Akutmanagement VAD (Ventricular Assist Device)

Konstruieren wir mal ein Horrorszenario: Ihr sitzt in eurer Notaufnahme, auf eurem RTW/NEF oder auf eurer Intensivstation; halt dort wo ihr regelmäßig euren Dienst verseht und durch eure Türen kommt ein 70-jähriger, somnolenter Patient gerollt.

Das ist nichts Besonderes? Auch wenn der Patient keinen tastbaren Puls hat?

Immer noch Alltagsgeschäft? Auch wenn Kabel aus seiner Brust kommen?

Für alle die, die an einem Zentrum arbeiten und sich tagtäglich mit VAD (Ventricular Assist Device) auseinandersetzen, ist dieser Artikel wahrscheinlich sterbenslangweilig. Wir arbeiten nicht an einem solchen Zentrum und für alle die das auch nicht tun, haben wir versucht, die wichtigsten Kernpunkte im Akutmanagement solcher Patienten zusammenzutragen und einen einfachen Handlungsalgorithmus zu entwickeln.

Vorweg sei gesagt, dass es wenig Evidenz auf diesem Sektor gibt. Alle Handlungsempfehlungen entstammen der Erfahrung weniger Zentren und Expertenmeinungen. Dieser Artikel beruht hauptsächlich auf englischsprachigen #FOAMed Quellen und der SOP eines deutschen Schwerpunktversorgers, die uns freundlicherweise vom Autor zur Verfügung gestellt wurde (Danke Timmo).

Grundlagen

Die Schätzungen gehen auseinander, aber wir können in Deutschland jährlich von ca. 150.000 Toten aufgrund einer Herzinsuffizienz ausgehen. Die Herztransplantation stellt den Goldstandard in der Therapie im Rahmen einer fortgeschrittenen Herzinsuffizienz dar. Allerdings werden in Deutschland jährlich nur ca. 300 Herzen transplantiert und eine Steigerung dieser Zahlen ist bei tendenziell eher sinkenden Spenderzahlen nicht zu erwarten. Man muss kein Mathegenie sein um zu merken, dass hier eine gewaltige Lücke klafft. (Stiefelhagen 2016)

Um diese Lücke zu schließen werden seit ca. 25 Jahren mechanische Herzunterstützungssysteme entwickelt. Eine Entwicklungslinie sind die Kunstherzen oder TAH (total artificial heart), bei denen das komplette natürliche Herz durch eine Pumpe ersetzt wird. Diese Systeme sind sehr risikobehaftet (Embolien, mechanische Defekte), sodass sie sich nie flächendeckend durchgesetzt haben.

Durchgesetzt haben sich hingegen sogenannte Ventricular Assist Devices (VAD). Die jeweils zu unterstützende Herzkammer wird mittels einer elektromagnetischen Turbine unterstützt. (Verzeiht mir wenn ich in Gedanken gerade bei Terminator bin: „Hasta la vista, Baby!“ – ach wie schön ist eine Kindheit in den 80ern)

„Sie wählen Ihr Herz!“

Robocop – 1987

Je nach zu unterstützter Herzkammer unterscheiden wir:

  • Left Ventricular Assist Devices (LVAD) – zur linksventrikulären Unterstützung
  • Right Ventricular Assist Devices(RVAD) – zur rechtsventrikulären Unterstützung
  • Bi Ventricular Assist Devices (BiVAD) – zur biventrikulären Unterstützung

Mit Abstand am häufigsten werden euch allerdings, gerade im ambulanten Bereich, LVAD-Systeme zur Unterstützung des linken Ventrikels begegnen.

Man unterscheidet bei der VAD-Therapie drei Therapieziele:

  • „bridge to transplant“ – das heißt, der Patient wartet (evtl. vergeblich) auf ein Spenderorgan
  • „bridge to recovery“ – das heißt, der Patient und seine behandelnden Ärzte warten auf die Erholung seines Herzmuskels
  • „destination therapy“ – das heißt, dass die mechanische Unterstützung die endgültige Lösung darstellt

Derzeit werden in Deutschland jährlich ca. 1000 LVAD-Systeme implantiert. Dabei leben 50% der Patienten länger als 5 Jahre mit einem solchen Device. Auch hier kann sich jeder leicht ausmalen, dass die Anzahl der so versorgten Patienten über die nächsten Jahre massiv ansteigen wird, sodass die Implantationszentren in der Nachsorge und Weiterversorgung an ihre Grenzen gelangen werden. (Lenzen-Schlute 2016)

Technische Grundlagen

Stark vereinfacht besteht ein VAD aus 2 Komponenten:

  1. Einer elektromagnetischen Pumpe, die im und am Herzen des Patienten implantiert ist.
  2. Einer Steuereinheit mit Akkus, die der Patient meist in einer Tasche / einem Rucksack mit sich herum trägt.

Die Pumpe saugt bei linksventrikulärer Unterstützung (LVAD) Blut durch eine apikal in den linken Ventrikel eingebrachte, starre Inflow-Kanüle an und fördert dieses zu einem in der Aorta ascendens vernähten Outflow-Graft. Verbunden werden Pumpe und Steuereinheit über eine sogenannte Driveline, die die beiden Komponenten miteinander verbindet (man wundert sich, dass die EU noch nicht auf die Idee gekommen ist, diesen Stecker zu normieren!). Die Driveline wird in der Regel abdominell / epigastrisch aus dem Patienten ausgeführt. Die Steuereinheit ist ein Computer, der die Pumpe überwacht. Wie bei jedem vernünftigen Computer (und insbesondere bei jedem medizinischen Gerät) kann die Steuereinheit (ziemlich laut) piepen und mittels Textnachrichten mit uns kommunizieren. An die Steuereinheit konnektiert sind in der Regel zwei Akkus. In einer weiteren, separaten Tasche hat der Patient (hoffentlich) zusätzliche Reserve-Akkus, das Akku-Ladegerät, eine Ersatz-Steuereinheit und ggf. ein Stromkabel für die Steckdose (habt ihr jetzt auch diesen einen Kollegen im Kopf, der immer vergisst, das Diensttelefon zu laden?). Bei derzeitigem Stand der Technik ist von einer Akku-Laufzeit von 4-6 h je Akku auszugehen. Außerdem befindet sich, oder besser, außerdem sollte sich in dieser Tasche ein kleines Büchlein mit einer Kurzanleitung und Notfallrufnummern (Hotlines VAD-Kardiotechniker und VAD-Arzt des betreuenden Zentrums). Versorgt ihr einen Patienten mit LVAD präklinisch und wird ein Transport notwendig, so denkt bitte auch daran, dass unbedingt das komplette Equipment mitgenommen werden muss. (Klar, das verstößt hart gegen den lange verinnerlichten Rettungsdienst-Kodex, wissen wir auch, hilft aber nix, alles muss mit!)

So komplex dieses System wirkt, am Ende sind alle auf dem Markt erhältlichen Geräte nicht intelligent und arbeiten mit einer festgelegten Drehzahl. Eine Änderung dieser ist ohne entsprechende Hardware (und bestenfalls einen Kardiotechniker) nicht möglich.

Derzeit sind in Deutschland nur Pumpen im Einsatz, die einen kontinuierlichen Fluss erzeugen. Die aktuelle Generation von Pumpen mit kontinuierlichem Fluss zeigt ein besseres Outcome und weniger Komplikationen als Pumpen mit pulsatilem Fluss, diese werden daher aktuell nicht mehr genutzt. Neue Generationen von pulsatilen Devices befinden sich in Entwicklung.

Der Unterschied zwischen kontinuierlichen und pulsatilen Pumpen (unser „echtes“ Herz ist im übrigen auch eine pulsatile Pumpe) ist (vereinfacht gesprochen), dass die kontinuierlichen Pumpen auch in der Diastole einen Flow erzeugen. (Ja ja, durch die Windkesselfunktion der Aorta entsteht auch bei pulsatilen Pumpen… ihr wisst was ich meine).

In eurem Alltag werden euch wahrscheinlich die derzeit in Deutschland am häufigsten implantierten Systeme begegnen:

  • HeartWare HVAD
  • HeartMate II
  • HeartMate 3

Untersuchung

Initiale Untersuchung

Das waren jetzt ganz schön viele (neue) theoretische Infos. Kommen wir zu dem etwas praktischeren Teil und der Frage: Was mache ich mit diesem Cyborg-Patienten wenn er vor mir liegt?

Zunächst einmal: Ruhe bewahren ! – oder getreu dem Motto von uns (und dem „Hitchhikers Guide to the Galaxy“) Don’t Panic ! Die Patienten sind meistens durchaus robuster, als man vielleicht annehmen mag.

Zu Anfang ist es nämlich erfrischend einfach und gewohnt: Wir machen ABC… und bei Airway und Breathing ändert sich nicht einmal was.

Bei C wird es spannend.

Circulation

Eine Pulskontrolle macht zunächst einmal wenig Sinn, da ein fehlender Puls nicht heißt, dass der Patient keinen Kreislauf hat. Eine manuelle Blutdruckmessung kann, muss aber nicht klappen. Was also tun?

Wir brauchen andere Marker, die uns Auskunft für eine ausreichende Perfusion geben:

  • Rekap. Zeit
  • Hautfarbe und -temperatur
  • mentaler Status

Zunächst einmal brauchen wir Struktur, besonders wenn wir nicht tagtäglich mit solchen Geräten arbeiten.

Inspektion der Steuereinheit: Wie bereits oben erwähnt, sind die Steuereinheiten in der Lage, akustische Alarme zu erzeugen und kurze Textinhalte darzustellen. Die akustischen Alarme sind sehr laut und nicht einfach (wie etwa am Überwachungsmonitor) zu quittieren oder stumm zu stellen. Im Alarmfall weist der Textinhalt auf das vorliegende Problem hin und liefert auch gleich einen Lösungsvorschlag mit (z.B. „Batterie 1 kritisch -> Batterie 1 wechs / Fluss niedrig -> Anrufen / Steuerein. defekt -> Steuerein. tausch / VAD gestoppt -> Verb-Kabel anschl.“). Die Kombination eines durchgehenden, sehr lauten Alarmtones in Verbindung mit meist rot hinterlegten Textinhalten weist auf schwere Systemeinschränkungen bis zum Totalausfall hin. Gibt die Steuereinheit weder akustische Alarme noch Alarmsignale am Display von sich (und ist nicht komplett tot), darf man von einer regelrechten Gerätefunktion ausgehen.

Auskultation: Die elektrischen Pumpen geben Geräusche von sich. Nehmt also einmal euer Stethoskop zur Hand und überprüft ob die Pumpe noch arbeitet.

Driveline: Wie bei der IT – Service Hotline: „Sind Sie sicher, dass alle Kabel korrekt verbunden sind?“ Also Schaut euch die Driveline an. Sind die Kabel korrekt mit der Steuereinheit verbunden? Sind die Kabel beschädigt?

Batterien: Hat das Gerät Strom? Hat der Patient Ersatzakkus dabei? Ist der Akkustand ausreichend oder muss ggf. gewechselt werden? Ist ein Stromkabel verfügbar, kann dieses anstelle eines der Akkus verbunden werden, das hält euch dann hinsichtlich Power erstmal den Rücken frei. CAVE: Die Akkus werden immer nacheinander und nie gleichzeitig getauscht, niemals dürfen beide Stromquellen gleichzeitig getrennt werden.

Steuereinheit im Regelbetrieb: Jetzt gucken wir uns die Steuereinheit genauer an: Hier finden wir im regelhaften Betrieb Informationen zu RPM (Rotations per Minute) und Flow.

  • Der Flow ist die Blutmenge, die das Gerät pro Minute bewegt. Diese Zahl sollte je nach Patient und Gerät zwischen 4 und 7 (8) Litern liegen.
  • Die richtige RPM Zahl ist je nach Geräte-Typ unterschiedlich. Ihr solltet sie euch aber für euer Telefonat mit dem LVAD-Zentrum merken.
GerätFlow (l/min)RPM
HeartWare HVAD4-72500-2900
HeartMate II3-88600-9800
HeartMate 33-65000-6000

Bitte verschwendet nicht zu viel Hirnschmalz darauf euch diese Zahlen zu merken, wir möchten lediglich ein Gefühl für die Größenordnungen vermitteln.

Genau wie auch sonst bei ABCDE sollten erkannte Probleme auch sofort behandelt werden. Das heißt wenn der Patient keine Lebenszeichen hat und das LVAD nicht arbeitet bzw. ihr es nicht durch Reconnection der Driveline oder Herstellung der Stromversorgung wieder in Gang bekommen könnt, beginnt ihr mit kardiopulmonaler Reanimation nach den gültigen Guidelines (incl. Medikamentengabe und Defibrillation). Natürlich besteht das Risiko, dass ihr das Device heraus reißt oder mit der Kanüle den Ventrikel aufschlitzt, aber was sind die Alternativen? Wenn ihr also nicht die Möglichkeit einer Notfall-ECMO habt, bleiben Thoraxkompressionen seine und eure einzige Chance. Außerdem gab es eine kleine Studie mit 8 LVAD-Patienten, die Thoraxkompressionen erhielten. In keinem Fall kam es zu einer Verletzung durch das LVAD und 4 von 8 Patienten überlebten (Shinar Z et al.).

Könnt ihr keine Funktionsstörung feststellen und die Steuereinheit zeigt einen Flow an, begeht keinen Fixierungsfehler! Auch Cyborgs haben noch menschliche Organe, die Probleme machen können. Und diese Probleme sind weitaus häufiger als Probleme mit dem Device. Also weiter im Alphabet…. und vergesst den Scheiß Blutzucker nicht!!!

Erweitertes Monitoring

Blutdruck

Wie schon erwähnt ist es gut möglich, dass die Patienten aufgrund des laminaren Flusses der Pumpen keinen tastbaren Puls haben. Ohne Puls ist auch die Blutdruckmessung schwierig, eine palpatorische Messung gelingt nur bei etwa 3% der Patienten. Besonders mit ozillometrischen Blutdruckmanschetten kann es möglich sein, einen Blutdruck zu ermitteln. Dieser sollte aber in jedem Fall einer Plausibilitätskontrolle unterzogen werden. Eine plausible oszillometrische Messung gelingt immerhin in etwa 50% der Fälle. Der Versuch einer Messung sollte also definitiv erfolgen.

Alternativ besteht die Möglichkeit einen Blutdruck mittels Farb- oder Dopplersonografie zu ermitteln. #POCUS

Generell sollte bei diesen Patienten großzügig eine Arterie gelegt werden. Auch dabei tritt das Problem des schwachen oder fehlenden Pulses auf, sodass ihr euch auch hier ein Ultraschallgerät zur Hilfe holen solltet.

Richtet eure Therapie am MAD (mittleren arteriellen Druck) aus. Dieser sollte optimalerweise zwischen 70 und 80 mmHg liegen. Die kritische Untergrenze liegt ungefähr bei 60 mmHg. Der systolische Blutdruck sollte auf Dauer 100 mmHG nicht übersteigen.

VAD-Systeme sind nachlastsensibel. Die Pumpen arbeiten anhand spezifischer und für das jeweilige Modell fest definierter Druck-Volumen-Kurven. Vereinfacht gesagt definiert sich der Fluss aus der eingestellten Drehzahl sowie der Druckdifferenz zwischen Vor- und Nachlast. Aus diesem Grund können bei normalen Patienten in der Notfallsituation regelhaft tolerierte systolische Blutdruckwerte beim LVAD-Patienten empfindliche Auswirkungen auf den Pumpenfluss und das Befinden des Patienten haben. Hier einen festen Grenzwert anzugeben entbehrt jeglicher Empirie, auf dieses Problem sind wir allerdings schon zu Beginn eingegangen. Um dennoch etwas Halt für die Praxis liefern zu können, sollte aus unserer Sicht bei einem symptomatischen LVAD-Patienten ab einem systolischen Blutdruck von 140mmHg aufwärts eine vorsichtige Senkung mit (fraktioniertem) Urapidil erfolgen. Nitro-Präparate verbieten sich aufgrund der ausgeprägten Vorlastsenkung.

SpO2

Bei der SpO2 haben wir leider das gleiche Problem wie mit dem Blutdruck: Je laminarer der Blutfluss, desto schlechter kann eine SpO2-Kurve abgeleitet werden und umso unsicherer sind die ermittelten Werte. Also bitte auch hier: Plausibilitätscheck. (Papa Schlumpf wird keine 96% Sättigung haben)

EKG

Nach Blutdruck und SpO2 sollten wir unser Monitoring vervollständigen. Dazu gehören sowohl eine EKG-Überwachung, als auch ein 12-Kanal-EKG. Das EKG ist in den meisten Fällen stark von Artefakten überlagert. Das rührt wahrscheinlich daher, dass im Myokard eine elektromagnetische Pumpe steckt.

Aufgrund des Blutflusses, der von der Pumpe sichergestellt wird, können maligne Rhythmusstörungen symptomatisch sein, sie müssen es aber nicht. Bei einem asymptomatischen Patienten bleibt euch Zeit, Rücksprache mit einem Experten zu halten.

Defibrillation / Kardioversion

Ein instabiler Patient mit einem schockbaren Rhythmus (VT/Kammerflimmern) muss defibrilliert werden. Außerdem solltet ihr je nach hämodynamischer Relevanz auch Amiodaron als Alternative erwägen. Besteht nur eine leichte Symptomatik, sollte die Rhythmisierung auch bei malignen Rhythmusstörungen erst in der Zielklinik erfolgen und ein TEE (Schluck-Echo) vorgeschaltet werden.

Initiale Therapie

Generell läßt sich sagen: LVADs lieben Volumen. Das erste was ihr diesen Patienten ohne weitere Diagnostik anbieten könnt ist ein venöser Zugang (und vergesst den Scheiß Blutzucker nicht) und ein Volumenbolus (500ml – 1000ml). Mit einer guten Wahrscheinlichkeit führt das bereits zu einer Besserung des Zustandes, denn eine sehr häufige Komplikation ist die Hypovolämie und das ggf. durch sie bedingte „Ansaugen“ der Inflow-Kanüle an die Wand des linken Ventrikels mit dann logischerweise reduziertem Pumpenfluss. Eine Verschlechterung ist sehr unwahrscheinlich.

LVAD-Zentrum

Nun habt ihr euch ein erstes Bild von dem Patienten gemacht und habt wenigstens einige Eckdaten, die ihr in einem Gespräch mit einem LVAD-Experten benutzen könnt. (Es gibt doch nichts Peinlicheres als diese Telefonate, in denen man schon die erste und einfachste Frage nicht beantworten kann.) Schaut also in die LVAD-Tasche des Patienten, hier sollte eine Notfallnummer hinterlegt sein. Im Zweifel wendet euch an das LVAD-Zentrum eures Vertrauens.

Durchatmen. Die Notfallversorgung ist besprochen und wenn ihr diese Schritte berücksichtigt, kommt ihr höchstwahrscheinlich durch die erste Zeit, bis ihr jemanden am Ohr habt, der wirklich Ahnung von Cyborgs hat. Auch präklinisch seid ihr mit diesen Maßnahmen gut aufgestellt. Wenn euch mehr nicht interessiert, könnt ihr hier aufhören zu lesen. Wir möchten euch aber noch ein paar Ideen für die weiterführende Diagnostik und Therapie an die Hand geben, getreu dem Motto: „Haben ist besser als Brauchen!“

Erweiterte Diagnostik und Therapie

An diesem Punkt gelangen wir an einen Scheideweg. Die Patienten, die einen adäquaten LVAD-Flow und einen MAD > 60 (70) mmHg aufweisen, haben höchstwahrscheinlich kein Problem mit ihrem Blutfluss. Es ist eher wahrscheinlich, dass ein anderes Endorgan eine Pathologie aufweist, zum Beispiel das Gehirn durch ein thrombembolisches Ereignis, eine Pneumonie oder eine metabolische Entgleisung (vergesst den Scheiß Blutzucker nicht!!!).

Habt ihr allerdings einen inadäquaten Flow oder einen zu niedrigen MAD ausgemacht, müssen wir hier weiter schauen. Besteht keine therapiebedürftige Herzrhythmusstörung oder hypertensive Entgleisung ist es an der Zeit, sich ein Bild vom Volumenstatus des Patienten zu machen. Richtig: #POCUS. Außerdem sollten wir den Patienten mit einem Dauerkatheter versorgen um die Urin-Menge und somit einen nicht unwesentlichen Teil der Nierenfunktion zu überwachen.

Echokardiogafische Befunde:

Echokardiographie stellt bei LVAD-Patienten durchaus eine Herausforderung dar, schließlich streckt der Cyborg Euch dort, wo wir eine Herzspitze erwarten würden, eine schalldichte Front aus Titan entgegen. Differenzierte Diagnostik erfordert Erfahrung, eine Beurteilung der Ventrikeldimensionen sollte euch aber in atypischen Anlotungen oder von subcostal auch dann gelingen, wenn ihr diese nicht habt.

Schmaler rechter Ventrikel:

Wir haben offensichtlich eine zu niedrige Vorlast. Um dieses Problem weiter einzugrenzen, stellt sich die Frage, ob der Flow des LVADs hoch oder niedrig ist.

Bei niedrigem Flow liegt eine Hypovolämie vor. Die Frage, die sich jetzt noch stellt: fehlt nur Flüssigkeit oder fehlt Blut? Sehen wir sonographisch eine schmale IVC und der Patient erscheint trocken, handelt es sich um einen Volumenmangel. Gibt es klinisch oder laborserologisch Hinweise auf eine Anämie, suchen wir nach einer Blutungsquelle. Macht euch wieder bewusst, dass diese Patienten aufgrund eines Motors in ihrer Blutbahn vollantikoguliert sind. Außerdem entwickeln sie aufgrund dieser Pumpe einen von-Willebrand-Faktor-Mangel. Das heißt, sie haben jeden Grund zu bluten!

Wenn ihr eine Blutungsquelle ausmachen konntet (GI-Trakt? Urin? große Hämatome?) und/oder einen niedrigen Hämatokrit gemessen habt, gebt ihr diesen Patienten EKs (Volumen) und versucht die Blutung zu stoppen. Fangt aber bitte bloß nicht ohne genaue Absprache mit den LVAD-Zentren an, den Patienten Vitamin K (grundsätzlich kontraindiziert!!!) oder PPSB zu geben. Diese Patienten brauchen ihre Antikoagulation dringend und eine Pumpenthrombose ist das Letzte, was sie und ihr haben wollt.

Es gibt keine Blutungsquelle? Wie gesagt: die Dinger lieben Volumen, also gebt es ihnen!

Was ist bei einem hohen Flow? In diesem Fall liegt ein Problem mit dem peripheren Widerstand vor. Was fällt uns da als erstes ein?

Richtig! Sepsis! Und natürlich ist ein Fremdkörper immer verdächtig als Infektfokus, aber zunächst behandeln wir diese Patienten wie jeden anderen Patienten mit einer Sepsis: 3 Paar Blutkulturen, antiinfektive Therapie (mit einem Breitspektrumantibiotikum), Volumen und Noradrenalin. Außerdem gehen wir auf die Suche nach einem alternativen Fokus. Wäre doch schade, wenn der Patient sein LVAD aufgrund eines nicht ausgeschlossenen Harnwegsinfektes oder einer Pneumonie verlieren würde.

Die mit Abstand häufigste Infektion des LVAD-Patienten ist (wie ihr euch sicher bereits gedacht habt) die Infektion der Driveline, schließlich besteht hier eine dauerhafte potentielle Eintrittsstelle für Bakterien und das prosthetische Material der Driveline stellt eine ideale Umgebung für die Formation bakterieller Biofilme dar. Rund 40% der Patienten sind von akuten und/oder chronischen Kabelinfekten betroffen. Die Mehrzahl der Fälle wird ambulant behandelt, stationäre Behandlung bringt oft lange Liegezeiten zur parenteralen Behandlung mit sich. Zu beachten ist, dass Verbandswechsel im Normalfall ausschließlich durch geschultes Personal oder erfahrene Angehörige erfolgen sollen, denn sowohl steriles Arbeiten wie auch eine optimale Zugentlastung der Driveline sind maximal wichtig für den Situs. Im Notfall wird euch bei unklarem Infektfokus nach Sichtung der Austrittsstelle nichts anderes übrig bleiben, als nach bestem Gewissen steril zu verbinden (es gibt online auch einige Videos), ihr solltet jedoch so bald wie möglich eine qualifizierte Versorgung über Angehörige oder Fachpersonal (aus dem Zentrum / Pflegedienste) veranlassen. Fotografiert den Situs zum Abgleich mit Vorbefunden (die VAD-Schwestern kennen ihre Schäfchen in- und auswendig), nehmt Abstriche und koordiniert etwaige antiinfektive Therapie zur Vermeidung von Redundanz mit dem Zentrum. Die Intervalle zum Verbandswechsel werden im Zentrum festgelegt und variieren zwischen einmal täglich und einmal wöchentlich.

Hoher Flow ohne Infekt? Eine eher seltene Konstellation, die am ehesten auf eine vasodilatative Medikation zurückzuführen ist. Verdächtige Medikamente absetzen, Vasopressor starten und mit Volumen unterstützen.

Großer rechter und großer linker Ventrikel:

  • Pumpenthrombose (Pump Thrombosis)
  • Obstruktion

Im Falle einer Pumpenthrombose wird aufgrund der Lokalisation des Thrombus im Bereich des Impellers und der entsprechend höheren „Reibung“ häufig der Alarm „hohe Leistung“ ausgelöst. Ein weiterer Hinweis kann das Vorliegen gesteigerter Hämolyse-Parameter im Labor sein, wobei eine leichte Erhöhung leider „normal“ ist. Klinisch beklagen die Patienten oft schwarzen / „colafarbenen“ Urin. Die Symptomatik kann von leicht bis vital bedrohlich das ganze Spektrum umfassen. Eine Sicherung der Diagnose ist nur im Zentrum möglich, die Mortaliät beträgt bis zu 50% (Bartoli et. al.). Kontaktiert im Verdachtsfall das Zentrum und diskutiert einen Heparin-Bolus. Wenn der Patient sich im Peri-Arrest befindet muss über eine Lysetherapie nachgedacht werden.

Die Obstruktion geht eher mit niedrigem Fluss als mit hoher Leistung einher und wird angiographisch oder CT-angiographisch gesichert.

Großer rechter und schmaler linker Ventrikel:

Wie oben bereits erwähnt – die Pumpe kann sich leider auch festsaugen, besonders bei hypovolämen Patienten. Also Volumen rein und LVAD-Zentrum kontaktieren.

Ihr seht eine rechtsventrikuläre Wandbewegungsstörung im Echo? Hat der Patient Thoraxschmerzen? Könnt ihr trotz der Artefakte infarkttypische EKG-Veränderungen ausmachen? Dann hat der Patient wahrscheinlich einen rechtsventrikulären OMI. Also ab ins Katheter-Labor. Diese Patienten könnten von Dobutamin zur Unterstützung der Inotropie profitieren (Hierzu ein Podcast von uns: titriert – Katecholamintherapie auf ITS).

Ihr seht keine Wandbewegungsstörungen? Jetzt ist Lungenembolie-Diagnostik (CT-Angio oder Perfuions-Ventilations-Szintigrafie) angesagt (ohne eine Studie zitieren zu können würden wir uns in diesem Fall nicht auf D-Dimere verlassen).

Wenn ihr eine Lungenembolie detektiert, behandelt diese. Neben der supportiven Therapie sollte eine interventionelle Therapie (wenn verfügbar) und eine Lyse in eurem Team und mit dem LVAD-Zentrum diskutiert werden.

Wenn keine Lungenembolie vorliegt, handelt es sich am ehesten um eine akute pulmonale Hypertonie. Diese tritt am ehesten im Rahmen einer Hypoxie und Azidose (z.B. in Folge einer Pneumonie) auf. Der Patient braucht hochdosierten Sauerstoff (Euler-Liljestrand Ahoi!) um den pulmonalarteriellen Druck zu senken (hier sollte großzügig eine Intubation erwogen werden, wenn es nicht schon andere Gründe für eine Atemwegssicherung gibt). Außerdem muss im Falle einer metabolischen Azidose ein Azidoseausgleich diskutiert werden.

Generelle Anmerkungen

  • LVADs sind NICHT MRT-fähig!

Punchline

  • ein schwacher oder fehlender Puls kann normal sein
  • macht eine strukturierte Untersuchung
  • denkt an Diagnosen abseits des Devices
  • im Zweifel versucht es mit Volumen
  • Equipment komplett einpacken
  • Don’t Panic

Algorithmus

Unser LVAD-Algorithmus

Co-Autor

Timo Höntsch

Links und andere FOAMed Quellen zum Thema

Deutsches Ärzte Blatt – Fortgeschrittene-Herzinsuffizienz-Dauerhafte-linksventrikulaere-Unterstuetzung-statt-Organ

The blunt dissection – part men, part machine

First10EM – LVAD emergency management

EMcrit – Left ventricular assist device

Life on the fast lane – ventricular assist device (VAD)

RebelEM – Left ventricular assist device

Quellen

Stiefelhagen, Peter. „LVAD bei terminaler Herzinsuffizienz: Nicht zu früh und nicht zu spät.“ CardioVasc 16.2 (2016): 34-35.

Felix SE et al. Continuous-flow left ventricular assist device support in patients with advanced heart failure: points of interest for the daily management. Eur J Heart Fail. 2012 Apr;14(4):351-6. PMID: 22308012.

Partyka C, Taylor B. Review article: Ventricular assist devices in the emergency department. Emerg Med Australas. 2014 Apr;26(2):104-12. PMID: 24707998.

Pratt AK, Shah NS, Boyce SW. Left ventricular assist device management in the ICU. Crit Care Med. 2014 Jan;42(1):158-68. PMID: 24240731.

Bartoli et al. Diagnosis, nonsurgical management, and prevention of LVAD thrombosis. J Card Surg 2014;29(1):83-94. PMID: 24267706

Shinar Z et al. Chest Compressions May be Safe in Arresting Patients with Left Ventricular Assist Devices (LVADs). Resus 2014. PMID: 24472494

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