prämedikation schützt _nicht_ vor Awareness. Das ist ein Irrglaube, und wie ich bei meiner eigenen Awareness bestätigen kann. Darüber können wir gerne auch mal sprechen:-) „Anästhesist hat Awareness.“ Weder die 20 mg Tranxilum am Vorabend, noch die 7,5 mg Midazolam 30 min vor Abruf haben daran an dem sehr klaren Recall mit Relaxierung bei mir etwas geändert…
    https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/17900013/
    https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4384412/

    4. Bei den Angelsachsen ist die Gabe von Midazolam direkt vor der Einleitung i.v. gelegentlich verbreitet. Da gerne in einer 5 ml Spritze aufgezogen, sind gut ein Drittel der Awareness Fälle nicht intraoperativ, sondern „Awake Paralysis“ bei Spritzenverwechselung mit einem Muskelrelaxans _vor_ der Einleitung. Auch nicht schön.
    https://pubs.asahq.org/anesthesiology/article/90/4/1053/37978/Awareness-during-Anesthesia-A-Closed-Claims

    Viele Grüße

    Mark

    • Thorben Doll

      Hey Marc,

      super spannend. Das werden wir selbstverständlich erwähnen und in den Artikel einarbeiten.

      Bitte immer weiter so zielführende Kommentare!

      Liebe Grüße

      Thorben

    • Barbara

      Hallo zusammen,

      sehr spannendes Thema, über das sich vermutlich jeder in der Prämed Ambulanz schon Gedanken gemacht hat. Das Beispiel mir der geriatrischen Patientin, die einfach nicht so richtig wach werden will nach 10 mg Tranxilium oder Midazolam kennt man sicher auch. Da hab ich mich gefragt, wie das eigentlich mit Flumazenil-Gabe so wäre. Könnte man das in dem Fall machen, oder spricht da was klar dagegen? Hat jemand Erfahrung damit?
      Grüße Barbara

      • Thorben Doll

        Hallo Babara,

        meiner Erfahrung nach funktioniert Flumazenil im Rahmen eines Narkoseüberhangs durchaus. Diese Wirkung schreibe ich hauptsächlich der Wirkung auf die medikamentöse Prämedikation zu. Allerdings muss man hier die unterschiedlichen Halbwertzeiten beachten, die zu einem Rebound Effekt führen können.

        Flumazenil (60 min – Wirkdauer ca. 2h)
        Midazolam (2,5 h – Wirkdauer 3-6h)
        Tranxilium 48h

        Liebe Grüße

        Thorben

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