Akutmanagement Rauchgas – Inhalation

Im Rahmen einer Rauchgasvergiftung treffen viele Schädigungsmechanismen mit häufig unspezifischen Symptomen aufeinander. Wir versuchen euch im Folgenden eine Systematik an die Hand zu geben, um die richtigen Therapieentscheidungen zu treffen.

Pathophysiologie

Bei einem Gebäudebrand verbrennen verschiedenste Stoffe. Es entsteht eine sehr unübersichtliche Menge an inhalativen Giftstoffen. Diese führen jedoch im Wesentlichen zu drei Schädigungsmechanismen, die wir gut unterscheiden können, um dem Ganzen etwas Struktur zu verleihen:

  • thermische Schädigung der Atemwege Inhalationstrauma
  • chemische Schädigung der Atemwege – reizende Gase
  • systemisch wirksame Gifte – asphyktische Gase

In der Realität erwartet uns leider meistens eine Kombination aller drei Mechanismen, aber didaktisch ist es so viel schöner.

Thermische Schädigung – Inhalationstrauma

So ein Gebäudebrand ist eine exotherme Angelegenheit. Neben einer Menge giftiger Gase ensteht eine ganze Menge Hitze. Ein mit Gasen, Wasserdampf und Partikeln gesättigter Rauch ist ein erstaunlich guter Wärmetransporter. Unsere Körperzellen haben leider aber nur eine sehr begrenzte Toleranz gegenüber Hitze. Über den direkten Zellschaden kommt es im Rahmen einer (ätzend) komplizierten Transmitterkaskade (Cox, RA. et al.) sowohl zu einer erhöhten Mikrozirkulation als auch Zellpermeabilität. Das kann zu massiven Schwellungen führen, die in ein nahezu nicht beherrschbares A-Problem münden können (Rong, Y. et al.).

Chemische Schädigung – reizende Gase

Reizende Gase führen zu Irritationen der Schleimhäute in den Augen, der Nase und der Atemwege. Über Umwege können auch diese zu Hypoxie führen. Der primäre Effekt ist aber eine Schädigung der Lunge. Als reizende Gase gelten:

  • Salzsäure (HCl)
  • Bromwasserstoff (HBr)
  • Fluorwasserstoff (HF)
  • Stickstoffoxide (NOx)
  • Formaldehyde (CH2O)
  • Acrolein (C3H4O)

Reizende Gase irritieren die bronchialen Nerven und Schleimhäute. Über eine (wiederum ätzend komplizierte) Signalkaskade resultiert eine Erhöhung der bronchialen und pulmonalen Durchblutung um den Faktor 4-20 (Traber, D. et al.; Cox, R. et al.). Außerdem bewirken die freigesetzten Botenstoffe eine erhöhte Permeabilität der Membranen. Diese beiden Mechanismen würden schon für die Ausbildung eines toxischen Lungenödems ausreichen, aber es geht noch weiter: Durch die Reizgase wird das bronchiale Flimmerepithel zerstört, was den Abtransport der inhalierten Rußpartikel behindert. Diese Rußpartikel sind aber leider onkotisch wirksame Teilchen, was die Ausbildung des Lungenödems weiter fördert. Im Rahmen dieses Lungenödems gelangen zusätzlich onkotisch wirksame Proteine aus der Blutbahn in die Lunge – es ist ein……wait for it……Teufelskreis! Und als wenn das nicht schon schlimm genug wäre, führen die Reizgase zusätzlich zu einer Schädigung des Surfactant und somit zur Bildung von (Mikro-)Atelektasen. (Hamahata, A. et al.; Maybauer, M. et al.; Gupta, K. et al.).

Im schlimmsten Fall entwickelt sich ein ordentliches Ventilations-Perfusions-Mismatch und die Kombination aus Minderbelüftung, überwässerter Lunge und einem durch das Trauma geschwächten Immunsystem bieten perfekte Voraussetzungen für eine (bakterielle) Infektion (Gupta K. et al.). Kurz gesagt: Wir haben beste Voraussetzungen für das Vollbild eines ARDS.

Systemisch wirksame Gifte – asphyktische Gase

Zu den asphyktischen Gasen werden alle die gezählt, die direkt zu einer Hypoxie (auf Zellebene) führen und somit systemisch wirksam sind. Zu den asphyktischen Gasen zählen:

  • Kohlendioxid (CO2)
  • Kohlenmonoxid (CO)
  • Zyanid (HCN)
  • Sauerstoffmangel

Schon klar: „Sauerstoffmangel ist kein Gas, sondern die Abwesenheit eines solchen!“ und „Ja – ihr habt recht!“ ABER: Wo Rauch ist, ist Feuer nicht weit. Wo Feuer ist, wird (meistens) Sauerstoff verbrannt. Und wo Sauerstoff verbrennt, entsteht eine unfaire Konkurrenzsituation.

Kohlendioxid

Kohlendioxid entsteht bei Verbrennungsprozessen (wie einem Gebäudebrand) in großer Menge. Leider ist es (bei gleicher Temperatur) schwerer als Luft. Dies kann zu einem Verdrängen der sauerstoffhaltigen Luft führen und somit direkt zu einer Hypoxie (vgl. Sauerstoffmangel).

Neben diesem indirekten Effekt hat Kohlendioxid auch direkte toxische Effekte. Ab einer inspiratorischen CO2-Konzentration von ca. 5% kann der Körper sein eigenes Kohlendioxid nicht mehr abatmen. Es kommt ggf. sogar zu einer zusätzlichen CO2-Aufnahme aus der Umgebung. CO2 ist ca. 20x besser im Blut löslich als O2 (Zaba C. et al.). Die Hyperkapnie führt zu einer akuten respiratorischen Azidose. Die Azidose bedingt einerseits Störungen im Elektrolyt-Haushalt (EKG-Veränderungen) und andererseits (mutmaßlich über eine Störung der Acetylcholin-Hydrolyse) eine Überaktivität des Parasympathikus. Nach einer kurzen (durch direkte CO2-Wirkung bedingten) initialen Phase von Tachykardie und Hypertension führt das Übergewicht des Parasympathikus rasch zu Bradykardie und Hypotension. Im weiteren Verlauf kommt es zum zirkulatorischen und respiratorischen Arrest. Im Tiermodel kommt es zunächst zu einer Tachypnoe, da der Körper versucht das überschüssige CO2 wieder los zu werden. Bei erhöhten Konzentrationen in der Raumluft funktioniert das jedoch physikalisch nicht. Ab Konzentrationen von ca. 10% treten neurologische Symptome in Form von rascher Bewusstlosigkeit und Krampfanfällen auf (Permentier K. et al.; Langford, NJ.; BoA.coach – Kohlendioxidtransport).

Kohlenmonoxid

Kohlenmonoxid entsteht bei unvollständiger Verbrennung, so dass wir bei jeder Rauchgasintoxikation an Kohlenmonoxid denken müssen.

Vereinfacht gesagt bindet Kohlenmonoxid mit einer 250-300-fachen höheren Affinität an Hämoglobin als Sauerstoff. Dadurch entsteht Carboxyhämoglobin (COHb), welches nicht mehr zum Sauerstofftransport zur Verfügung steht, denn leider funktioniert unsere Atmungskette nicht mit CO sondern nur mit O2. Außerdem bindet das CO auch an andere häm-haltige Proteine. Hier ist insbesondere an kardiales Myoglobin zu denken, so dass eine myokardiale Hypoxie entsteht.

Cyanide

Gasförmige Cyanide entstehen durch die Verbrennung von Kunststoffen (Acrylfasern, Kunstharzen, Polyurethanschaum, Nylon und Insektiziden). Aber auch bei Verbrennung von Naturmaterialien (Wolle, Seide und Holz) kann Cyanid entstehen, so dass bei jedem Gebäudebrand auch mit Cyanid gerechnet werden muss.

Cyanid bindet dreiwertiges Eisen. Dieses haben wir in unserem Körper hauptsächlich an der Cytochrom-C-Oxidase. Dieses Enzym ist Teil der Atmungskette in unseren Mitochondrien (den Kraftwerken unserer Zellen ;)). Daher kann der aufgenommene Sauerstoff auf Zellebene nicht mehr verwertet werden. Die gestörte Zellatmung führt zu einem „inneren Ersticken“. Eine ausführliche Übersicht über Cyanide findet ihr bei ToxDocs – Cyanide.

Da HCN und CO beide zu einem Versagen der „inneren Atmung“ führen werden sie auch als „TOXIC TWINS“ bezeichnet.

Symptome

Die Symptome einer Rauchgasinhalation können mit einem zeitlichen Versatz auftreten, so dass Symptomfreiheit nach der Exposition eine klinisch relevante Vergiftung nicht ausschließt.

Egal ob eine thermische oder chemische Reizung der Atemwege vorliegt, einige Symptome sind unspezifisch:

  • Stridor
  • Giemen / Spastik
  • Dyspnoe
  • Zyanose

Thermische Schädigung – Inhalationstrauma

Genau wie unsere Haut (nur wer heiß anfassen kann, kann auch heiß lieben!) können auch unsere Schleimhäute Verbrennungen erleiden. Das charakteristische Symptom für ein Inhalationstrauma ist die Verrußung. Eine körperliche Untersuchung ist (wie so oft) unerlässlich. Besonders achten solltet ihr auf:

  • Ruß um Mund und Nase
  • Ruß im Rachenraum
  • verkohlte Nasenhaare
  • rußiges Sputum
  • Verbrennungen im Hals- oder Gesichtsbereich

Chemische Schädigung der Atemwege – reizende Gase

Die Endstrecke einer Inhalation durch reizende Gase ist neben einer ordentlichen Bronchospastik das toxische Lungenödem. Dieses äußert sich, genau wie das kardiale Lungenödem, durch feuchte Rasselgeräusche bei der Auskultation und eine knackige Oxygenierungsstörung.

Systemisch wirksame Gifte – asphyktische Gase

Alle asphyktischen Gase führen zur Gewebshypoxie (asphyktisches Toxidrom). Die Symptome sind daher identisch und nur unspezifisch. Die empfindlichsten Organe für eine Gewebshypoxie sind unser Gehirn und unser Herz, so dass sich auch die Symptome hieraus ableiten. CAVE: Trotz der Hypoxie führen weder Cyanid noch Kohlenmonoxid zu einer Zyanose!

Cerebral:

  • Kopfschmerzen
  • Schwindel
  • Müdigkeit
  • Krampfanfälle
  • Vigilanzstörungen

Kardial:

  • Tachykardie (im Verlauf Bradykardie)
  • Repolarisationsstörungen (relative Myokardischämie)
  • Hypotonie
  • Tachypnoe (Hyperventilation)
  • kardiorespiratorisches Versagen

Je nach Vorerkrankungen und Reserven des Patienten (KHK, pAVK, Herzinsuffizienz, COPD, etc.) kommt es bei unterschiedlichen Konzentrationen der asphyktischen Gase zur Gewebshypoxie. Folglich können gleich stark exponierte Patienten sehr unterschiedlich stark symptomatisch sein.

Diagnostik

Bei der Ersteinschätzung des Patienten machen wir alles wie immer (A-B-C). Im Weiteren gehen wir nur auf die Besonderheiten im Rahmen der Rauchgasintoxikation ein.

Pulsoxymetrie

Die Pulsoxymetrie ist DIE Basisdiagnostik, egal ob präklinisch oder klinisch, insbesondere bei pulmonalen Krankheitsbildern. Kohlenmonoxid allerdings lässt sich mit normalen Pulsoxymetern (die auf 2 Wellenlängen messen) nicht bestimmen. COHb sieht für ein konventionelles Pulsoxymeter aus wie OxyHb, deshalb zeigt es im Falle einer Kohlenmonoxidvergiftung falsch-hohe SpO2-Werte an. Es gibt spezielle CO-Oxymeter, diese messen auf bis zu 8 Wellenlängen und setzen die Ergebnisse ins Verhältnis. Wie verlässlich diese Werte sind wird kontrovers diskutiert (Touger, M. et al.). Das American College of Emergency Physicians (ACEP) empfiehlt derzeit keine Routineanwendung (Wolf, SJ. et al.). Wir denken trotzdem, dass eine präklinische Bestimmung sinnvoll ist, um einen Eindruck vom Patientenzustand zu bekommen, auch wenn die absoluten Werte am Ende nicht vollständig mit denen aus der Blutgasanalyse übereinstimmen. Die Beurteilung sollte natürlich immer unter Berücksichtigung der Symptomatik erfolgen. Beweisend ist eine Bestimmung des COHb in der Blutgasanalyse (BGA).

EKG

Zur Darstellung einer möglichen myokardialen Ischämie sollte in jedem Fall ein 12-Kanal-EKG angefertigt werden, auch wenn eine Ischämie in diesem Fall wahrscheinlich kein koronares Durchblutungsproblem, sondern ein Sauerstofftransportproblem darstellt.

BGA

Eine BGA hat im Rahmen einer Rauchgasintoxikation viele Vorteile, da sie beweisend für eine Kohlenmonoxidintoxikation ist. Dabei ist es völlig egal, ob ihr eine venöse oder arterielle BGA nutzt, da sich der COHb-Anteil nicht wesentlich unterscheidet. Allerdings bietet eine arterielle BGA einige andere Vorteile:

Zum einen lässt sich eine fundierte Aussage über den pulmonalen Gasaustausch treffen. Zum anderen ist der pH-Wert ein prognostischer Marker im Rahmen der Kohlenmonoxidintoxikation; ein pH-Wert unter 7,2 ist mit einer erhöhten Mortaliät verbunden (Hampson, NB. et al.). Außerdem kommt es aufgrund der toxischen Wirkung von Cyaniden und Kohlenmonoxid zu einer anaeroben Stoffwechsellage und somit auch zur Bildung von Laktat. Wir können den Laktat-Spiegel in der BGA als Anhaltspunkt für einen relevanten Cyanidspiegel benutzen. Dabei sprechen Laktatwerte über 10 mmol/l für eine relevante Gewebshypoxie. (Baud, FJ., Borron, SW. et al; Baud, FJ., Barriot, P. et al.)

Labor

Einen Point-of-Care-Test für Cyanide gibt es leider nicht. Auch ein Cyanidspiegel aus dem Labor ist häufig nicht in einer akzeptablen Zeit verfügbar. Aus diesem Grund müssen wir die Therapie nur aufgrund der „Leitsymptome“ und des Verdachtes einleiten.

Darüber hinaus sollten wir ein Basislabor anfertigen. Aus unserer Sicht besteht dies aus:

  • kleines Blutbild
  • Elektrolyte (Karl Schmidt aus Herr Lehmann: „Denkt an die Elektrolyte!“)
  • Kreatinin
  • LDH
  • CK
  • CRP

Weitere Werte, die man zumindest diskutieren kann, sind:

  • Troponin (serielle Bestimmung)
    • zum Ausschluss eines myokardialen Zellschadens
  • NTproBNP
    • zur Detektion einer anderen Genese für ein Lungenödem

POCUS und Röntgen-Thorax

Greift zum Ultraschallkopf und schaut euch die Lunge des Patienten an. Ergänzend könnt ihr ein Röntgenbild von der Lunge des Patienten anfertigen. Zu erwartende Befunde sind:

  • Lungenödem
  • Atelektasen
  • Konsolidierungen

Die initiale Bildgebung kann genau wie die Symptomatik unauffällig sein und erst im Verlauf des Pudels Kern offenbaren. (Toon, MH. et al.; Enkhbaatar, P. et al.)

CT-Thorax

Ein CT-Thorax sollte keine Basisdiagnostik im Rahmen einer Rauchgasinhalation sein. Bei unklaren Fällen kann eine peribronchiale Milchglastrübung schon nach einigen Stunden (also deutlich früher als im konventionellen Röntgen) nachgewiesen werden. (Koljonen, V. et al.)

Bronchoskopie

Auch wenn die Bronchoskopie an sich ein invasives Verfahren ist, hat sie die höchste Sensitivität und Spezifität zur Sicherung der Diagnose einer Rauchgasinhalation. Während einer Bronchoskopie kann das Ausmaß von Schwellung und Verrußung der Schleimhäute direkt beurteilt werden. (Mosier, MJ. et al.). Außerdem ermöglicht die Bronchoskopie ein gezieltes Absaugen und bronchiale Lavage.

Gerade bei intubierten Patienten sollte die Indikation für eine Bronchoskopie aus unserer Sicht großzügig gestellt werden.

Therapie

Wie schon oben erwähnt: Da wo Rauch, ist meist auch Feuer. Weder für das eine noch für das andere ist unsere (des medizinischen Fachpersonals – im Jargon auch Rothosen) Schutzausrüstung ausgelegt oder wir ausreichend ausgebildet. Es sollte selbstverständlich sein, dass in solchen Fällen der Eigenschutz vorgeht und eine Rettung aus dem Gefahrenbereich den Fachleuten (die meist blaue Hosen tragen) vorbehalten ist.

Atemwegsmanagement

Eigentlich versuchen wir gerade in diesen Fragen wenig „rumzueiern“. Intubieren oder nicht, das ist hier die Frage und ich kann euch sagen: „Das ist ein weites Feld (Effi)!“

Hier die wichtigsten Eckpunkte für eure Entscheidung:

Neben den üblichen Intubationskriterien (GCS < 9; fehlende Schutzreflexe, vgl. AWMF Leitlinie „Prähospitales Atemwegsmanagement“) sollte bei Anzeichen eines Inhalationstraumas (Verbrennungen im Gesicht, Verrußung von Nase und/oder Rachen, verkohlte Nasenhaare, inspiratorischer Stridor als Zeichen einer beginnenden Atemwegsverlegung) die Intubationsindikation großzügig gestellt werden. Das Inhalationstrauma mit der oben erklärten Pathophysiologie kann zu einem massiven Atemwegsödem mit einer vollständigen Atemwegsverlegung führen. Eine Verzögerung der Atemwegssicherung kann die Intubation somit massiv erschweren oder sogar unmöglich machen. Time is Airway. (Mlcak, RP. et al.; Madnani, DD. et al.). Ein Atemwegsödem kann auch bei großflächigen Verbrennungen abseits der Atemwege, aufgrund der großen infundierten Flüssigkeitsmengen bei der Verbrennungsversorgung, auftreten (Mlcak, RP. et al.).

Andererseits ist eine präklinische Atemwegssicherung per se eine risikobehaftete Sache. Die beginnende Atemwegsverlegung und der respiratorische Zustand des Patienten müssen also gegen die schwierigen Bedingungen, die verfügbare Technik, den Weg in die Klinik, das Team und die eigenen Skills abgewogen werden (vgl. AWMF Leitlinie „Prähospitales Atemwegsmanagement“).

Fällt die Entscheidung gegen eine frühe Atemwegssicherung muss eine regelmäßige Reevaluation erfolgen, da eine Atemwegsverlegung bis zu 72h nach dem Trauma entstehen kann. In diesem Fall kann eine Schwellung der oberen Atemwege durch inhalatives Adrenalin (siehe Bronchospasmus) eventuell gemindert oder zumindest verzögert werden (Lopez, E. et al.).

Fällt die Entscheidung zur frühen Atemwegssicherung, empfehlen wir die primäre Nutzung des Videolaryngoskops. Eine wachfiberoptische Intubation mit erhaltender Spontanatmung ist, besonders bei Zeichen der beginnenden Atemwegsverlegung, im klinischen Setting ein guter Weg, um das Risiko für den Patienten zu minimieren und den eigenen Adrenalinspiegel zu senken. Eine gute Alternative stellt auch in der Präklinik die dissoziative Wachintubation mit Ketamin dar (EMCrit Podcast 247 – The Dissociated Awake Intubation with my buddy, Ketamine).

Bronchospasmus

Die chemische Irritation der Atemwege kann zu einem massiven Bronchospasmus führen. Diesen behandeln wir (wie jeden anderen Bronchospasmus auch) mit

Inhalativen Beta-2-Sympathomimetika (Salbutamol) und inhalativen Anticholinergika (Atrovent). Wir verbessern so sowohl die Compliance als auch das Ventilations-Perfusions-Verhältnis. (Palmieri et al. 2007; Palmieri et al. 2009; Jonkam, Collette et al.)

Inhalatives Adrenalin scheint insbesondere bei Bronchospasmus in Kombination mit einem Inhalationstrauma eine sinnvolle Alternative zu Salbutamol zu sein. Hier bewirkt eine Vasokonstriktion in den oberen Atemwegen eine Minderung des Schleimhautödems und eine Reduktion der Schleimbildung. Weiterhin kommt es (ebenfalls über eine Beta-2 Stimulation) zu einer Dilatation der terminalen Bronchien, so dass die Compliance der Lunge und die Oxygenierung des Patienten verbessert werden (Lopez et al.; Foncerrada et al.). Basierend auf den Empfehlungen zur Anaphylaxie erscheint eine Dosierung von 3-6 mg sinnvoll (Helbling et al.).

Steroide erscheinen im Rahmen eines Bronchospasmus sowohl aus Erfahrungen bei der COPD und bei Asthma bronchiale als auch aus pathophysiologischen Überlegungen sinnvoll. Allerdings ist uns keinerlei Evidenz für dieses Vorgehen bekannt. Potentielle Nebenwirkungen wie insbesondere eine erhöhte Infektanfälligkeit müssen bedacht werden. Wir raten daher von einer rein prophylaktischen Applikation ab. Im Falle eines therapierefraktären Bronchospasmus kann eine Gabe erwogen werden.

Toxisches Lungenödem

Eine kausale Therapie für das toxische Lungenödem existiert nicht. Wir versuchen mit symptomatischer Therapie schwere Komplikationen zu vermeiden, bis der Patient und seine Lunge sich von den schädigenden Auswirkungen der Reizgase erholen können. In leichten Fällen geschieht das durch einfache Sauerstoffgabe (4-10 l/min) über eine Sauerstoffbrille oder -maske.

Darüber hinaus gelten natürlich die gleichen Kriterien zur Abschätzung der Notwendigkeit einer maschinellen Beatmung, die wir sonst auch anwenden:

  • Atemfrequenz >30/min
  • PaO2 < 65 mmHg
  • PaCO2 > 50-60 mmHg
  • PaO2/FiO2 < 200 mmHg

Diese Kriterien sind nicht als absolut anzusehen, sondern müssen immer in einem Kontext mit situativen und patientenspezifischen Faktoren beurteilt werden.

Auch wenn es wenig „harte Daten“ auf diesem Gebiet gibt, erscheint ein NIV-Versuch sinnvoll, um die Komplikationen einer Intubation zu vermeiden, wenn der Patient nicht aufgrund eines Inhalationstraumas eine definitive Atemwegssicherung benötigt (Woelke et al.). Es gelten natürlich die gleichen Kontraindikationen und Abbruchkriterien wie immer bei der Durchführung einer NIV-Therapie (dasFOAM – NIV Teil 1+2; Pin-Up-Docs – NIV).

Im Falle einer invasiven Beatmung sollten sich die Beatmungseinstellungen und die Zielgrößen am ARDS-Management orientieren (Pin-Up-Docs – ARDS; Dries).

CO – Intoxikation

Die Eliminationshalbwertszeit des COHb liegt bei ca. 320 min. Diese lässt sich durch eine Erhöhung des Sauerstoffpartialdruckes in den Alveolen reduzieren. So reduziert das Atmen von 100% O2 bei Atmosphärendurck die Halbwertszeit auf 50-90 min. Für eine vollständige Elimination ist allerdings das Ablaufen von ca. 5 Halbwertszeiten notwendig. Im Akutfall empfehlen wir ein ressourcenabhängiges Management: Optimal wäre eine CPAP-Therapie mit einem FiO2 von 1,0 und einem PEEP von 10 mbar (sofern der Patient das toleriert und nicht ohnehin schon aufgrund des Inhalationstraumas invasiv beatmet wird). Alternativen sind Maskenatmung mit dem Demand-Ventil oder eine Sauerstoffmaske mit Reservoir und einem Flow von 15 l/min.

Hyperbarer Sauerstoff kann die HWZ weiter reduzieren, allerdings ist die Studienlage zur hyperbaren Sauerstofftherapie uneindeutig und wir warten derzeit auf deutsche Leitlinien zu diesem Thema. Ein Transport in ein Überdruckzentrum mit Intensivkapazitäten ist wünschenswert, sollte aber je nach Transportzeit kritisch evaluiert werden. Bei einem Zeitverzug von mehr als 6 – 8 h nach Exposition und unter suffizienter NIV-Therapie oder invasiver Beatmung erscheint ein Transport wenig sinnvoll, da bis zum Eintreffen im Zentrum dann bereits ein Vielfaches der effektiven Eliminations-HWZ abgelaufen sein wird (Wolf et al.).

Zyanidintoxikation

Für die Zyanidintoxikation stehen mehrere Antidota zur Verfügung. Mittel der Wahl ist aus unserer Sicht Hydroxycobalamin, eine Vorstufe von Vitamin B12 (Cyanocobalamin). Es bindet Cyanid und wird zu Vitamin B12. Dieses wird vom Körper entweder verwertet (Tagesbedarf gedeckt) oder renal ausgeschieden. Da es quasi keine Nebenwirkungen hat, wird es beim symptomatischen Patienten nach Rauchgasexposition sogar präklinisch empfohlen (Anseeuw et al.). Empfohlen wird eine Dosis von 5 g über 15 Minuten intravenös. Falls 2 h nach der Exposition weiterhin erhöhtes Laktat nachzuweisen ist, kann eine Wiederholung erfolgen. Im Rahmen einer Periarrestsituation sollten direkt 10 g verabreicht werden (Anseeuw et al.).

Die einzige Nebenwirkung von Hydroxycobalamin ist die Rotfärbung der Haut und der Schleimhäute. Lächerlich im Vergleich zu einer Cyanidintoxikation? Stimmt! Aber der rote Farbstoff behindert leider unsere Diagnostik. Die BGA ist nämlich ein spektralphotometrisches Verfahren. Leider beeinflusst der rote Farbstoff dieses Verfahren, so dass es zu falsch-niedrigen COHb-Werten kommen kann. Die Beeinflussung der Messwerte ist abhängig vom verwendeten BGA-Gerät, der COHb-Konzentration und der Hydroxycobalaminkonzentration. Aufgrund dieser drei Variablen lässt sich das Ausmaß der Beeinflussung nicht vorhersagen (Pace, R. et al.; Baud, F.; Lee, J. et al.; Livshits, Z. et al.). Daher empfiehlt sich aus unserer Sicht eine BGA-Abnahme vor der Hydoxycobalmingabe. Präklinisch sind keine BGA-Spritzen vorhanden? Kein Problem. Ihr heparinisiert eine 2ml-Spritze (Heparin aufziehen und wieder wegspritzen) und asserviert.

Die Alternative zu Hydroxycobalamin ist Natriumthiosulfat. Als Schwefeldonator ermöglicht es die Elimination des Cyanids über die Rhodenase. Allerdings ist dieser Prozess sehr langsam und für die akute Vergiftung allenfalls supportiv geeignet (Henretig, F. et al.; Anseeuw, K. et al.). Die Dosierung (beim ansprechbaren Patienten oder nach Initialtherapie mit Hydroxycobalmin):

  • 2 ml/kg KG Natriumthiosulfat 10% = ca. 200 mg

Alle übrigen Antidote wie 4-DMAP verbieten sich, da es Methämglobin-Bildner sind. Methämoglobin enthält ebenfalls ein dreiwertiges Eisen, weshalb es ebenfalls Cyanid anstelle der Cytochrom-C-Oxidase bindet. Allerdings steht dieses Hämoglobin auch nicht mehr für den Sauerstofftransport zur Verfügung, was besonders im Rahmen einer gleichzeitigen CO-Intoxikation zu einer Verschlimmerung der Hypoxie führen kann.

Für weitere Infos zur Zyanid-Intoxikation: ToxDocs – Cyanide.

Punchlines

  • Diagnostik
    • „normale“ SpO2 – falsche Werte
    • BGA gibt die wichtigsten Infos
    • Hydroxycobalamin kann BGA verfälschen, möglichst präklinisch asservieren
  • Inhalationstrauma
    • großzügige Intubation
    • ggf. Adrenalin – Inhalation
  • Bronchospasmus
    • Beta-2-Sympathomimetika
    • ggf. Adrenalin – Inhalation
  • Toxisches Lungenödem
    • NIV
    • ggf. Intubation + ARDS-Management
  • Toxic Twins
    • 5g Hydroxycobalamin
    • NIV für 5-8h
      • FiO2 1,0
      • PEEP möglichst 10 mbar

Autoren

Dr. med. Thorben Doll

Arzt in Weiterbildung Anästhesiologie, aktiver Notarzt, lernte die Notfallmedizin von der Pike auf kennen, präklinische Erfahrung 16 Jahre und Gründer von Pin-Up- Docs.de

Timo Höntsch

(Fast-)Facharzt für Innere Medizin, aktiver Notarzt im NEF und auf dem ITW. Unzählige Jahre präklinische Erfahrung.

Johannes Pott

Arzt in Weiterbildung Anästhesiologie, aktiver Notarzt, Lieblingsbaustelle ist die Intensivstation. Seit 15 Jahren im Rettungsdienst und Gründer von Pin-Up-Docs.de

#FOAMed – Quellen

Newspaper.eu – Beeinflusst Hydoxycobalamin die BGA?

ToxDocs – Cyanide

DocCheck – Kohlenmonoxidvergiftung

Deutsche Apotheker Zeitung – Zyanidvergiftung

Ärzteblatt.de – Kohlenmonoxidintoxikation

BoA.coach – Kohlendioxidtransport

EMCrit Podcast 247 – The Dissociated Awake Intubation with my buddy, Ketamine

dasFOAM – NIV Teil 1+2

Literaturverzeichnis

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